Was wurde aus dem Lehrer_innenstreik in der Slowakei?
Mitte Februar 2016 sind mehr als 500 Hochschullehrer_innen in der Slowakei in unbefristeten Streik getreten. Sie haben die Grund- und Mittelschullehrer_innen abgelöst, die drei Wochen lang gestreikt hatten – für höhere Löhne und längst notwendige Reformen in der Bildungspolitik. Der Augustin hat berichtet (Nummer 409). Nach den Parlamentswahlen Anfang März wurde der Streik vorläufig ausgesetzt. Darüber, wie es weiter gehen kann und wird, hat Eva Schörkhuber mit Vladimír Zvara, Musikwissenschaftler an der Comenius Universität in Bratislava und aktives Mitglied des Streikkomitees, gesprochen.
Foto: Lubos Kulan
Welche Streik-Aktivitäten hat es im Februar und März 2016 gegeben?
Unser Streikkomitee an der Uni Bratislava hatte in kurzer Zeit eine Menge organisatorischer Arbeit zu bewältigen: Den Informationsdienst für die Kolleg_innen und für die Medien, die Veranstaltung von Diskussionen und Kundgebungen. Um die Öffentlichkeit wachzurütteln, haben wir sogar ein spektakuläres «Begräbnis des Schulwesens» organisiert, mit Sarg und Blasmusik.
Welche Auswirkungen hatte der Streik bislang – von einer gesamt- und einer (hoch)schulpolitischen Ebene aus betrachtet?
Die Debatte über das Schulwesen ist nicht mehr zu überhören. Und was die Hochschulen, die akademische Sphäre betrifft, haben wir – einschließlich vieler Student_innen – jetzt vielleicht eine deutlichere Vorstellung über unsere Rolle in der Gesellschaft.
Das Besondere an dem Streik sind zwei Dinge: Einerseits ist es ein Solidaritätsstreik –
Ja, denn wir finden, dass eine deutliche Erhöhung der Löhne von Grundschul- und Gymnasiallehrer_innen der beste erste Schritt zum Wandel in unserem Schulsystem wäre. Und wir wollten einfach nicht zusehen, wie die Regierung die berechtigten Forderungen unserer Kolleg_innen ignoriert.
– andererseits ist es ein sogenannter «wilder Streik», der bislang ohne die Unterstützung der Gewerkschaft stattgefunden hat.
Die Gewerkschaft hat ihren landesweiten Apparat und Geld. Wenn sie eine Kundgebung organisiert, kann sie Leute aus dem ganzen Land mit Bussen nach Bratislava bringen. Wir haben nichts. Dadurch waren unsere Aktivitäten kleiner, auch die Zahl der Streikenden war nicht groß. Der Vorteil ist, dass wir von der Politik unabhängig sind. Ich weiß nicht, ob die Gewerkschaft das von sich behaupten kann.
Am 5. März fanden in der Slowakei Parlamentswahlen statt. Mit Blick auf die Bildung einer neuen Regierung ist der Streik ausgesetzt worden, aber alle sind in Streikbereitschaft geblieben. Wie ist es nach der Regierungsbildung weitergegangen?
Die Forderungen wurden nicht erfüllt. Unser Erfolg ist aber die Tatsache, dass das Schulwesen ein großes Diskussionsthema geworden ist. Der neue Bildungsminister scheint sich zu bemühen, mehr Geld für die Schulen und für die Lehrer_innen aufzutreiben und Reformen in Gang zu setzen. Die Frage ist, ob er das Geld von seiner Regierung tatsächlich bekommt und ob die Reformen zur Verbesserung der Situation führen werden. In den letzten 25 Jahren gab es viele «Reformen», die aber wenig Positives gebracht haben.
Und die Gewerkschaft?
Nach den Wahlen ist der große, offizielle Gewerkschaftsbund einmal aus seinem Dornröschenschlaf erwacht und hat eine Kundgebung organisiert. Es gab Busse, eine Menge Leute. Wir haben auch teilgenommen. Eine nachhaltige Zusammenarbeit wäre das Beste. Die Gewerkschaft scheint aber hauptsächlich zu taktieren.
Der frühere Bildungsminister Juraj Draxler von der Smer-SD («Richtung Sozialdemokratie») hat sich über den Streik und die Streikenden teilweise sehr herablassend geäußert: Von einer «symbolischen Geste von Einzelpersonen» ist etwa die Rede gewesen. Wie agiert der neue Bildungsminister Peter Plavčan von der SNS, der Slowakischen Nationalpartei?
Wir haben die Regierungspartei vor den Wahlen ein wenig nervös gemacht, daher auch die Äußerungen von Herrn Draxler. Der neue Minister, Herr Plavčan, benimmt sich korrekter. Er hat jetzt die Zeit und die Chance, etwas zu unternehmen. Hoffentlich nutzt er sie.
Gibt es aktuell Gespräche mit der Regierung?
Der Minister hat nach der Regierungsbildung eine Runde von Roundtable-Gesprächen organisiert, bei denen auch einzelne Mitglieder der «Initiative der slowakischen Lehrer_innen» dabei waren. Der Einfluss dieser Gespräche auf das bald darauf entstandene Regierungsprogramm im Bereich Schulwesen sollte aber nicht überschätzt werden. Im Moment führt die Initiative vor allem Gespräche mit einzelnen Lehrer_innen in den Regionen, um sie zu mobilisieren. Wenn keine Wende kommt, werden wir wieder streiken müssen. Und daran, dass der mögliche Streik im Herbst größer als der im Jänner und Februar wird, arbeiten wir bereits.