Was dagegen ist unsereins?Artistin

Postjugoslawische Synthese: Jelena Popran und Rina Kaçinari

JelenaRina.jpgGitarre spielen und dabei singen, das ist banal. Tausendmal gesehen und gehört. Jedoch streichen oder singen beides zusammen geht kaum, meint der Laie. Tatsächlich sieht man selten eine Geigerin, die streichend singt. Jelena Popran macht das mühelos. Sie bratscht und wechselt parallel, wenn es sich ergibt, von der Opern- zur Pop-Stimme. Rina Kaçinari hätte ihre Partnerin nie kennen gelernt, wenn es damals in Prishtina einen Cello-Lehrer für sie gegeben hätte.

Wenn man sich bei Gelegenheit als weißer, katholisch geprägter Aborigino wahrnimmt, von einem österreichischen Dorf nach (im männlichen Fall) Absolvierung der obligatorischen Ministrantenzeit in die Hauptstadt Wien gezogen, im k. u. k. Dalmatien oder fernstenfalls unter österreichischen Urlaubern in Kreta urlaubend, ostösterreichische Einheitsmundart sprechend und ohne zu einem einzigen serbokroatischen Satz fähig zu sein, in einer kleinen Welt, in der diese Sprache die zweitverbreitetste ist, wenn man also so ganz und gar nichts Mestizisches, Hybrides, Synkretistisches, Globales, Kosmopolitisches, Transkulturelles, Interspezifisches an sich findet, kommt man sich unterkomplex und ziemlich einfach gestrickt vor, wenn man mit IdentitätsnomadInnen wie Jelena Popran und Rina Kaçinari kommuniziert.

Als sesshafter Diaspora-Muffel, noch dazu mit einer -er-Endung im Familiennamen, fühlt man sich plötzlich unbeweglich wie die tausendjährigen Eichen der Heimat, an denen die Millionen Beweglichen ihr Wasser gelassen haben. Erstaunt bis zerknirscht merkt man, dass den nirgends fix Zugehörigen ein weiter Erfahrungshorizont eigen ist. Wer außer diesem Bonus des Grenzgängertums auch noch die universale Sprache der Musik beherrscht, wie das Jelena Popran und Rina Kaçinari tun, und noch dazu zwischen Klassik, traditionellem Volkslied und zeitgenössischen weltmusikalischen Crossovers mäandrieren kann, sogar Tango spielt (Kaçinari), den können auch marktrelevante Schubladisierungsversuche Stichwort Balkan, Stichwort Weltmusik wenig einengen.

Man kann sich nur freuen, dass Wien voll von solchen Globalistas ist weil hundert Prozent unsereins sind wirklich nicht weltstadtgenerierend. Man kann aber auch darüber trauern, dass Streicherinnen wie Jelena Popran und Rina Kaçinari ihre Karrieren, die Graz bzw. Wien ermöglichen, unmöglich dort realisieren könnten, woher sie stammen.

Jelena Popran, die Bratschistin, ist Serbin und kommt aus Zrenjanin (Vojvodina). Immerhin hat sie eben eine gemeinsame Auslandstournee organisiert, die das Duo in Jelenas Heimatstadt und in die Vojvodina-Metropole Novi Sad brachte. In der traditionell multikulturellen Vojvodina spielte die Herkunft der musikalischen Partnerin keine Rolle. Rina Kaçinari, die Cellistin, ist nämlich eine Albanerin und wuchs in der Kosovo-Hauptstadt Pristhina auf. Ob dieselbe Tournee auch im Kosovo vorstellbar sei? Rina ringt um eine Antwort: Vielleicht wären Auftritte in intellektuellen Nischen realisierbar. Ein Konzert in größerem Rahmen, eine Kooperation einer Albanerin mit einer Serbin in einer Stadt, in der die Serben nur mehr abgeschottet und bewacht in einem Getto leben können, wäre nur dann vorstelbar, wenn die kosovarische Regierung darauf aus wäre, der westlichen Öfentlichkeit eine Liberalität vorzugaukeln. Wie wären dann also ein Alibi-Projekt.

Die beiden Streicherinnen, die sich in Graz kennen gelernt hatten, teilen neben ihrer postjugoslawischen Herkunft und der Ausbildung in Klassik auch ihr Interesse an allen Grenzregionen der jeweiligen Genres, wie Projekte von Rina Kaçinari mit der slowenischen Band Terrafolk, dem Jazzpianisten Wolfgang Seligo, der Sängerin Nataa Mirkovi De Ro und den Tangoensembles Tanguango und Mala Junta bezeugen. Gleichfalls ist Jelena Popran neben ihren Engagements im Klassikbereich des Öfteren mit witzigen Gesangs- und Stringeinlagen bei Projekten des Vienna Art Orchestras aufgefallen.

Gemeinsam bilden sie das Duo Catch-Pop String-Strong & The First Ethnic Circus Orchestra, bei dem sie durch eigenwilligen Gebrauch von Stimme und acht Saiten Béla Bartók, Brecht-Songs, schottische Galgenlieder, slawischen Pop, Punk, Cabaret, Schlager und serbischen, albanischen und bulgarischen Folk zu einem dynamischen Konzept verschmelzen. Dass Rina Kaçinari und Jelena Popran angeblich verfeindeten Völkern angehören, mag ihnen Engagements bei NGO-Feiern, Multi-Kulti-Festen und Balkankonferenzen einbringen, ihnen selbst ist dies wie der gesamte Nationalismus-Wahnsinn selbst jedoch herzlich egal. Und wie sie sich in den Selbstmoderationen ihrer Programme mit dieser ihrer Wurschtigkeit spielen, macht mit das Flair des Duos aus.

Info:

Am Freitag, 1. Mai, sind die beiden im Rahmen des Balkan-Fever-Festivals 2009 im Porgy & Bess zu hören1. Mai 2009 – 20 Uhr

Bosna Vista Social Club

Ein Fest des bosnischen Liebeslieds

Der unumstrittene Höhepunkt des heurigen Festivals Balkan Fever ist der gemeinsame Auftritt von vier der letzten lebenden GroßmeisterInnen der großen bosnischen Sevdalinka-Tradition: Emina Zeaj, Sejo Piti, Nedad Salkovi und Zehra Deovi, KünstlerInnen, von denen viele gar nicht mehr wussten, dass sie überhaupt noch auftreten. Sevdalinke (Einzahl: Sevdalinka oder kurz: Sevdah) sind meist Liebeslieder, in deren kunstvoller Melismatik stärker das osmanische Erbe weiterlebt als in anderen Liedtraditionen des Balkans.

Mi., 6. Mai 2009

20 Uhr

Konzert + bosnisches Büffet (Restaurant Sarajevo)

PODIUM IM THEATER AKZENT

Theresianumgasse 18

1040 Wien

Tel.: (01) 501 65/33 06

http://www.akzent.at

Eintritt: 20,

Weitere Balkan-Fever-Tipps:

Sa., 25. April: Karandila junior + Erhan Mamudoski Band im Ost Klub

Fr., 1. Mai: Jelena Popran & Rina Kaçinari (siehe Artikel) im Porgy & Bess

Do., 7. Mai: Lajko Felix Duo in der Sargfabrik

Sa., 9. Mai: Toni Kitanovski & Cherkezi im Ost Klub


www.balkanfever.at