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Respekt verdient sich jedes Kind, einfach so. Weil es Kind ist, weil es Mensch ist. Weil es Wertschätzung zum Wachsen braucht wie eine Blume Wasser und Licht.
Jetzt führen sie wieder Ziffernnoten in den ersten Volksschuljahren ein. Es gibt Schlimmeres, aber trotzdem: Kinder können in diesem Alter noch schwer zwischen sich selbst als Person und der Note unterscheiden, was dazu führen kann, dass die oder der Kleine sich selbst als «nicht genügend» sieht, nicht ihre oder seine Rechenleistung. Schüler_innen werden dadurch schnell auf das Ziel konditioniert, einzig für die Note zu arbeiten. Was sie dann als Erstes verlieren, ist die Freude und, noch problematischer fürs Lernen, die Neugier. Ziffernnoten sind außerdem stark vom jeweiligen sozialen Statusunterschied von Lehrer und Schüler abhängig.
Jetzt führen sie wieder das Sitzenbleiben ein. Es gibt Schlimmeres, aber trotzdem: Die Bildungsforschung zeigt, dass das Sitzenbleiben keine gute Maßnahme zur Erhöhung von Lernerfolg sozial benachteiligter Schüler_innen ist. Dass das Sitzenbleiben oft zu einer Verschlechterung des Leistungsniveaus führt, kommt daher, dass die Wiederholung einer Klasse als ein massiver Misserfolg erlebt wird. Dieser Misserfolg wird durch die Wiederholung nicht kompensiert. Analysen der Forscher Klaus-Jürgen Tillmann und Ulrich Meier zeigten, dass die Leistungen der Sitzenbleiber_innen schwächer sind als die der normal versetzten Schüler_innen. Das Sitzenbleiben ist nicht für jede soziale Gruppe gleichbedeutend. Es betrifft viel stärker Buben als Mädchen, und es wirft vor allem Kinder aus Haushalten mit geringerem sozialem Status aus der Bahn. Durchfallen kommt übrigens nicht nur bestimmten Kindern teuer, sondern auch uns allen. Es ist eine Maßnahme, die im Schulbudget immens kostet.
Jetzt kürzen sie die Mindestsicherung bei Kindern. Das ist schon sehr schlimm. Kinder werden in unsichere Existenzverhältnisse getrieben, was höhere Risiken in der Schule für sie bringen wird. Aus der Bildungsforschung wissen wir, welche Barrieren das aufbaut und welche Chancen das nimmt.
Es macht sich da eine Ideologie breit, die findet, dass man sich Respekt erst verdienen muss. Dass Kinder sich Respekt erarbeiten sollen. Dass das, was sie wie die Luft zum Atmen brauchen, eine Belohnung darstellt. Für Kinder stellt man sich das Aufwachsen offensichtlich als ein großes sozialdarwinistisches Bewährungscamp vor. Nur die Harten kommen durch.
Doch Kinder sollen gut und angstfrei lernen und Leistungen erbringen können – und neugierig bleiben auf die Welt. Nobelpreisträger James Heckmann weist darauf hin, dass Kinder gut wachsen können, wenn sie ein waches Interesse an der Welt entwickeln. Das, was den Unterschied macht, ist die Neugier und die Weltzugewandtheit: Welt und Leben nicht als Überforderung, sondern als Herausforderung erfahren zu können. Respekt ist kein Verdienst, Respekt ist die Voraussetzung.
Wenn man eine Gruppe verletzlich macht mit dem Blick der Aussonderung, dann bleibt das nicht ohne Wirkung. Wer damit rechnet, als unterlegen zu gelten, bringt schlechtere Leistungen. «Stereotype threat» wird dieser Effekt genannt, Bedrohung durch Beschämung. Umgedreht heißt das, dass die besten Entwicklungsvoraussetzungen in einem anerkennenden Umfeld zu finden sind, dort wo wir an unseren Erfolg glauben dürfen. Wo ich meinem Können traue, dort gibt es auch welche, die mir etwas zutrauen. Zukunft gibt es, wo wir an unsere Fähigkeiten glauben dürfen. Weil andere an uns glauben.