Raiffeisen, die 33. Folge
Die 33. Folge dieser Serie ist es wert, als kleines Jubiläum gefeiert zu werden. Gleichzeitig erscheint dies als passender Anlass, klarzustellen, weshalb wir die hartnäckige Raiffeisen-Beobachtung aufgenommen haben und was sie bisher gebracht hat.Ausgangspunkt des Serienstarts, der uns vom Augustin vorgeschlagen wurde, war die schiere Größe des Raiffeisenkonzerns. Die Dominanz der Gruppe in der Kanalisierung und Nutzung der «Spargroschen» am Land, die Monopolstellung in der Milchverarbeitung und der Zuckerproduktion, der direkte (durch Beteiligung bzw. Eigentum) und indirekte (durch die Stellung als größter Werbekunde und/oder Kreditgeber des Landes) Einfluss auf die Medien oder die Dreieinigkeit von Raiffeisen, Landwirtschaftskammern und Bauernbund der ÖVP ist so groß, dass einem der Mund offen bleibt. Und da haben wir noch gar nicht von den Beteiligungen etwa in der Bauindustrie (STRABAG) oder in der Glückspielbranche (CASINOS AUSTRIA) gesprochen. Wir dachten, dass die Fakten allein eine gewisse Sprengkraft entwickeln, wenn sie ans Licht der Öffentlichkeit kommen.
Ein weiterer Punkt, der uns veranlasst, die Serie fortzuführen: Je mehr wir die Raiffeisengruppe beobachten, desto deutlicher stellt sich heraus, dass sich dieses marktbeherrschende Firmenkonglomerat hervorragend eignet, darzustellen, wie Kapitalismus funktioniert und was dies in Kombination mit der Verankerung in Kammern und Landtagen, in Regierung und Nationalrat für Konsument_innen und Produzent_innen, die Bäuer_innen, bedeutet. Jede Leserin, jeder Leser kann auf Grund der dargestellten Fakten selbst ihre/seine Schlüsse ziehen.
Die veröffentlichte Meinung in den etablierten Medien hat auf unsere Aktivitäten zunächst gar nicht reagiert, wenn man davon absieht, dass der Online-Dienst der «Neuen Kronen Zeitung» auf die Serie aufmerksam gemacht hat. Anlässlich der Reproduktion der Serie durch Augustin TV und ihrer Ausstrahlung durch Okto TV gab es vergangenen Oktober eine Pressekonferenz. «Die Presse» und «Standard-Online» haben relativ ausführlich über die Serie berichtet, worauf auf derstandard.at ein intensives Posting-Gefecht über Wert und Unwert von Raiffeisen, Augustin und unsere Berichterstattung losging. Am zweiten März-Sonntag hat die «Neue Kronen Zeitung» in einer ganzseitigen Kolumne auf die Serie aufmerksam gemacht. Postwendend vermutete die «Furche», das Blatt habe Munition benötigt, um den «Kurier» (mit Aufsichtsratschef Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad) als Mitbesitzer der Mediaprint zu ärgern.
Die ganze Zeit über konnten wir wiederholt Zeichen registrieren, die uns ermutigt haben, an den ohnehin ohne Ende geplanten Folgen weiterzuarbeiten: zustimmende Zuschriften, Aufforderungen zum Durchhalten, Einladungen zu Vorträgen wie an der Volkshochschule Hietzing, vor dem Club Links in Linz oder der Grünen Bildungswerkstatt Wien. In den Diskussionen nach derartigen Veranstaltungen wurde immer wieder die Frage gestellt, was wir mit unserer Serie letztlich bezwecken.
Wie es aussieht, gewährleistet die genossenschaftliche Organisation der Basiseinheiten (Ortskassen sowie Milch-, Warenhaus- und andere Sachgenossenschaften) der gesamten Organisation einen Sonderstatus, obwohl die Firmen der gesamten Gruppe in den Sparten Geld, Milch, Ware und Beteiligungen nach Bundesländern und jeweils einer Bundeszentrale meist als Aktiengesellschaften oder GesmbHs organisiert sind. Diese Firmen werden durch den Raiffeisen Revisionsverband, also durch Raiffeisen selbst, kontrolliert. Es ist schon klar, dass die Bilanzen dieser AGs von behördlich befugten Bilanzprüfer_innen testiert werden, aber auch die wissen, wer den Ton angibt. Zum Thema Kontrolle gehört ferner, dass in zahlreichen Raiffeisen AGs Vorstände als Aufsichtsräte in jeweils anderen Raiffeisen AGs tätig sind und Raiffeisen-Vorstände sich so gegenseitig kontrollieren; Beispiele haben wir genügend aufgezeigt.
Zetrum der Macht: Der Raiffeisenverband
Das oberste und letztendlich entscheidende Gremium der gesamten Gruppe ist der Österreichische Raiffeisenverband mit Generalanwalt Christian Konrad an der Spitze. Diesem Gremium, gebildet aus den Chef_innen der wichtigsten Organisationseinheiten aller Sparten, ist auch der Revisionsverband unterstellt. Das heißt: Die Chef_innen wählen jene Prüfer_innen aus, die das gesamte Unternehmen prüfen. Keine optimale Optik! Der Raiffeisenverband selbst sieht die Sache harmlos und stellt sie auf seiner Website so dar: «Der Österreichische Raiffeisenverband ist der Revisionsverband und die Interessenvertretung für die österreichische Raiffeisen-Gruppe. Eine wesentliche Tätigkeit des Österreichischen Raiffeisenverbandes ist die Durchführung von Maßnahmen der Revision und Kontrolle. Die Belange der Gruppe gegenüber allen relevanten nationalen und internationalen Institutionen und Behörden werden vertreten. Informationstransfer, Öffentlichkeitsarbeit und Koordination stellen wichtige Elemente dieser Arbeit dar.»
« die Belange der Gruppe gegenüber allen relevanten » Besser als durch Raiffeisenfunktionär_innen im Parlament lässt sich das von Raiffeisen selbst beschriebene Vorhaben nicht verwirklichen. Zu all dem kommt, dass das einfache Genossenschaftsmitglied im Pitztal oder in Zwettl keinesfalls die Möglichkeit hat, über die Auswahl der entscheidenden Personen im Zentralverband mitzubestimmen. Oder sind größere Debatten über den Nachfolger (der Begriff Nachfolger muss nicht gegendert werden) Christian Konrads bekannt?
Als sinnvolle Forderung erscheint uns, Raiffeisen, dessen Spitzenzweige wie erwähnt rechtlich durchwegs als Aktiengesellschaften firmieren, das scheinbare Recht auf «Kontrollfreiheit» zu entziehen. Diese «Kontrollfreiheit» ergibt sich, wenn ein Aufsichtsrat genügend Gründe wie Abhängigkeiten, das Wissen um gegenseitige Prüfung oder schlicht Karrierewünsche innerhalb der Organisation mit am Weg hat.
Regulatoren gefragt
Ähnlich den Regulatoren für den Strom- und Telefonbereich sollten ferner Kontrollinstanzen geschaffen werden, um die Geschäftsaktivitäten von Raiffeisentöchtern mit Monopolstellung am heimischen Markt im Interesse der Konsument_innen unter die Lupe zu nehmen. Beispielsweise kontrolliert die Raiffeisentochter Agrana die gesamte heimische Zuckerwirtschaft vom Saatgut über den Umfang der Anbauflächen und den Ankauf der Rübenernte bis zur Verarbeitung und Preisgestaltung. Das Fehlen eines Regulators zeigte sich im vergangenem Jahr: Per 1. Oktober 2011 hat die Agrana den Zuckerpreis mit Berufung auf die Entwicklung am Weltmarkt um 20 Prozent erhöht, obwohl die europäische Zuckerwirtschaft vom Weltmarkt total abgeschottet ist. Dennoch ist der Wucher ohne nennenswerten Widerstand von Konsument_innenschutz und Medien (siehe oben, Stichwort Beteiligungen/Werbekunde) sang- und klanglos über die Bühne gegangen.
Ein Marktregulator ist auch für die heimische Milchwirtschaft überfällig. Nach eigenen Angaben verfügt Raiffeisen mit mehr als «130 Molkereien und sonstigen Milchverarbeitungsunternehmen» über einen Marktanteil von 99 Prozent bei Frischmilch. Bei Butter beträgt er 95 Prozent, bei Fruchtjoghurt 80 Prozent und bei Schnittkäse 85 Prozent. Aufgrund fortschreitender Konzentration und Zentralisation wird die heimische Milchwirtschaft von den beiden Raiffeisen-Töchtern Bergland und NÖM dominiert. Dass der sogenannte Milchgroschen die Produktionskosten der kleinen und mittleren Bäuer_innen nicht deckt, wird mit dem Preisdruck der großen Handelsketten argumentiert. Billa, Spar und Co. würden bei einem Milchlieferboykott, gemanagt von der Bauernselbsthilfe-Organisation, zur Durchsetzung eines gerechten Milchgroschens sicher schön schauen. Jedenfalls werden auch bei der Milch, genauso wie beim Zucker, Konsument_innen und Bäuer_innen gehörig verschaukelt.
In dem Sinn scheint auch die Leipnik Lundenburger Investment AG (LLI) nicht untätig zu sein. Dieses Juwel der Raiffeisengruppe wird seit Mitte vergangenen Jahres von Ex-Vizekanzler Josef Pröll geführt. Quasi als Einstandsgeschenk hat er in Deutschland zwei Kartellverfahren an den Hals bekommen, die nach Zahlung von zweistelligen Millionenbeträgen eingestellt wurden. Ein Schalk, der denkt, dass der Mühlen- und Mehl-Oligopolist in Österreich nicht genauso agiert. Allerdings verfügt die LLI mit «Finis Feinstes» mittlerweile bei allen Mehlsorten und Getreideprodukten wie Grieß in Österreich über eine führende Marktstellung, die sich in einem im Vergleich zur Konkurrenz höheren Preis niederschlägt. Pröll steht trotz Spätfolgen seiner Krankheit mittlerweile in den Startlöchern zur Nachfolge von Generalanwalt Christian Konrad, die spätestens im Mai definitiv werden soll.
Auch für die Raiffeisen-Organisation gilt: Vorsicht! Effektive Kontrolle kann zu mehr Demokratie und Partizipation führen.