Waffengleichheit notwendigtun & lassen

Rechtsbeistand durch die Institution Arbeiterkammer

Seit Jahren wollen rechte und/oder neoliberale Parlamentsparteien die Pflichtmitgliedschaft unselbstständiger Beschäftigter bei der Arbeiterkammer beseitigen. Zum Vorteil für Unternehmer_innen und zum Nachteil für Angestellte und Arbeiter_innen. Clemens Staudinger hat sich einen exemplarischen Arbeitskonflikt angesehen, der ahnen lässt, wie er ohne Mitgliedschaft bei der AK ausgegangen wäre.

Illu: Much

Selbst die rosarote Politik so mancher Arbeiterkämmerer ändert nichts an der Tatsache, dass die Pflichtmitgliedschaft aller Angestellten und Arbeiter_innen bei der AK eine große Solidargemeinschaft bildet, die im Konfliktfall mit einem Unternehmen Schutz bietet. Bei arbeitsrechtlichen Konflikten kann von keiner «Waffengleichheit» gesprochen werden: auf der einen Seite ein kapitalkräftiges, mit entsprechenden Ressourcen und Top-Advokat_innen versehenes Unternehmen und auf der anderen Seite ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin, eventuell des Arbeitsrechtes nicht besonders kundig und nicht mit unerschöpflichen Geldmitteln ausgestattet, um brauchbaren Rechtsbeistand zu bezahlen. Kommt es bei einer derartigen Konstellation zum Konflikt ohne Rechtsbeistand, ist klar, wer am längeren Ast sitzt. Wesentlicher Arbeitsauftrag der Arbeiterkammern ist der Rechtsschutz. So kann eine Annäherung an eine «Waffengleichheit» erreicht werden. Wobei Annäherung eben nur Annäherung bedeutet.

29 Jahre in 5 Minuten.

Exemplarisch für viele Rechtsfälle vor dem Arbeitsgericht: Ein Mitarbeiter einer Getränkevertriebsfirma in Wien Meidling fährt 29 Jahre lang Tag für Tag zu Gastronomiebetrieben und beliefert sie mit Bier, Wein und sonstigen Getränken. Der Mitarbeiter, nennen wir ihn Branko, hat gute Kontakte zu seinen Kund_innen, von Beschwerden ist nie die Rede. Als er eines Tages von seiner Tour in den Betrieb zurückkommt, überrascht ihn sein Chef mit massiven Vorwürfen, es gäbe Beschwerden und überdies Unregelmäßigkeiten mit zu wenig zurückgebrachtem Leergut, und deshalb wird die fristlose Entlassung ausgesprochen. 29 Jahre Mitarbeit im Unternehmen werden in fünf Minuten Vorwurfslitanei abgehandelt.

Die Details der Angelegenheit waren eher hässlich: Die angeblichen Vorwürfe kamen von einem Kunden, mit dem der Chef persönlich eng befreundet ist. Die fristlose Entlassung des langjährigen Mitarbeiters hätte dem Unternehmen bares Geld erspart. Die gesetzliche Abfertigung, in diesem Fall ein ganzes Jahresgehalt, bliebe in der Kasse des Unternehmens, die Lohnzahlungen, die bei einer korrekten Kündigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der entsprechenden Fristen zu bezahlen gewesen wären, könnten ebenfalls gespart werden und wären geeignet, das Gewinnkonto des Unternehmens aufzufetten. Die Motive des Unternehmens scheinen klar. Der Mitarbeiter klagte beim Arbeitsgericht und wurde von der Rechtsschutzabteilung der AK vertreten.

Happy End, aber …

Die fristlose Entlassung wurde als nicht korrekt befunden, das Unternehmen musste sämtliche Ansprüche befriedigen. So erfreulich diese Nachricht ist, so wenig erfreulich ist die Debatte um die Pflichtmitgliedschaft bei Arbeiterkammern: FPÖ und NEOS trommeln jetzt im Wahlkampf gegen die Pflichtmitgliedschaft. Insbesondere die FPÖ zeigt in dieser Causa ihr wahres Gesicht. Nicht «soziale Heimatpartei» steht am Programm, sondern klare Parteinahme für die Gewinne der Unternehmen, das Schaffen der Voraussetzungen dafür und die in der FPÖ-Denkweise dafür logischerweise notwendige Liquidierung von Arbeitnehmer_innen-Institutionen.

Finanziert wird die AK durch die Beiträge der Mitglieder, die direkt vom Gehalt abgezogen werden. Dies ermöglicht unter anderem das Anbieten und Wahrnehmen von Rechtsbeistand. Im Zusammenhang mit dem Versuch, die Arbeiterkammern durch schlichten Mittelentzug (Mitgliedsbeiträge) außer Gefecht zu setzen, werden weitere dunkle Wolken am Horizont sichtbar: FP-Führer HC Strache verlangte mehrmals, die Frage der Pflichtmitgliedschaft bei Arbeiterkammern per Volksentscheid klären zu lassen. Wir können uns gut ausmalen, wie die österreichischen Boulevardzeitungen in einer derartigen Situation mitwirken und welche Interessen sie dabei vertreten würden. Man möge sich lediglich die Eigentümer_innenstrukturen ansehen. Und da haben wir die weiteren Problematiken einer sogenannten «direkten Demokratie» noch gar nicht angesprochen.

Insgesamt absolvieren die österreichischen Arbeiterkammern nach eigenen Angaben mehr als zwei Millionen Beratungen pro Jahr. Notwendigkeit für diese Arbeit ist also gegeben. Da darf es beim geschilderten Bedrohungsszenario innerhalb der AK gerne weniger Rosarot und mehr Rot geben.

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