Weltmarkt Pflege: Pflegekettentun & lassen

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Sie kommen aus Bosnien, Rumänien, Kroatien, der Tschechischen Republik, Slowakei, Polen, Moldawien, Indien und den Philippinen. 59 Millionen vollzeitbeschäftigte Personen arbeiten weltweit im Gesundheitsbereich, davon 28 Prozent in Europa. Auch Österreich ist Zielland von Pflegekräften, ihr Anteil beträgt insgesamt 6,7 Prozent.

In einer Art globaler Betreuungskette übernehmen Arbeitsmigrantinnen hier Betreuungs-, Pflege- und Haushaltsaufgaben, während zugleich ihre eigenen Kinder im Heimatland bleiben und dort von Familienangehörigen oder Angestellten betreut werden. Getragen werden diese Care-Ketten ausschließlich von Frauen. Die Männer sind kaum involviert. Es entsteht eine Betreuungskette aus drei oder mehr Frauen, wobei in jeder Stufe der Betreuung der Lohn abnimmt und die letzte Betreuerin oft unbezahlt tätig ist. Die Kinder sind unter dem Schlagwort »Euro-Waisen« berühmt geworden. In Polen werden durch die hohe Migrationsrate zwanzig Prozent der Kinder von anderen Personen als ihren Eltern betreut. In Litauen heißen die zurückgelassenen Kinder »Irland Kids«, weil besonders viele Mütter nach Irland arbeiten gegangen sind. Dem positiven Aspekt der höheren Einkommen stehen die negativen Konsequenzen prekärer Arbeitsbedingungen und sozialer Isolation entgegen. In diesen – oft nicht legalen – Pflegearrangements wird das Geschlecht als Ressource gesehen, nicht die Ausbildung oder Pro-fession der Frauen. Das sei eine widersprüchliche Win-win- Situation zweier in Abhängigkeit stehender Personengruppen, bemerkt Helma Lutz, Forscherin an der Frankfurter Goethe-Universität: von der fremdenpolizeilichen Aufenthaltsbewilligung abhängige Betreuerinnen und von der Betreuung abhängige Pflegebedürftige. Die Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen zur Schaffung von schlecht bezahlten Care-Arbeitsstellen trägt jedoch zur Abwertung von Care-Arbeit insgesamt bei, warnt Lutz. Die Folgen sind eine Zunahme nicht-legaler Dienste und die Verschlechterung der Bezahlung der Beschäftigten. Sinnvoller ist hier jedenfalls eine Aufwertung der Pflegeberufe wie ein Ausbau legaler und guter Dienste für die Pflegebedürftigen. Gerade in den kontinentalen Sozialstaaten wie Österreich oder Deutschland klafft eine große Pflegelücke bei mobilen und alltagsnahen Diensten. Österreich und Deutschland investieren nur zögerlich in soziale Dienstleistungen. Beide Länder weisen einen im Verhältnis zu den Geldleistungen geringen Anteil an Dienstleistungen am Sozialbudget aus. Auch der im europäischen Vergleich geringe Anteil an Beschäftigten in Sozial- und Gesundheitsberufen deutet auf die Pflegelücke hin. Österreich liegt mit seinen Sozialdienstleistungen unter dem EU-Durchschnitt. Mobile Dienste für Pflegebedürftige gibt es in Österreich im Verhältnis 1:9, das heißt, eine Pflegekraft kommt auf neun Pflegebedürftige. In Deutschland beträgt dieses Verhältnis 1:5, in Dänemark 1:2.