Bibliotick
Beim Heurigen Binder in Wien-Floridsdorf hat der «Ständige Ausschuss zur Klärung sämtlicher Welträtsel» sein Headquarter gefunden. Er tagt in anarchistischer Unregelmäßigkeit, aber sicher sei wohl, meint Ausschuss-Gründer Erwin Riess, dass er ziemlich unmittelbar nach der Nationalratswahl zusammenfinden wird; so manches verblüffende Ergebnis würde nach erfahrenen Rätselauflöser_innen schreien.
Die Leser_innen der «Groll»-Romane von Erwin Riess (nach der Hauptfigur so benannt), namentlich des jüngsten Buches, «Herr Groll und die Stromschnellen des Tiber», sind hiermit eingeweiht, dass auch der Welträtsel-Ausschuss kein fiktives literarisches Konstrukt ist, sondern aus Fleisch und Blut besteht. Bei einer Plauderei mit dem Autor über das Ausmaß an dichterischer Freiheit, das er in der literarischen Produktion zulasse, wird rasch klar, dass Erwin Riess ein enzyklopädischer Furor eigen ist. So weit hergeholt die Eintragungen aus allen Bereichen der Wissenschaft und des Lebens sind, die er in die Handlung fließen lässt: Alles sei recherchiert, nichts sei erfunden, sagt der Autor. Ich weiß, dass auch Augustin-Leser_innen über das breitgefächerte lexikalische Wissen staunen, das in seiner regelmäßigen Groll-Kolumne zum Ausdruck kommt. Dabei fehlt ihm allerdings Umberto Ecos Reservoir an Recherchiersklaven.
Wenn er den Triglav im jüngsten Werk als einen «Nanga Parbat ohne Zwetschken» beschreibt, weist er auf die tatsächliche slowenische Leit-Frucht hin; dass er die je nach Förderregion verschiedenen Farbtöne des Erdöls auflisten kann (das Weinviertler OMV-Erdöl schimmere grünlich, während etwa das iranische rein schwarz sei), ermöglicht Wikipedia und Co.; die Zahl der 54 Gleise der römischen Eisenbahnstation Termini hält jeder Überprüfung stand. Dass der surrealistische Dichter D´Annunzio bei seinem legendären Flug über Wien nicht faschistische Flugblätter, sondern Modeschaueinladungen abgeworfen habe: endlich ein Beleg, dass Riess selten, aber doch auch ein sehr augenzwinkernder Informant des Faktischen ist.
Die Handlung? Die entnehmen Sie bitte sofort dem Klappentext des Buches, das Sie ohnehin schnurstracks aus Ihrer Buchhandlung holen werden.
Erwin Riess:
Herr Groll und die Stromschnellen des Tiber
Otto Müller Verlag 2017
314 Seiten, ca. 22 Euro
In der nächsten Augustin-Ausgabe, die am 27. September erscheint, können Sie einen Auszug aus Erwin Riess´ neuem Roman lesen.