Mit politischem Getöse sowie etwas Schaum vor dem Mund wird derzeit allenthalben die Integrationskeule gegen die hierzulande lebenden Ausländer geschwungen. Aus allen Partei- und Fernsehprogrammen und lustvoll sekundiert von den Stammtischen dröhnt die scheinbar unmissverständliche Aufforderung, dieser Personenkreis möge sich gefälligst besser integrieren und anpassen. Worin diese Anpassungsleistung denn nun konkret bestehen soll, wird aber so gut wie nie dazugesagt, höchstens mal auf die Wichtigkeit von Deutschkenntnissen hingewiesen.Gefordert ist also eine Integration in die Sprache, wobei damit aber noch lange nicht klar ist, welches Deutsch hier ansässige Ausländer und künftige Zuwanderer überhaupt beherrschen sollen. Die Sprache, die auf der Straße gesprochen wird («Baam Oida hast es gsehn»)? Oder das Deutsch, das in Volkshochschulen mehr schlecht als recht gelehrt wird, zumeist von Sozialarbeiterinnen, die den Dativ auch nicht retten werden und den Genitiv mehrheitlich für den Namen einer Rheumasalbe halten? Reicht es aus, wenn Menschen mit Migrationshintergrund die sprachliche Performance etwa der früheren Innenminister Löschnak und Schlögl erreichen oder sollen sie doch richtig Deutsch können? Wie hätten wirs denn gerne? Vor kurzem wurde einem mit mir befreundeten Linguisten, einem Moskauer Universitätsprofessor, das Einreisevisum nach Österreich verweigert, wohin er für ein halbes Jahr zur Mitarbeit an diversen Projekten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften eingeladen worden war. Der Beamte in der Botschaft in Moskau verlangte von dem Visawerber neben den üblichen Papierln auch noch den Nachweis eines absolvierten Deutschkurses. Es genügte nicht, dass der Sprachwissenschaftler in Leipzig bei dem bekannten Germanisten Wolfgang Fleischer studiert hatte, es genügte nicht, dass er ein mehr als perfektes und klares, ja geradezu elegantes Deutsch spricht und dass er vor kurzem als Herausgeber und Hauptbearbeiter den dritten und letzten Band des größten Deutsch-Russisch-Wörterbuches, das jemals erschienen ist, in Moskau publiziert hatte. Nein, all das genügte nicht, ein Kaaszettel musste her, das ultimative Symbol der österreichischen Verwaltungswirklichkeit! Sollen sich Ausländer nun an diese unsere großteils kafkaeske und anachronistische Fremdenverwaltung anpassen, welche die formalen Erfordernisse der altvertrauten Kaaszettelwirtschaft offensichtlich höher stellt als die augen- und ohrenscheinlichen Tatsachen, oder nicht doch auf diese Form von Integration ins Kakanische pfeifen?
Selbst mir als gelerntem Österreicher, dessen Familie glaublich schon seit dem 11. oder 12. Jahrhundert hier lebt, ist eigentlich nicht recht klar, welche konkreten Anpassungsleistungen die bei uns lebenden Ausländer erbringen müssen. Worin exakt besteht denn die österreichischen Lebensart, der sie sich anzupassen haben? Müssen potentielle Zuwanderer künftig zünftig die Streif herunterwedeln, obwohl der Mehrheit meiner Landsleute ein Skiurlaub schon längst viel zu teuer ist, und bärige Fell-Moonboots wie Hansi Hintersseer tragen, oder reicht es, wenn sie nach der Fernsehbedienung greifen und in das nächste Hahnenkamm-Rennen zappen? Müssen Ausländer in Zukunft mindestens ein Mozartsches Klavierkonzert klimpern können, obwohl die Mehrheit der Österreicher damit natürlich hoffnungslos überfordert wäre und Amadeus zu seiner Zeit aus der Sicht des damaligen österreichischen Staates ebenfalls ein Ausländer war? Laut einer aktuellen, bundesweit durchgeführten Umfrage ist die Lieblingsspeise von Herrn und Frau Österreicher das Wiener Schnitzel, das heute praktisch immer aus Schweinefleisch gemacht wird, knapp gefolgt von Cordon bleu und Backhendl. Müssen hierzulande lebende Ausländer nun ihren Speiseplan komplett ummodeln oder dürfen sie mit Sascha Walleczek und Konsorten getrost der Meinung sein, dass das Lieblingspanierte der Österreicher eher ungesund ist? Auch angesichts des durchschnittlichen Jahresbierverbrauches (110 Liter) und des Jahresweinverbauches (30 Liter) von Herrn und Frau Österreicher sowie angesichts von aus dem prallen Leben gegriffenen Reality-Fernsehserien wie «Die Lugners», «Das Geschäft mit der Liebe» usw. und von bis zu 30.000 Suizidversuchen pro Jahr gefragt: Wünschen wir uns wirklich, dass sich uns wer anpasst?