Warum der Weiße Mann im Dienstwagen Starthilfe brauchttun & lassen

Vanessa Spanbauer mag Rockmusik und guten Journalismus

Vanessa Spanbauer, 24, ist Redakteurin beim Black Austrian Lifestyle-Magazin «fresh» und angehende Historikerin. Lisa Bolyos (Text) und Esther Ojo (Foto) haben mit ihr darüber gesprochen, warum Schwarze Frauen nicht R ’n’ B hören müssen, was Weiße Männer glauben macht, dass es keinen Rassismus mehr gibt, und wie bedeutsam es ist, nicht «die einzige mit diesen Erfahrungen» zu sein.«Ich habe früh angefangen, über Musik zu schreiben», sagt Vanessa Spanbauer. Welche Musik? Rock. Ja, Rock. «Das hat natürlich viele Menschen verwirrt. Ich sag, ich beschäftige mich mit Musik, und weil ich so ausschaue, wie ich ausschaue, denken sie: Da wird die sich wohl für Hiphop, R ’n’ B oder Reggae interessieren.» Auf Rockkonzerten war Spanbauer «oft die einzige, und die Leute haben mich dementsprechend wiedererkannt». Die Einzige, das heißt: die Einzige, die nicht als Weiß gilt.

Auffallen kann Vorteile haben – und es kann einer richtig auf die Nerven gehen. «In der Schule hat es mich immer nur genervt. Ich war schüchtern, ich wollte gern irgendwo versinken, aber das geht nicht, wenn man immer raussticht. Einmal habe ich eine Komparsenrolle gespielt und mir wurde gesagt: ‹Dich können wir nicht nochmal verwenden, du warst schon so auffällig.› Alles was ich wollte, war so zu sein wie die anderen.» Heute ist Vanessa Spanbauer vierundzwanzig und das personifizierte Selbstbewusstsein: «Irgendwann merkt man, es ist auch ein Vorteil, ein bisschen anders zu sein. Mittlerweile streiche ich das gern heraus.» Ihre Haare trägt sie so blond wie nur möglich – für den Moment. Trotzdem ist es manchmal nötig, Urlaub in Normalistan zu machen, dann kehrt Vanessa Wien den Rücken und fährt «zum Beispiel nach London, wo ich durch meine Persönlichkeit oder meinen Stil herausstechen darf und nicht durch meine Hautfarbe. Wo niemand es überraschend findet, dass ich etwas kann, was für Weiße ganz normal ist.» Zum Beispiel Deutsch. Wird Akademikerinnen an und für sich nicht oft abgesprochen, ihre Muttersprache zu beherrschen, so macht Spanbauer andere Erfahrungen: «Ich werde regelmäßig für meine deutsche Sprache gelobt. Schon ein bisschen schräg.»

Wir wollen vorkommen!

Über die Musik ist Vanessa Spanbauer zum Journalismus gekommen. «Ich wollte irgendetwas in der Musikbranche machen, habe Reviews geschrieben, ein Praktikum beim Radio gemacht und schließlich gemerkt, dass Journalismus viel mehr sein kann als nur über Musik zu schreiben.» Die «Biber»-Akademie hat die Möglichkeit geboten, sich den Journalismus genauer anzuschauen. Spanbauer arbeitete an einem Text, der zur «Biber»-Coverstory wurde. Unter dem Titel «Danke, David. Der Alaba-Effekt» schrieb Spanbauer: «Mein Leben als ‹Bounty› – innen weiß und außen schwarz – war bisher eher zach, doch jetzt scheint sich etwas zu ändern. Star-Kicker David Alaba und Co. sind plötzlich voll angesagt. Werde auch ich jetzt cool?»

Role-Models sind hilfreich. Sie ebnen den Weg für die Normalos. Aber als Normalo, sagt Spanbauer, spielt man in den österreichischen Medien nach wie vor keine Rolle. «Wenn wer straffällig wird, kommen Schwarze Menschen in den Medien vor, oder wenn dezidiert nach ‹Viefalt› gesucht wird.» Woran das liegt? «Ich glaube, viele machen sich überhaupt keine Gedanken darüber, und weil es sehr wenige Schwarze Journalisten gibt, kommt halt niemand auf die Idee, das Schwarzsein auch normal ist in Österreich.» Sie selber macht es als Journalistin anders: «Ich erlebe selbst, dass man aufgrund der Hautfarbe negativ wahrgenommen wird. Da frage ich mich, wie kann ich das ändern? Was kann dazu beitragen, wenn ich nicht so gut Fußball spiele und kein Model, sondern Journalistin bin?»

Dann wurde «fresh» gegründet. Der umtriebige Medienmacher Simon Inou startete mit einer Umfrage unter jungen Schwarzen Österreicher_innen: Was liest du eigentlich? «Und es hat sich herausgestellt, die lesen wenig österreichische Medien, weil sie da nicht repräsentiert werden. Sie greifen eher nach amerikanischen Magazinen.» Flugs wurden Expert_innen an einen Tisch geholt und das Brainstorming begann. «Was fehlt? Was wollen wir selber lesen? Denn viele von uns haben der Zielgruppe entsprochen.»

Seit eineinhalb Jahren gibt es nun das Black Austrian Lifestyle-Magazin «fresh». Drei bis viermal Jährlich erscheint ein Heft unter der Ägide von Clara Akinyosoye und Vanessa Spanbauer, in dem Modetipps, Stadtgeschehen und Schwarze Geschichte ihren Platz finden. «Schon nach der ersten Ausgabe haben mich Menschen auf der Straße angesprochen und gesagt: He, du bist doch die vom ‹fresh›! Endlich kommen wir auch mal vor!»

Vanessa Spanbauer ist in Wien aufgewachsen, in einem «Arbeiterhaushalt», wie sie sagt, in dem unklar war, was man mit ihren Talenten und Interessen anfangen könnte: «Ich habe unendlich oft Eignungstests gemacht, um herauszufinden, was eine passende Berufswahl sein könnte. Und jedes Mal ist ‹kreativ-geisteswissenschaftlich› rausgekommen. Kein Mensch wusste, was das heißen soll, welche Berufszweige das sind und was man damit machen kann. Es hieß immer: Du wirst nie einen Job finden, damit verdient man kein Geld, was soll das überhaupt sein.»

Die Wahl fiel letztlich aufs Geschichtestudium. «Nationalsozialismus im Film» oder «Heiratspolitik der Habsburger», das waren die Art Kurse, die sie schon in der Schule gern besucht hat; Spanbauer lacht über die etwas krude Mischung. Damals war der Grundstein eigentlich schon gelegt. Heute arbeitet sie bei Projekten wie der aktuellen Ausstellung «SchwarzÖsterreich» über österreichische Kinder Schwarzer Soldaten mit. Dass es Weiße Historiker sind, die dieses Forschungsprojekt betreiben, kommentiert sie so: «Es wäre super, wenn es mehr Schwarze Historiker in Österreich gäbe und die dann so eine Forschungsarbeit machen. Aber was gibt es Schöneres, als wenn Menschen, die davon gar nicht betroffen sind, was darüber wissen wollen?»

Rassismus, gibt es das überhaupt noch?

Die Arbeit bei «fresh» habe was in ihr aufgebrochen, sagt Spanbauer. «Ich bin bei meiner Weißen Familie aufgewachsen, mit dem Schwarzen Teil hatte ich wenig Kontakt. Dadurch habe ich zu vielen Themen nie einen Zugang gefunden. Durch ‹fresh› komme ich jetzt mit einer Menge Leute in Kontakt, die sich die gleichen Fragen stellen wie ich. Es ist immer wieder eine Erkenntnis, nicht die einzige mit diesen Erfahrungen zu sein.» So geht es ihr auch, wenn sie die Zeitzeug_innen der Ausstellung «SchwarzÖsterreich» trifft. «Man hat diese Menschen noch nie gesehen und weiß doch irgendwie so viel voneinander. Es gibt eine Menge Parallelen im Erleben; eine Verbundenheit, von der ich keine Ahnung hatte.»

Apropos keine Ahnung: Das Ende der Aufklärungsarbeit ist zwischenzeitlich noch nicht in Sicht. Eine Zeitlang hatte Vanessa Spanbauer den Eindruck gehabt, sie könne sich in der Stadt leichter bewegen, ohne mit rassistischen Vorurteilen konfrontiert zu sein, ohne beleidigt, angespuckt, nach ihrer «wirklichen» Herkunft gefragt und nicht ernst genommen zu werden. Alaba-Effekt eben. «Aber seit letztem Jahr merkt man, dass das Ansehen wieder sinkt. Die Leute packen mehr Vorurteile aus, schauen dumm, schimpfen. Man hat das Gefühl, Rassismus ist wieder legitimer. Es geht in einer Richtung, die mir irgendwie auch Sorgen macht.» Nicht nur dagegen muss sie weiterhin aktiv sein, sondern muss auch immer wieder Starthilfe geben, wenn jemand gar nichts über Rassismus weiß. «Ich treffe viele Menschen, die glauben, Rassismus existiert nicht mehr.» Wer das zum Beispiel sei? «Vor Kurzem hat jemand vom ORF in einer Diskussion gesagt, wir sind alle so tolerant, folglich gibt es keinen Rassismus mehr», erzählt Spanbauer. «Da frage ich jetzt: Wenn man ein Weißer Mann um die vierzig ist, der jeden Tag mit dem Firmenauto in die Arbeit fährt, woher soll man das überhaupt wissen?»

Am 28. Juni, 19 Uhr, moderiert Vanessa Spanbauer ein Zeitzeug_innengespräch im Rahmen der Ausstellung «SchwarzÖsterreich. Die Kinder afroamerikanischer Besatzungssoldaten»

www.volkskundemuseum.at

Info:

http://freshzine.at

«fresh» liegt zur freien Entnahme unter anderem in der Bücherei am Urban-Loritz-Platz oder im Café des AAI (Türkenstr. 3) auf.

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