Was getan werden musstun & lassen

Sachbuch: Kapitänin Carola Rackete

Für die einen ist sie eine strahlende Heldin, die anderen sehen in ihr eine Handlangerin verbrecherischer Schlepperbanden, wenn nicht gar eine Agentin des «großen Austauschs». Carola Rackete selbst, so schreibt sie in ihrem Buch, kommt es komisch vor, «wenn mein Leben von einigen darauf reduziert wird, dass ich genau 21 Tage lang die Sea-Watch 3 in der Funktion als Kapitän gefahren bin».
Schlagartig bekannt wurde die deutsche Extinction-Rebellion-Aktivistin im Juni dieses Jahres, als sie sich entschloss, mit ihrem Schiff – und vierzig Flüchtlingen an Bord – eigenmächtig im Hafen von Lampedusa anzulanden, nachdem sie wochenlang vergeblich auf eine Genehmigung gewartet hatte. Den Moment der Entscheidung beschreibt sie so: «Ich tue, was getan werden muss, weil andere nichts tun wollen. Ich höre auf zu hoffen. Es ist Zeit zu handeln.» Die Aktion führte zur Verhaftung der Kapitänin, sie wurde vor Gericht gestellt – und freigesprochen; womit sie endgültig zum Hassobjekt der Salvinis aller Länder avancierte. Über die Dimension ihrer Rettungsaktionen macht sie sich keine Illusionen: Ein paar Menschen hat sie vor dem Tod im Mittelmeer bewahrt – mehr als 18.000 andere sind seit 2014 dort ertrunken.
Das Buch erschöpft sich aber nicht in der Schilderung jener dramatischen Ereignisse, die Rackete zur öffentlichen Figur gemacht haben. Es reflektiert auch ihren Werdegang und ihr Weltbild, in dem Migration und Ökologie zusammengedacht werden: «Wenn die Klimakrise sich verschärft, müssen sich ungleich mehr Menschen einen neuen Wohnort suchen. Und dann ist das, was ich im Mittelmeer gesehen habe, nur ein Vorgeschmack auf das, was in Zukunft Millionen droht. Wir sind die vielleicht letzte Generation, die das noch verhindern kann.»

Wolfgang Beyer

Carola Rackete: Handeln statt Hoffen.
Aufruf an die letzte Generation
Droemer-Verlag 2019, 169 Seiten, 16,50 Euro