Waschsalons sind nützliche Einrichtungen mit dem kargen Charme von Wartehallen, jedenfalls in Wien. Selbst im harten Lockdown haben sie geöffnet, denn es gibt so etwas wie ein Recht auf saubere Wäsche.
TEXT UND FOTOS: WENZEL MÜLLER
40 Jahre lang haben im Waschsalon Sauber und schnell im siebten Bezirk die Waschmaschinen treue Dienste geleistet. In der Anschaffung, erzählt die Bedienerin Frau Barbara (die nicht mit Nachnamen in der Zeitung stehen will), waren diese Industriemaschinen hundert Mal so teuer wie übliche Haushaltsmaschinen. Dafür haben sie aber auch fast eine Ewigkeit gehalten. Nun rücken neue Waschmaschinen nach, effektivere und umweltschonendere, darunter auch solche mit einem Fassungsvermögen von 30 kg, in die Teppiche passen. Zusammen mit den alten Geräten werden gewiss auch die einfachen Bänke verschwinden und die Informationstafeln an den Wänden, die gar 1950er-Jahre-Charme haben. Die Modefotograf_innen bedauern das und werden künftig sicherlich fortbleiben, dafür hofft Frau Barbara, mehr noch ihr Arbeitgeber, mit diesem Umbau neue Kund_innen gewinnen zu können. Eine Investition in die Zukunft, beschlossen in Vorcorona-Zeiten. Wegen Corona sieht es für Waschsalons im Moment alles andere als rosig aus.
Dabei genießt diese Branche in der Pandemie eine privilegierte Stellung. Selbst im harten Lockdown dürfen die Salons weiter geöffnet sein – sie gelten als systemrelevant. Es gibt mithin so etwas wie ein Recht auf saubere Wäsche. Doch was nutzt das den Waschsalonbetreiber_innen, wenn die Kundschaft ausbleibt? In Wien leiden sie vor allem unter dem Fernbleiben der Tourist_innen. Tourist_innen und jene ärmeren Menschen, die sich eine eigene Waschmaschine nicht leisten können oder in so beengten Verhältnissen leben, dass sie dort keinen Platz hätte, machen ihre Hauptklientel aus.
Waschsalondichte.
Auf das Einzugsgebiet von 15.000 Einwohner_innen kommt laut internationalen Studien ein Waschsalon. Das sagt August Eigenstuhler, seit 28 Jahren in verantwortlicher Position bei Wash and dry, einer Waschsalonkette, die sich zusammen mit dem Konkurrenten Green und clean den heimischen Markt teilt. Von Land zu Land, sagt Eigenstuhler, bestünden große Unterschiede. Während es in Polen praktisch keinen einzigen Waschsalon gebe, verfüge in Italien jedes Dorf über einen, wenn nicht gar zwei Salons. Bei den einen dominiere die Furcht, ihre Wäsche könnte an dem frei zugänglichen Ort gestohlen werden, und die anderen kämen einfach gerne zusammen, sei es auch nur zum Wäschewaschen. In Wien komme auf etwa 30.000 Einwohner_innen ein Waschsalon. Schlechter sehe es auf dem Land aus. So gebe es in ganz Oberösterreich nur einen einzigen Waschsalon, der laufe allerdings blendend. Besucht werde er vor allem von Pferde- und Hundebesitzer_innen, die ihre Tierdecken nicht zusammen mit ihrer Haushaltswäsche in einer Maschine waschen wollen.
Die Blütezeit der Waschsalons war in den 1970er-Jahren, damals, als die eigene Waschmaschine noch nicht selbstverständlich zum Haushaltsinventar gehörte. Zu jener Zeit war es also Mangel, der der Branche zugutekam, heute profitiert sie von einem anderen Umstand, jedenfalls nach Aussage von Eigenstuhler: der hohen Scheidungsrate. Jede zweite Ehe geht hierzulande in die Brüche. Nach der Trennung steht die Waschmaschine nur einem der beiden zur Verfügung. Dem anderen eröffnet sich die Option Waschsalon.
Nicht ganz freiwillig.
Wir besuchen einen von Eigenstuhlers Salons: den am Margaretenplatz. Frau H. ist mit einem Koffer Gardinen gekommen. Nicht ganz freiwillig. Eigentlich, sagt sie, wollte sie ihre Gardinen zu Hause waschen, doch dann ging die Maschine kaputt. Bis ein Mechaniker kommt, das weiß sie aus leidvoller Erfahrung, kann es eine Ewigkeit dauern. Nun waren die Gardinen schon abgenommen, also entschloss sich Frau H., einen Waschsalon aufzusuchen.
Schon oft war sie an dem Salon vorbeigegangen, nun steht sie das erste Mal drinnen. Frau H. ist eine ältere Dame, sie weiß, wie man wäscht, hat gar noch erlebt, wie ihre Mutter früher in der Waschküche mit der Schmutzwäsche zugange war, mit Waschbrett, heißem Wasser und Lauge, doch dieser Salon ist neu für sie. Welche Waschmaschine nehmen? Die für 5 oder 8 kg Füllung? Wo das Geld einwerfen? Welche Taste drücken? Eine Herausforderung, ähnlich groß wie die, in einer fremden Großstadt ein U-Bahn-Ticket zu lösen. Nur dass hier gleich zwei Geräte zu bedienen sind. Der Kassenautomat und die Waschmaschine. Hier muss man Geld einwerfen, dort die Trommel füllen. Hier das Gerät, dort das Waschprogramm wählen. Ein Hin und Her. Frau H. bekommt freundlicherweise Hilfe von einer anderen Kundin, alleine hätte sie das kaum geschafft.
Selbstbedienungseinrichtungen.
Die Kund_innen sollten tunlichst den Unterschied zwischen Bunt- und Weißwäsche kennen. Doch selbst wenn sie das tun, gibt es immer noch genug falsch zu machen: Etwa zu viel Waschpulver hineingeben, was dazu führt, dass der Schaum aus der Trommel nach draußen drängt, und das manchmal auch schafft.
Falsch ist auch, nach dem Ende des Waschgangs sogleich die Tür öffnen zu wollen. Etwa eine Minute lang muss man warten, dann öffnet sie sich von selbst. Das wissen nicht alle, und die zerren nach Kräften an der verschlossenen Tür, was schon zu Beschädigungen geführt hat. Manche Schäden, klagen Betreiber_innen, resultieren aus Unwissen, andere sind reine Vandalenakte.
Auch Kund_innen klagen: dass der Geldautomat Münzen schluckt. Oder dass manche Maschinen kürzer waschen als andere. Für Beschwerden hängt eine Telefonnummer an der Wand. Die Waschsalonbetreiber_innen können per Video ihre einzelnen Standorte überwachen. Eine Bedienerin wie Frau Barbara, die von Zeit zu Zeit nach dem Rechten schaut, ist die absolute Ausnahme in der Branche.
Keine alkoholischen Getränke, keine Fahrräder, kein Ausspucken, keine ansteckenden oder ekelerregenden Krankheiten: Im Waschsalon am Urban-Loritz-Platz hing eine Hausordnung an der Wand, die dies und noch mehr untersagte. Die Botschaft war klar: Macht’s bitte keinen Wirbel hier!
Einerseits müssen die Selbstbedienungseinrichtungen Kundschaft anlocken, andererseits dürfen sie sie nicht zum Verweilen einladen. Ältere Salons setzen zu diesem Zweck auf karge Einrichtung, mit einfachem Tisch und einfachen Sesseln. Alles nicht allzu bequem. Neuere betonen mit blitzendem Chrom und grellem Neonlicht die Funktionalität und damit Unwirtlichkeit dieses Raums.
Industriemaschine.
Ein größerer Waschsalon in der Nußdorfer Straße: Ein Student ist in sein Buch vertieft. Zwei ältere Damen unterhalten sich. Eine vielköpfige Familie kommt mit mehreren Taschen Schmutzwäsche, füllt die Maschinen, startet das Programm und verlässt sogleich wieder den Salon. Das Waschprogramm der Industriemaschinen ist kürzer als das der Haushaltsmaschinen, schon deswegen, weil sie mit warmem Wasser gespeist werden. Die Wartezeit bei einer 40-Grad-Wäsche beträgt gerade einmal eine halbe Stunde. Zeit, die genutzt werden kann, um Einkäufe zu erledigen oder einfach zur Ruhe zu kommen. Nur auf die Toilette kann man hier nicht gehen. An dieser Einrichtung fehlt es in allen Waschsalons. Sehr zum Ärger mancher Kund_innen. Doch die Betreiber_innen haben sich die Sache natürlich genau überlegt. Früher gab es in Ottakring einen Waschsalon mit WC. Und der lockte viele Leute von der Straße an, die hereinkamen, um hier ihre Notdurft zu verrichten.
Ein Ort der Zusammenkunft, das könnte ein Waschsalon auch sein. Wo man das Notwendige mit dem Angenehmen verbindet. Das Wäschewaschen beispielsweise mit Kaffee und Kuchen. Wo bequeme Sofas das Interieur bestimmen, wo also ein Salon seinem Namen noch alle Ehre macht. Solche «wunderbaren Waschsalons» in Nachfolge von Stephen Frears‘ Kinostreifen findet man in München oder Berlin, nicht aber in Wien.
Nachtruhe.
Hier sind die Betreiber_innen vordringlich bestrebt, ungebetene Gäste fernzuhalten: die Obdachlosen. Sie sollen die warme Stube, die in Wirklichkeit meist über keine Heizung verfügt, nicht für sich entdecken, schon gar nicht zum Übernachten. Aus diesem Grund sind die Salons nicht mehr über Nacht geöffnet, die von Wash and dry schließen automatisch um 22 Uhr. Ab diesem Zeitpunkt kann niemand mehr hinein. Die Tür kann dann allerdings weiter von innen geöffnet werden. Es soll ja niemand eingeschlossen werden. Doch es soll sich auch niemand einschließen können. Daher fährt ein Wachdienst am Abend die einzelnen Standorte ab und kontrolliert sie. Ein Wachdienstmitarbeiter wollte mir gerne über seine abendlichen Erfahrungen berichten, doch sein Arbeitgeber gab dazu keine Einwilligung. Mehrere Anfragen bei dem Unternehmen blieben erfolglos.