«Weil ich kein Zocker bin»tun & lassen

14 NÖ-Gemeinden fühlen sich von Raiffeisen hineingelegt

Der Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinde Payerbach Eduard Rettenbacher erbte von seinem Vorgänger eine schwere Last: Devisenoptionsgeschäfte sollten die Zinslast der Schulden der Kommune erträglicher machen. Das Gegenteil trat ein. Geschäftspartner ist die Raiffeisenlandesbank Wien Niederösterreich.

Der Payerbacher Bürgermeister teilt sein Los mit 13 weiteren niederösterreichischen Gemeinden und hat eine klare Meinung darüber, ob er die Entscheidungen seines Vorgängers selbst auch so treffen würde. «Nein, weil ich kein Zocker bin!», sagt Rettenbacher zum Augustin. Für den Bürgermeister stellt sich jedoch eine weitere, grundsätzliche Frage: Ist es Aufgabe einer Institution wie der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich, Gewinne zu generieren, die zu Lasten der Steuerzahler einer Kommune gehen? So viel zum Thema Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.

Der Reihe nach: Die Raiffeisenlandesbank Wien Niederösterreich bot mehreren Gemeinden sogenannte Zinswetten an. Die «Resettable CHF linked Swaps» genannten Devisenoptionsgeschäfte sollten den Gemeinden bares Geld bei bestimmten Schweizerfrankenkursen bringen. Ganz so als könnte der Bürgermeister einer niederösterreichischen Gemeinde den Wechselkurs des Schweizerfranken zum Euro beeinflussen. Gezahlt worden wäre, wenn das Wechselverhältnis Euro-Schweizerfranken nicht unter ein in einem Vertrag zwischen Raiffeisen und Gemeinde festgelegtes Limit fiele. Bekanntlich ist der Euro gegenüber dem Schweizerfranken ordentlich gefallen.

Rettenbacher auf die Frage, ob sich die Gemeinde von Raiffeisen gut beraten fühlen konnte: «Nein!» Jetzt soll gerettet werden, was noch zu retten ist: «Wir sind in Verhandlungen mit Raiffeisen, wir werden sehen, wie wir aus der Geschichte herauskommen.» Insgesamt kämpfen nunmehr 14 niederösterreichische Gemeinden darum, mit Raiffeisen zu einer Lösung zu kommen.

Der Wolf macht mit den Lämmern Wettgeschäfte

Koordiniert wird die Gruppe vom Payerbacher Gemeinderat Markus Halm. Der hat Erstaunliches zu berichten: Raiffeisen legte ein Angebot vor, nach dem die Bank 40 Prozent der Verluste übernommen hätte. Die Gemeinden erklärten, dass dies keine Lösung im Sinne der Steuerzahler wäre, und Raiffeisen reagierte höchst beleidigt und zog das Angebot vor wenigen Tagen zurück. Für die Gemeindevertreter_innen waren die 40 Prozent auch deshalb keine Option, weil sie sich von Raiffeisen im gesamten Geschäft getäuscht fühlten. Die Bank vermittelte den Eindruck, es bleibe nur die Möglichkeit, zu zahlen oder zu klagen.

Expert_innen bezeichnen die zur Debatte stehenden Zinswetten als «besonders böses Tool». Verkauft worden sei eine «Hülle», hinter der eine ganz simple Wette stehe. Die hochtoxischen Papiere wurden den Gemeinden unter Mitwirkung der örtlichen RAIKA-Mannschaften verkauft. Der/Die gelernte (Nieder-)Österreicher_in weiß, was dies bedeuten kann: Am Tisch sitzen der Bürgermeister und eventuell der Sponsor des örtlichen Kindergartens oder Sportvereins. Das Bild vom Wolf, der mit Lämmern Geschäfte macht, drängt sich auf.

Brutalkapitalismus lässt den Gemeinden keine Chance

Die 14 nun kämpfenden Gemeinden sind nicht die einzigen Betroffenen. Dutzende Gemeinden erhofften sich Gewinne, hatten aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Die Verträge waren so konstruiert, dass es ein einseitiges Kündigungsrecht zugunsten der Bank gab, und dies wurde auch wahrgenommen, just zu jenen Zeitpunkten, zu denen die Bank hätte zahlen müssen. Hier stellt sich die Frage, wie fair derartige Verträge sind, die es dem grünen Riesen ermöglichen, bei aufziehendem Sturm auszusteigen, den Gemeinden eine solche Möglichkeit jedoch verwehrt bleibt. Kapitalismus pur und brutal.

Dem Vernehmen nach wären derartige Papiere im Geschäft mit Privatkunden unverkäuflich gewesen mit den Gemeinden kam man ins Geschäft.

Für Payerbach könnten die Geschäfte mit der Raiffeisenlandesbank Wien NÖ ein böses Ende haben. Abhängig von den Kurssituationen könnten 2 bis 3 Millionen Euro schlagend werden. Für eine Gemeinde in der Größenordnung Payerbachs eine existenzgefährdende Lage.  

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