WeihnachtsgeschichteDichter Innenteil

Lübeck liegt am Meer. Sie liebte das Meer und Lübecker Marzipan.

Sie saß allein in ihrem Zimmer und fragt sich «Warum?» Fast alle hatten Berlin verlassen, um zurück zu ihren Familien, besser gesagt, zurück in ihre Heimatstädte zu fahren, zu den Elternhäusern, traditionsgemäß.

Lübecker Straße! … und noch nicht einmal Marzipan hatte sie da … so ein Mist!

Ganz bewusst wollte sie sich dieses Jahr dem Weihnachtskitsch verweigern. Sie hatte trotzig bei ihren Eltern in Bayern angerufen und mit fester Stimme verkündet, sie werde dieses Jahr nicht heimkommen und mit ihren Freunden in ihrer neuen Heimat feiern. Ohne Tannenbaum.

Wie sich der Vater aufgeregt hatte …

Nun saß sie da am Heiligen Abend und die drei Freunde hatten kapituliert und waren entgegen aller Absprachen doch zurück zu Mutti und Vati – diese Feiglinge!

Die Lübecker Straße war bis auf wenige erleuchtete Fenster dunkel. Sie zog die Vorhänge zu. Zu ausgestellt fühlte sie sich, allein am heiligen Abend in ihrer Wohnung.

Das Schlimmste aber war …

Sie schluckte und Tränen stiegen ihr in die Augen.

Lübecker Straße, Lübecker Marzipan, Lübeck.

Warum musste er ausgerechnet aus Lübeck kommen und warum heute um 16 Uhr erst sagen: «Schatz, ich schaffe das nicht. Meine Mutter rastet aus und enterbt mich. Ich fahre jetzt doch los. Dann bin ich gegen 22 Uhr dort. Aber echt toll, dass du so konsequent bist. Finde ich echt stark. Du hast dich von deinen Eltern emanzipiert. Echt.»

Sie hätte abwechselnd heulen und kotzen können.

Noch nicht einmal Marzipan hatte sie da. Keine Kekse, keine Schokolade, keinen …

Sie stöpselte das Telefon aus und machte den Fernseher an.