Was Verordnungen so alles mit sich bringen könnenDichter Innenteil

Es war einer der üblichen Sonntagvormittage im Eckcafé. Die von der Putzfrau hochgestellten Stühle waren auf den frisch geputzten Boden gestellt, die Tischgestecke waren verteilt, die Kerzenstumpen ausgetauscht, an zwei Stammplätzen pflegte der Kellner sie am Vormittag gleich anzuzünden. Die Kaffeemaschine surrte, er selbst hatte sich einen doppelten großen Braunen in einem eigens für sich reservierten Häferl zubereitet.Da kam auch schon der alte Herr zur Tür herein und bestellte, wie gewohnt, einen Einspänner mit Kipferl. Guten Morgen, bitte sehr der Herr, geht’s wieder in die Kirche, pflegte ihn der Ober zu begrüßen. Solange es noch geht, der Mensch muss unter die Leute und die Weiber brauchen etwas zu tratschen, antwortete der Stammgast. Ja, der Tratsch und der Rest stehen in der Zeitung. Die Dinge, die das Leben eigentlich bewegen, bleiben verborgen. Die schmerzenden Füße, der Rücken und die unruhigen Nächte interessiert halt niemand, plaudert der Ober so vor sich hin um das Gespräch aufrecht zu halten. Diesig ist es heute Morgen, unterbrach der alte Kirchengeher. In der Stadt war es jeden Tag morgendlich diesig. Sogar im Winter, erst wenn der Wind gegen Mittag hochkam, vertrieb er den Dunst aus der Stadt und es war dann wieder angenehm. Die Dame mit ihren beiden Rauhaardackeln kam am Café vorüber. Jeden Tag kam sie vorbei, auch am Sonntag. Die drei waren lustig anzusehen. Sie brauchten den ganzen Bürgersteig. Lang waren die beiden Leinen ausgezogen, der eine Hund frequentierte die eine Seite des Bürgersteigs, der zweite die andere, einer ging voran, der zweite musste hinterhergezogen werden; in der Mitte des Geschehens war die Dame, die sich durch all dies nicht beunruhigen ließ. Sie zählte nicht zu den Stammgästen des Cafés, sehr wohl aber zur Ambiente unserer Geschichte.

Der Hund hat es mit den Drüsen; wenn man alt wird, kommen die Leiden! Ein junger Medizinstudent, der sonntags ins Café kam, um die Zeitungen zu lesen, meldet sich zu Wort. Stammfettsucht, die Schilddrüsen machen nicht mehr mit, ergänzte er, obwohl es keinen zu interessieren schien. Ein typischer allwöchentlicher Sonntag also in unserem Eckcafé.

Da trat ein junger Mann ein. Das Café hatte drei Bereiche. Einen Gastgarten, den Bereich für die Stammtische und eine Nische, wo man kleine Imbisse zu sich nehmen konnte. Nicht, dass streng drauf geachtet wurde, wo und wie zu bedienen war, es war einfach praktisch, in der Nische für Imbisse Platz zu nehmen. Gibt es hier etwas zu essen?, erkundigte sich der junge Gast, der soeben zur Tür hereingekommen war. Kleines Frühstück, großes Frühstück, Toast mit Schinken und Käse oder nur Käse.

Wie kein Toast zum Käse, unterbrach der Gast den Ober. Kleiner Witzbold der Herr, natürlich mit Toast, aber eben kein Schinken. Kommen wir zur Sache, was wollen Sie, essen oder frühstücken?

Bringen Sie mir ein kleines Frühstück mit einem Seiderl Bier, besänftigte der Gast den Ober. Der Ober verschwand in der Küche, bald darauf kam er mit dem Bier und dem kleinen Frühstück zu unserem Gast zurück. Wohl bekommt’s, hoffentlich schmeckt es Ihnen, und schon war der Ober wieder verschwunden. Der alte Mann schlürfte seinen Kaffee fertig, ging zur Spätmesse, andere Gäste kamen neu hinzu. Nichts Außergewöhnliches geschah, wie üblich war das Kaffeehaus um diese Zeit mäßig frequentiert, die Leute sprachen wenig um diese Zeit, dementsprechend war es ruhig. Plötzlich rief der Herr von der Essnische, Herr Ober, können Sie mir ein großes Frühstück und ein großes Bier bringen? Natürlich kann ich, erwiderte dieser, verschwand, und es dauerte nicht lange, bis er mit dem Gewünschten beim Gast war. Schon sehr hungrig heute Morgen?, fügte er hinzu, bekam aber keine richtige Antwort.

Herr Ober, schallte es erneut von der Essnische, einen Apfelkuchen und noch ein großes Bier bitte, wenn es leicht geht. Einen Apfelkuchen und noch ein großes Bier also, der Herr. Ja genau, Sie müssen wissen, ich bin wirklich schon sehr hungrig. Und durstig, unterbrach ihn der Ober. Bitte sehr, ich bringe Ihnen ja schon das Gewünschte, nur dass es Ihnen nicht zu viel wird. Nein, Sie brauchen keine Angst zu haben, ich bin das gewohnt, ich esse immer sehr viel am Morgen. Und trinke dazu, ergänzte der Ober den Satz. Was nun geschah, war alles andere als üblich in unserem Café. Der junge Gast, der sich mittlerweile satt gegessen hatte, zückte eine große Zigarre, beschleckte sie, zündete sie an und blies eine große Wolke aus. Seit einiger Zeit war eine Verordnung herausgekommen, dass im Restaurant nicht geraucht werden durfte. Nun war unser Café kein Restaurant, aber es wurde halt wert auf Gepflogenheit gelegt. Der Ober steuerte auf den Gast zu. Lesen Sie Zeitung?, fragte er ihn. Aber ja doch, erwiderte der junge Mann, nur merke ich mir nicht, was drinnen steht. Es ist ja auch nicht schlimm, es kommt ja doch jeden Tag eine neue heraus, meistens wiederholen sich die Nachrichten sowieso, bis jeder weiß, auch wenn er keine Zeitung lesen würde. Viel schlimmer, die Leute können den erst aufgebrachten Klatsch gar nicht mehr einstellen, schwoll es aus dem Mund unseres Mitbürgers. Sie sind ja ein ganz aufgewecktes Kerlchen, entgegnete ihm der Ober, Rauchen ist in Restaurants verboten; wir sind hier zwar kein Restaurant, legen aber Wert auf Gepflogenheit in der Nische, wo gegessen wird. Es sind andere Gäste auch noch da, die wollen diesen ungesunden Qualm nicht, und schon gar nicht von so einer stinkenden Zigarre, da wird es denen im Gastgarten noch übel. Das ist eine echte kubanische, gerollte Zigarre, die kostet fünf Euro das Stück, wie können Sie behaupten, dass so etwas stinke? Außerdem, wo sehen Sie hier in der Essnische noch andere Gäste, die es stören könnte? Nun wurde es dem Ober aber zu viel. Er hatte keine Lust, sich noch weiter mit diesem Gast herumzustreiten. In der Essnische war es auch vor der Verordnung nicht gerne gesehen, wenn geraucht wurde. Und so sollte es auch bleiben. Nicht ganz sanft nahm der Ober den Gast bei seinem Kragen. Kommen S, murmelte er mit gekünstelter freundlicher Stimme, wir stehen jetzt auf, na kommen S, er zog ihn sanft am Kragen hoch, wir gehen jetzt schön brav da entlang zwischen den Stühlen der anderen Gäste vorbei, nicken schön freundlich zu, dann hin zur Türe, sehen Sie, die steht schon offen, noch immer hielt der Ober den Gast beim Kragen und stupste ihn vor sich her, jetzt begeben wir uns zur Tür hinaus und verschwinden. Zahlen brauchen Sie nicht, Sie waren mein Gast.

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