Unterwegs in Ostslowenien
Eine Pilgerfahrt nach Jeruzalem muss nicht unbedingt in den Nahen Osten führen. Werner Rauchberger (Text) und Helga Rauchberger (Fotos) besuchen auf ihren Streifzügen durch den Osten Sloweniens das mit «z» geschriebene Jeruzalem.
Der Osten Sloweniens ist nicht dafür bekannt, von Tourist_innenströmen heimgesucht zu werden. Hierher kommen wesentlich weniger Besucher_innen als in die populären Landesteile Adriaküste oder die Hauptstadt Ljubljana. Autofahrer_innen, die im Sommer auf dem Weg nach Kroatien sind, kennen die Gegend ja eher als lästigen Staupunkt. Da kann man sich wenig um die schöne Umgebung kümmern. Die abwechslungsreiche Region bietet sich gerade deswegen als Reiseziel abseits des Massentourismus an. Ausgangspunkt für unsere Erkundungen ist die historische Stadt Ptuj. Es gibt Städte, die man schon nach der ersten Besichtigung ins Herz schließt. Die kleine Stadt Ptuj, malerisch an der Drau gelegen, gehört dazu. Für einen Spaziergang sollte man sich genug Zeit nehmen, um die Kunstschätze, die mittelalterlichen Gassen und die mächtige Burg, die hoch über dem Ort thront, zu erkunden. Schon Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. bestand eine Siedlung auf dem Burghügel, und nach den Kelten errichteten die Römer hier das Militärlager Poetovio, das sich bald zu einer blühenden Stadt entwickelte. In seiner Blütezeit lebten etwa 40.000 Menschen in dieser größten römischen Stadt des heutigen Slowenien. Besonders gut ging es Ptuj auch im Mittelalter unter der Herrschaft des österreichischen Adels und der Erzdiözese Salzburg. Damals trug die Stadt den deutschen Namen Pettau, und viele Renaissancebauten aus dieser Zeit sind auch heute noch erhalten. Nach türkischen Überfällen im 17. Jahrhundert und verheerenden Bränden im frühen 18. Jahrhundert, verlor Ptuj, das bis Ende des 1. Weltkriegs mehrheitlich deutschsprachig war, an Bedeutung. Die wichtigen Verkehrsströme und die Industrie siedelten sich um das verkehrstechnisch besser entwickelte Maribor an. Heute ist Ptuj mit 24.000 Einwohner_innen aber wieder eine der reizvollsten und liebenswertesten Städte Sloweniens.
Ein Haus ist schöner als das andere.
Den besten Überblick über Ptuj und seine verschachtelten alten Bürgerhäuser bietet natürlich die mächtige Burg. Wir gelangen vom hübschen Marktplatz als Ausgangspunkt in knapp 20 Minuten durch enge Gassen, die noch mit Kopfsteinen gepflastert sind, zur Anlage hinauf. Das heutige Aussehen mit dem schönen Arkadenhof erhielt sie erst im 17. Jahrhundert. Die ältesten Teile der Burg mit dem Westturm stammen allerdings noch aus dem 10. Jahrhundert. Eine Besichtigung der Burg und seiner Räumlichkeiten gegen eine geringe Eintrittsgebühr ist auf alle Fälle ein eindrucksvolles Erlebnis. Stärken kann man sich dann im netten Burgcafé, und dann geht´s wieder über Treppen hinunter in die Altstadt. Ein Haus entlang des Weges ist schöner als das andere. Vor dem Stadthaus befindet sich unter anderem auch eine fünf Meter hohe Steintafel, ein römischer Grabstein, der den blinden Sänger Orpheus zeigt, umringt von wilden Tieren, die dem Spiel seiner Lyra lauschen.
Wir verlassen jetzt Ptuj voller Eindrücke und fahren in östlicher Richtung nach Ormož. Durch seine Lage auf einer Terrasse am linken Ufer der Drau, die hier die Grenze zwischen Slowenien und Kroatien bildet, geriet Ormož im Laufe der Geschichte immer wieder zwischen die Fronten.
Im Unabhängigkeitskrieg 1991 stoppten hier slowenische Territorialeinheiten erfolgreich die, mit einer Panzerkolonne vorrückende, jugoslawische Volksarmee. Fotos von diesem Zehntagekrieg sind im kleinen Museum im Schloss Ormož ausgestellt. Es lohnt sich, diese Dokumentationen der Ereignisse, die sich vor nicht allzu langer Zeit unmittelbar vor Österreichs Haustüre abspielten, anzusehen. Dass es in diesem kurzen Krieg «nur» 66 Tote gab, hat wohl mehrere Gründe. Die jugoslawischen Streitkräfte hatten nicht mit dem erbitterten Widerstand der slowenischen Bürger_innen gerechnet, die mit Jagdgewehren, Mistgabeln und Stöcken gegen die Eindringlinge vorgingen und mit Lkw, Linienbussen und Müllwägen die Straßen sperrten. Zusätzlich verweigerten viele slowenische Angehörige der Bundesarmee den Einsatz gegen ihre eigenen Landsleute und liefen über.
Der Klapotetz ist überall.
Wir wollen aber jetzt wandern und begeben uns in nördliche Richtung. Hier finden wir eine abwechslungsreiche Gegend mit Weingärten und Mischwäldern vor, die ihren landschaftlichen Höhepunkt im Weinbaugebiet rund um Jeruzalem erreicht. Wir befinden uns aber nicht in Israel oder Palästina. Der Ort verdankt seinen Namen der Legende nach den deutschen Ordensrittern, die ein Marienbild aus dem Heiligen Land hier heraufbrachten. Heute ist Jeruzalem ein berühmter Weinbauort. Der Wein wird hier auf Terrassen kultiviert, und die Rebzeilen winden sich wie Girlanden um die steilen Hügel. Man kann hier von mehreren Ausgangspunkten leichte Wanderungen hügelauf und hügelab unternehmen. Speziell im Oktober, wenn die Weinblätter in herbstlichen Farben leuchten, ist eine Wanderung ein Erlebnis. Zwischen den Rebstöcken klappert dazu noch überall der Klapotetz, ein Windrad, das als Vogelscheuche dient. Er wird am 15. August aufgestellt, und spätestens zu Martine, dem Patronatsfest der Winzer_innen, wieder abgebaut. Beim Betrachten der Landschaft und dem gleichzeitigen Genuss des Jeruzalemer Weißweins verliert man schon das Zeitgefühl. Man sollte aber doch auch an den Rückweg denken!
Diese Gegend Sloweniens ist von Wien aus natürlich mit dem Auto über die Süd-Autobahn leicht anzusteuern. Das Straßennetz innerhalb dieses Landesteils ist gut ausgebaut und man gelangt zu allen Punkten in kurzer Zeit. In Slowenien erreicht man auch fast jeden Ort mit öffentlichen Verkehrsmitteln und das auch relativ günstig. Die Eisenbahn verbindet alle regionalen Zentren, wie Ptuj, oder Ormož miteinander. Jeruzalem ist im Prinzip mit einem Bus erreichbar, doch leider sind vor allem an Wochenenden die Verbindungen selten, und eine gute Planung ist da auf alle Fälle erforderlich. Als gute Variante empfiehlt sich auch das Fahrrad. Die Strecken sind nicht allzu lange, allerdings gilt es, einige Höhenkilometer zurückzulegen, da wäre ein Konditionstraining durchaus angebracht!
Buchempfehlung:
E. Wecker: Slowenien. 53 Touren zwischen Julischen Alpen und Adriaküste
Rother 2016, 2. Aufl., 184 Seiten, 17,40 Euro