«Fremdenzimmer»: Die eigenen Fluchterfahrungen auf die Bühne bringen
«Fremdenzimmer» ist politisches Theater für Jugendliche – ein Stück von und über Menschen, die in der Fremde gestrandet sind. Gemeinsam reflektieren sie ihre Vorstellungen von Heimat, dem Feiern von Festen und von Familie. Dabei erzählen sie von ihrer Flucht und vom Ankommen in einer Warteschleife.
Foto: Carolina Frank
«Mich interessiert politisches Theater – vor allem für Kinder und Jugendliche», sagt Florian Staffelmayr launig, während seine kleine Tochter mit mitgebrachtem Spielzeug spielt. Er ist seit kurzem in Väterkarenz und seiner Tochter gefällt, dass sie mit ihm ein wenig herumkommt, neue Leute trifft, deren Kugelschreiber oder andere Utensilien sie stibitzen kann. «Wenn man nicht für Jugendliche Theater macht, bleiben nur noch die üblichen drei Prozent Bildungsbürgertum als Publikum, um die sich die Theater matchen. Die Jugendlichen kommen dagegen aus unterschiedlichsten Milieus, hier kann man noch wirklich etwas bewirken.» Florian Staffelmayr ist Dramaturg des Stücks «Fremdenzimmer». Am 20. November wird es im Dschungel Wien seine Uraufführung erleben. Gemeinsam mit Regisseur Michael Pöllmann hat Staffelmayr schon im Sommer 2013 mit Vorarbeiten begonnen: Interviews, Schreibwerkstätten und Schauspiel-Workshops mit jungen Flüchtlingen aus unterschiedlichen WGs und Heimen. Daraus sind sehr persönliche Geschichten der 15- bis 25-jährigen jungen Menschen entstanden, die in den Theatertext eingeflossen sind.
Das Publikum auf die Flucht mitnehmen
Mit einem eigenen, extra für die Aufführung zusammengestellten Darsteller_innen-Team wird nun seit Oktober gearbeitet. Auch diese jungen Menschen haben Migrations- und Fluchterfahrungen. Im Stück führt eine Person die Zuschauer_innen quasi über mehrere Stationen in die «Festung Europa» und schließlich durch ein Asylverfahren. Eingewoben sind Zitate aus Behördenprotokollen oder Berichte aus Anhörungen. Die werden emotionalen Erzählungen von Fluchterlebnissen gegenübergestellt.
Die Darsteller_innen bringen die Bühnenerfahrung schon mit: Mahsa Ghafari aus dem Iran hat 2011 an «Die Reise», einem Projekt für 30 Migrant_innen, im Volkstheater mitgewirkt. Hamayun Mohammed Eisa, der über Russland aus Afghanistan nach Österreich gekommen ist, ist bereits im Theaterstück «Ausnahmezustand Mensch Sein» auf der Bühne gestanden – eine Kooperation von Volkstheater und Brunnenpassage der Caritas. Die Georgierin Ana Grigalashvili ist Tänzerin und wirkte in Paulus Mankers «Wagner-200-Projekt» mit. Sie vermag es, einen mit ihrem Blick vollständig zu bannen. Wenn sie bei den Proben die Geschichte einer jungen Frau erzählt, die zu Hause geschlagen und missbraucht wurde, klingt das beängstigend authentisch. Alireza Daryanavard (Iran) und Salaheddine Najah (Marokko) sind Musiker, letzterer im «Fight Rap Camp», das heuer den Protestsongcontest gewonnen hat. Gintas Jocius stammt aus Litauen, er kam zum Kontrabassstudium nach Österreich, wechselte aber ins Schauspielfach und studierte am Konservatorium Wien.
Abstrakte Erinnerungen und ein konkretes Essen
Probenbesuch in der Brunnenpassage: Dramaturg Florian Staffelmayr, seine Tochter im Tragetuch, und ich umkreisen den Proberaum in der Brunnenpassage, in dem Michael Pöllmann, der auch für Konzept und Idee von «Fremdenzimmer» verantwortlich zeichnet, gerade mit seinen Darsteller_innen eine Szene probt. Wir wollen nicht stören und schnappen noch etwas Frischluft. Später erzählt uns der Regisseur, dass gerade an einer sehr emotionalen Szene gearbeitet wurde, bei der auch viel von den eigenen Erlebnissen mit Flucht und Migration eingeflossen ist. Es ist eine Szene, in der es um das Verhältnis zur eigenen Mutter geht, die man verlassen musste oder die vielleicht sogar getötet wurde.
«Eine wichtige Komponente», erzählt Michael Pöllmann, «war für uns, mit dem Stück die aufreibende Warteposition, in der sich Asylwerber_innen befinden, aufzugreifen. Das wurde im Stück jedoch abstrahiert: Mit den Zuseher_innen wird auf ein gemeinsames Weihnachtsfest gewartet. In Rückblenden fließen dabei persönliche Erlebnisse ein, Bilder der Erinnerung.» In manchen Interviews mit Flüchtlingen hatte sich gezeigt, dass weniger gerne über die erlebte Flucht als über das verlassene Heimatland und seine Traditionen – wie das Feiern von Festen – gesprochen wird. Ein verbindendes Element ist dabei immer wieder auch das Essen. Schauspieler Hamayun Mohammed Eisa, sagt Michael Pöllmann, sei ein begnadeter Koch. Er wird ein Gericht vorbereiten, das seine menschenverbindende Wirkung bei den Aufführungen im Dschungel entfalten soll. Man darf gespannt sein; die Proben jedenfalls machen Lust auf mehr.
Premiere: 20. November, 19.30 Uhr
www.dschungelwien.at
Veronika Krenn ist freie Autorin. Den Theaterbetrieb hat sie in ihrer bisherigen Arbeit sowohl aus künstlerischer als auch aus organisatorischer Perspektive kennengelernt.