Was mein Kind behinderttun & lassen

Illustration: Thomas Kriebaum

Eing'Schenkt (5. Juni 2024)

Isabella ist ein süßes Baby und der ganze Stolz ihrer Eltern Romana und Markus. Das Mädchen entwickelt sich gut, bis plötzlich manches an ihrem Wachstum stoppt. Die fehlende Lautsprache und auch der Umstand, dass Isabella ihre Hände nicht sinnvoll einsetzen kann, beunruhigt die Eltern. 18 Monate später verändert sich die Welt für die Familie dann von Grund auf. Die Diagnose: ein Schreckgespenst in vier Buchstaben – das Rett-Syndrom.
Für Romana ist es von Anfang an klar, dass sie ihrer Tochter gute Kommunikation ermöglichen will, auch wenn Isabella nie selbst reden wird können. Das Mädchen lernt mit Hilfe von Tastern zu agieren, indem sie zum Beispiel den Mixer selbst einschalten kann, wenn Mama Romana einen Kuchen backt. Auch das Spielen am Computer macht ihr viel Freude. Heute ist ­Isabella eine Jugendliche und bedient den Computer mit ­einer Kopfsteuerung. Damit kann sie ihre Familie und Freund:innen wissen lassen, was sie bewegt, was ihr eine Freude macht und was sie nicht mag.
«Wir lieben unsere Tochter, so wie sie ist, aber wir haben nicht um ein behindertes Kind gebeten. Wenn wir Hilfsmittel für unsere Tochter beantragen und uns für unsere Tochter einsetzen, gibt man uns immer wieder das Gefühl, als ob wir etwas wollen, was wir gar nicht brauchen», sagt Romana. Und sie fügt hinzu: «Die Beantragung ist wie ein undurchdringlicher Dschungel und man hat viele Fragen zu klären, bevor man am Ziel ist: Welches Formular für welches Hilfsmittel genau? Und bei welcher Stelle reiche ich ein? In welcher Abteilung? Bei welchem Sachbearbeiter? Und ist jetzt überhaupt der richtige Förderzeitpunkt? Man wird aufgefordert, bei mehreren Stellen einzureichen – aber in welcher Reihenfolge?»
Hilfsmittel, die im Hilfsmittelkatalog der Krankenkassen vermerkt sind, werden von den Sozialversicherungsträgern für die Patient:innen oft nur teilweise finanziert. Werden Hilfsmittel nicht von der Sozialversicherung getragen, kann eine Kostenübernahme über die Behindertenhilfe der Länder beantragt werden. Die tatsächlichen Wege, um zu einer Finanzierung zu kommen, sind sehr kompliziert, ­aufgesplittet und bürokratisch. Ein Rechtsanspruch auf Finanzierung fehlt. Die Betroffenen müssen sich zudem am offi­ziellen Hilfsmittelkatalog orientieren, der aus dem ­Jahre 1994 stammt – und damit die aktuelle technologische Entwicklung überhaupt nicht mehr abbildet.
Besonders schwierig wird alles, wenn das Geld fehlt. In den meisten Bundesländern kommt der Sozialhilfe auch die Rolle zu, ein finanzielles Existenzminimum für Menschen mit erheblicher Behinderung, wenn sie in Privathaushalten leben, sicherzustellen. Auf deren besondere Bedürfnisse hat die Sozialhilfe derzeit keine Antwort. Sie ist noch dazu unter der letzten ÖVP/FPÖ-Regierung existenzgefährdend gekürzt worden. Menschen mit Beeinträchtigungen haben höhere Lebenshaltungskosten, erhalten aber im Rahmen der Sozialhilfe in der Regel keine zusätzlichen Hilfestellungen. Oft werden sie dann auf die Sozialfonds der Krankenkassen vertröstet. Personen in prekärer finanzieller Lage können sich auf diese Unterstützungsfonds aber nicht verlassen. Diese Fonds helfen manchmal, manchmal auch nicht, die Vergabe ist intransparent und im Einzelfall nicht nachvollziehbar. Bei Kommunikations-Hilfsmitteln wie einer Augensteuerung, die bis zu 15.000 Euro und mehr kosten kann, ist das alles kein Zustand. Und behindert das gute Aufwachsen von Kindern wie Isabella.

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