Was hat Pimmel von der Psychiatrie?Dichter Innenteil

Der Bettler Paolo Pimmel sitzt nach den ersten fünf Strafjahren Schwarz-Blau auf der Mariahilfer Straße mit seinem Hund Sally im Schaufenster der Bawag, streckt zur Tarnung seinen Hut vor und zieht Bilanz: das Sparpaket schnürt und würgt am Hals, die vorüberhastenden Passanten, die immer schon dumm waren, werden dümmer, und solche, die früher noch Anteil genommen haben, gleichgültiger.

Pimmel ist ihnen kaum böse, es sagen ja auch viele Regierungen auf der ganzen Welt, dass die Menschen zu alt, zu krank oder zu arbeitslos werden und der Sozialstaat von gestern ist. Pimmel denkt ans Auswandern mit Hund und Hut und Hab und Gut (hat alles auf seinem Fahrradanhänger Platz) in den Süden, wo es im Winter wenigstens wärmer ist. Eine Frau findet sich überall genauso gut wie hier manchmal, wo sich die armen Menschen aus dem Osten epidemisch vermehren. Die Globalisierung kürzt Soziales und Rente oder Bundesbetreuung und drängt immer mehr Arme und solche, die es werden sollen, vom Teller. Alles schon mal da gewesen, denkt sich Pimmel, und: „Ohne mich.“

Mit diesem Bild begann vor zweieinhalb Jahren die Geschichte „Pimmel sitzt seine Strafe ab“ hier im Augustin. Ein paar Vollstrecker unter den Passanten: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht bumsen….“

Es ist jetzt noch genau eine Woche bis zur nächsten Wahl. Geändert hat sich nichts und wird sich wohl auch nichts. Wir haben noch immer einen Bundeskanzler, dessen erste Amtshandlung ein Wortbruch war. Menschen sollen bis 65 arbeiten und finden schon mit 50 keine Stelle mehr. Es dominiert das Prinzip Keine Gegenleistung der Starken für die immer größere Leistung der Schwachen. Der Staat wird geführt wie eine Aktiengesellschaft und es wird völlig vergessen, dass ein Hauptzweck für die Staatsgründung die öffentliche Daseinsvorsorge war.

Häm alias Pimmel ekelt das alles noch mehr an als vor zwei Jahren. In Pimmel sitzt seine Strafe ab hat Häm eine eher romantische Exposition für seine Drehbuchidee gezeichnet. Er hat ein paar Figuren der Halbwelt in die Landschaft der Straße gepflanzt und vorgestellt. Jetzt hatte Häm auch ein Thema für seine Geschichte gefunden: Keiner ist verrückt, weil alle verrückt sind. Häm hatte sich geirrt: Die Strafe kam erst.

Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie leben mit ihrer Frau auf 24 Quadratmetern. Sie will zu ihm auf die Matratze, er wird im engen Wohnschlafraum durch ihren Lärm wach und explodiert im Alptraum, will nur seine Ruhe, will von nichts etwas wissen. Sie kämpfen und der Hund springt verzweifelt an ihnen hoch und bellt. Er hat vom Sozialarbeiter am Steinhof den Rat bekommen, sie hinauszuwerfen, was er nicht kann. Bevor sie auf der Straße steht, ist er lieber in der Anstalt.

Dann wirft ihn die Anstalt als ausexperimentiert hinaus. Eine seiner Exfrau zustehende kleine Gemeindewohnung hat der zuständige Sozialarbeiter nicht besorgt.

Sie verkriecht sich auf der Couch, er dämmert auf der Matratze in leichtem Schlaf zwanghaft still. Im Morgengrauen hört er Stimmen und sieht Schatten, denkt an den Gerichtsvollzieher und steht erst auf, als die Tür ins Schloss fällt. Sie ist weg. Er will Zigaretten holen, kann aber die Wohnung nicht verlassen, das Schloss ist mit Superkleber verklebt.

Er durchwühlt die Wohnung nach Zigaretten und findet ein altes Handy. Akku leer. Er steigt halb aus dem Fenster und sieht auf der Straße seinen verfeindeten Nachbarn Taubenschwanz. Er klettert zurück in die Wohnung und stolpert über das Ladegerät. Er verwählt sich und erreicht sie dann. Sie schickt ein Taxi.

Es klopft an der Tür. Ein Schlüssel dreht sich im Schloss und Sanitäter betreten die Wohnung, gefolgt von Polizisten. Er weiß nicht, was los ist, hat Angst, ist aufgeregt wegen ihr und will in Ruhe gelassen werden. Ein WEGA-Beamte wirft ihn zu Boden und fesselt ihn mit Handschellen. Er wehrt sich verzweifelt und wird in ein Rettungsfahrzeug geschleppt. Blaulicht.

Er liegt auf dem Bett in der Nervenheilanstalt, an Händen und Füßen ans Bett gefesselt. Ärzte und Pfleger stehen um ihn versammelt und hängen ihm Infusionen an. Dr. S. tritt näher. Er habe Selbstmord verüben wollen und solle einen Polizisten gebissen haben. Nun habe er Zeit zum Nachdenken. Frau Dr. G.: Er solle endlich ruhig sein, sonst bekomme er eine Spritze in den Po. Blaues Licht und Pimmel allein hinter Gittern, nackt wie ein Affe mit einer Flasche zum Wassertrinken und einer zum Pinkeln. Jeder Sträfling wird in Europa besser behandelt. Das Unterbringungsgesetz ist eine Bandenbildung zur Freiheitsberaubung. Ein abgesprochenes Komplott zwischen Ärzten, die kaum wissen, was sie tun. Außer Schaftabletten hat die Psychiatrie nichts zu bieten, lebt aber mit der Lüge, armen Menschen helfen zu können. So was tun nur Leute ohne Selbstvertrauen. Sie versprechen etwas mit dem Wissen, es nicht halten zu können. Sie lassen diese Menschen nicht mehr los und erfüllen damit ausschließlich einen Job für diese Gesellschaft: Sie schrecken ab. Das Strafrecht hat modernere Ansätze. Die armen Menschen landen auf der Straße, wenn sie keinen Versuchswert mehr haben. Das Unterbringungsgesetz gehört geändert.

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