Wem gehört der Pfandschlupf?tun & lassen

Werner Hochreiter, Jurist bei der AK und im Aufsichtsrat der EWP Recycling Pfand Österreich gGmbH (Foto: © Nina Strasser)

Der Pfandschlupf sind jene Gebinde, die Konsument:innen nicht zurückgeben. Mit 25 Cent Pfandwert wird er auch hierzulande sehr begehrt sein.

Orientiert sich das geplante Pfandsystem in Österreich am deutschen Modell?

Werner Hochreiter: Das Einwegpfand muss es in Österreich geben, weil uns das die ­Single-Use-Plastic-Richtlinie der EU vorschreibt. Damit hat die EU Maßnahmen gegen das Littering geregelt, gegen das achtlose Wegwerfen von Abfällen an öffentlichen Plätzen und in der Natur. Das deutsche Pfand ist anders entstanden, schon vor dieser Richtlinie.
Aus Sicht der Konsument:innen ist das ­Modell gleich, was jedoch den Pfandschlupf betrifft, anders. Mit dem Pfandschlupf, also mit dem Geld, das nicht ausbezahlt werden muss, weil sich Konsument:innen es nicht abholen, wird in Deutschland Gewinn gemacht. Wir haben uns hier nicht am deutschen Modell orientiert, sondern in Österreich haben wir ein einheitliches System, auf Non-Profit aufgebaut. Der Pfandschlupf wird nicht den Händlern gehören, sondern der Einweg-Pfandgesellschaft EWP, zentrale Stelle aller organisatorischen und strukturellen Agenden des Einweg-Pfandsystems. Das ist der wesentliche Unterschied zum deutschen Modell. Der Pfandschlupf soll dazu dienen, einen Teil der Systembetriebskosten abzudecken.

Ist es trotzdem im Interesse der EWP, dass die leeren ­Gebinde zurückgegeben werden und nicht im Müll landen?

Zweifellos! Die EU-Richtlinie schreibt vor, dass ein Rücklauf von mindestens 90 Prozent zu erreichen ist.

In Deutschland leisten Flaschensamm­ler:innen dazu einen wesentlichen Beitrag, nicht zuletzt aus ökologischer Sicht. Trotzdem sind sie weder sozialversichert noch können sie größere Mengen abgeben, was ein großes Problem für sie darstellt. Wird diese Tätigkeit im österreichischen System mitgedacht?

Das ist ein wichtiger Beitrag für die Kreislaufwirtschaft, keine Frage. Wenn dabei größere Mengen zustande kommen, dann sollte man nur die Automaten zur Rückgabe nutzen. Denn kleine Abgeber müssen nur kleine Mengen zurücknehmen und können schnell überfordert sein.
Was also die Abgabe größerer Mengen ­betrifft, kann ich nur anregen: Wenn es hier ­Ideen für Projekte auf Flughäfen, in Einkaufszentren oder wo auch immer gibt, dann empfehle ich dringend mit den Betreibern, den dort Verantwortlichen zu reden und Abmachungen zu ­suchen. Die Zusammenarbeit mit sozialökonomischen Initiativen ist für viele Unternehmen heute schon selbstverständlich. Wenn beispielsweise die Gruft in Wien ein Projekt erfindet, wo Menschen dort leere Gebinde als Spende lassen oder sammeln, dann könnte ich mir sogar vorstellen, dass sich die Gruft als Rücknehmer im EWP-System registrieren lassen kann und dann Sammelsäcke bekommt, die auch abgeholt werden. Und die Pfänder werden dann an die Gruft ausbezahlt.

Die spanische Gewerkschaft UGT lässt in ­einer Studie die sozialen Auswirkungen des Pfandsystems in Deutschland nachzeichnen, um die (baldige) Einführung in Spanien ­sozialer zu gestalten. Dabei wird auch danach gefragt, wie von Anfang an ein Rahmen geschaffen werden kann, der das Sammeln von Pfandflaschen möglichst barrierefrei und würdig gestaltet. Wäre das ein Ansatz für Österreich?

Die EWP befindet sich gerade in einer ganz intensiven Aufbauphase, weil so viele Details noch konkret gemacht werden müssen. Darum ist die Wahrheit kurz: Die soziale Dimension hat bis jetzt nur am Rande eine Rolle gespielt. Aber das soll niemanden davon abhalten, über Ideen und Projekte nachzudenken. Und es soll niemanden davon abhalten, das Gespräch mit den Verantwortlichen zu suchen. Die Planung für die sozialen Themen beginnt jetzt. Bei allen guten Projekten sind am Anfang gute Ideen und ein ehrliches Bemühen gestanden.
Ich vermute, dass auch Mitarbeiter:innen in Einkaufszentren, Reinigungskräfte und Entsorgungsmitarbeiter:innen sich nicht scheuen werden, sich das Pfand zu holen, wenn leere Pfandgebinde stehenbleiben. Deshalb braucht es Abmachungen, damit sich jeder auskennt, damit man sich nicht unnötig ins ­Gehege kommt.

Wie ist die Position der Arbeiterkammer dazu?

Alle Initiativen, die einen dritten Arbeitsmarkt ermöglichen, also Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit beim Wiedereinstieg helfen, sind ein ganz großes Anliegen für die Arbeiterkammer. Meine berufliche Laufbahn habe ich als Sozialarbeiter begonnen. Eine Zeit lang hab ich im Bahnhofssozialdienst am West- und am Südbahnhof mitgearbeitet. Damals hat man von Ini­tiativen zu REUSE und Repair wie dem RUSZ, von einer Gruft oder den Vinzihäusern, von den Tafelorganisationen, Sozialmärkten und Carla-Läden auch nur träumen können. Und jetzt gibt es sie. Wer weiß! Darum: Wenn es Ideen für Projekte und Initiativen gibt, dann her damit und reden, reden, reden!

Werner Hochreiter, 64, ist Jurist in der Wiener Arbeiterkammer in der Abteilung Klimaschutz, Umwelt und Verkehr. Als Experte für Abfallvermeidung und Ressourcenschonung ist er vom Umweltministerium in den Aufsichtsrat der EWP Recycling Pfand Österreich gGmbH (EWP) entsandt worden, die Industrie und Handel je zur Hälfte gehört.