Immo Aktuell
In Mariahilf ist man sich einig: Der Naschmarktparkplatz soll weg. Darüber, was ihn ersetzen soll, scheiden sich die Geister – auch, weil nun die Stadtregierung mitmischt.
Text: Johannes Greß
Illustration: Much
August 2020, das Thermometer bewegt sich regelmäßig jenseits der 30-Grad-Marke, die Urlaubsdestinationen der Wiener_innen sind pandemiebedingt beschränkt, die Grünflächen in den Bezirken rund um den Naschmarktparkplatz traditionell überschaubar – und es ist Wien-Wahlkampf. Die Mariahilfer Grünen wollen die «Betonwüste» daher zur «Grünoase» umgestalten. Der Naschmarktparkplatz soll zum Naschmarktpark werden, mit Bäumen, Sitzgelegenheiten, offenem Wasser und einem Radspielplatz (s. Augustin 517).
Wenige Wochen vor der Wahl am 11. Oktober offenbart auch die SPÖ ihre Vision vom Parkplatz am Naschmarkt. Gemeinsam mit dem Mariahilfer Bezirksvorsteher Markus Rumelhart präsentiert SPÖ-Stadträtin Ulli Sima ihren Entwurf einer seitlich offenen Markthalle. Im folgenden SPÖ-Neos-Regierungsprogramm heißt es, die Umsetzung einer Markthalle «nach internationalen Vorbildern» werde «angestrebt».
Vor den grünen Kopf gestoßen.
Einem Antrag der Mariahilfer Grünen, wonach die Gestaltung des Parkplatzes «ergebnisoffen» und ohne «Vorgaben der Stadt Wien oder des Bezirks Mariahilf» diskutiert werden soll, hatte Bezirksvorsteher Rumelhart noch im März 2021 zugestimmt. Später rechtfertigte er das Abstimmungsverhalten gegenüber der Tageszeitung Kurier damit, dass er sich nicht gegen etwas stellen wollen habe, was ohnehin geplant sei. Dem Vernehmen nach passte Rumelhart seine Position einfach nachträglich an Sima an.
Bei der Präsentation des Konzepts durch Sima und Rumelhart Mitte dieses Jahres hieß es, man denke an einen Markt mit regionalen österreichischen Produkten und modernen gastronomischen Angeboten. Eine Überdachung soll Schatten spenden, die sich darauf befindende Photovoltaikanlage Strom produzieren und Sprühnebel für Kühlung sorgen. Die Umsetzung soll mit «breiter Partizipation der umliegenden Grätzl und einem Gestaltungswettbewerb» realisiert werden. Allerdings keineswegs «ergebnisoffen», denn dass es eine Markthalle wird, gilt als fix.
Aufseiten der Mariahilfer Grünen fühlt man sich vor den Kopf gestoßen – und geht Mitte März mit Unterstützung der Bezirke Wieden und Margareten selbst in die Offensive. Die Grünen aus den drei Bezirken rund um den Parkplatz schicken 8.000 Fragebögen an die Bewohner_innen aus. 600 der Befragten antworten. Demnach lehnen rund 80 Prozent eine Markthalle ab. Laut dem stellvertretenden Bezirksvorsteher Mariahilf, Michi Reichelt (Grüne), «keine Überraschung – die Anrainerinnen und Anrainer wollen Aufenthalts- und Erholungsflächen, mehr Grün und keinen Konsumzwang».
Beteiligungsprozess à la SPÖ.
Im Büro der Planungsstadträtin Ulli Sima zeigt man sich davon unbeeindruckt. Nur 600 der 8.000 Befragten haben den Bogen ausgefüllt: «Wenig aussagekräftig», lässt Sprecherin Anita Voraberger wissen. Mitte April startet Sima einen eigenen Beteiligungsprozess, in den man sich bis Juni noch online einbringen kann. Befragt werden alle Wiener_innen, Ergebnisse soll es im Juli geben. Auch Bezirksvorsteher Rumelhart hält das Ergebnis der Grünen Befragung für wenig repräsentativ und ortet den Versuch, hier «politisches Kleingeld wechseln» zu wollen. Zwar sieht Rumelhart am Naschmarktparkplatz «konkreten Handlungsbedarf», es brauche definitiv mehr Grün statt Beton im Bezirk, eine Asphaltfläche zum Park umzugestalten, hält er aber für unrealistisch. Die Idee einer begrünten, schattenspendenden Überdachung sei naheliegender und erfolgsversprechender.
Am längeren Hebel.
Beim Gedanken an eine Markthalle am Naschmarktparkplatz spricht der stellvertretende Bezirksvorsteher Reichelt von einem «Horrorszenario». Eine Halle mache ökologisch wenig Sinn und sei in unmittelbarer Nähe zu den Otto-Wagner-Bauten der U4-Station Kettenbrückengasse architektonisch gar ein Albtraum. Von der initiierten Bürgerbeteiligung der Stadt Wien hält er wenig: «Was soll das für eine Beteiligung sein, wenn bereits feststeht, dass eine Markthalle kommen soll?»
Antwort aus dem Büro Sima: «Wir wissen aus vielen Gesprächen, was die Bürgerinnen und Bürger wollen.» Offenbar wissen sowohl Grüne als auch die SPÖ, was die Bürger_innen «wollen» – mit unterschiedlichem Ergebnis. Was am Ende dabei rauskommt, steht auf einem anderen Blatt. Die Stadt sitzt am längeren Hebel, denn ohne deren Zustimmung geht nichts.