Musikarbeiter unterwegs … @Huber-Park, mit langem Prozess und Frei-Spruch
7 Jahre nach dem Debüt schichten veröffentlicht Karl Stirner ein zweites Solo-Album. Im klingenden Herzen – die Zither.
TEXT: RAINER KRISPEL
FOTO: MARIO LANG
Stirner, 1970 in Wien geboren und, wie er anmerkt, «was viel wichtiger ist, hier sozialisiert und verwurzelt», hat sein Instrument (bei Charlotte Roda) und Komposition (bei Kurt Schwertsik) studiert. Er weiß, was er tut, als Musiker mit und bei seiner Musik. Er will aber dazu
gerne immer noch anderes wissen und um das Wissen wissen auch, ob mensch das nicht noch anders wissen könnte oder es nicht noch anders gewusst wird oder werden könnte. Stirner ist einer der Menschen, die sich darauf einlassen, was sie tun, beim Tun und natürlich zum Tun. Er tut nicht so, als ob er tut, und findet daher in solchem «Vor-Tun» nichts drinnen liegend (in einem Land, von einem Kanzler, der so tut, als wäre er einer, gequält, ein politisches Statement), «nach 4 Jahren des wachsens durch das material (_vertrauen trainieren_erwartung verlernen und so enttäuschung entmachten_renaturieren) liegt nun dieses destillat vor». So verbalisiert er im Artwork der bei Walther Soykas Label non food factory erschienenen CD Teile des Prozesses, der zu schichten 2-codex corporis führte. Ein Prozess, der immer wieder zu einem unumstößlichen, nachhaltigen Freispruch führt und führen wird. Weil diese Musik, ihre ganzen 39 Minuten und 29 Sekunden, ihre ganzen acht Stücke, vom eröffnenden pollen bis zum abschließenden schmetterling-western, einfach ein wunderbarer Wahnsinn ist. Eine Wonne, ein Genuss, ein Ansporn, ein Innehalten, ein fließendes Lässiges, das keine Worte braucht, um viel zu sagen. Wäre sie auf Vinyl eine Inselplatte, der noch eine Insel erträumt fehlt.
Stirner und mein Nachbar.
Als 100bpm erstmals spielt, die viel zu kurzen 7 Minuten und 58 Sekunden, wirft sich meine Wortmaschine an. Ich möchte mitvokalisieren zur Musik. In welcher Sprache? In vieler (sic!). Davor, bei octopus, hämmert ein Nachbar einen eigenwilligen Rhythmus (das Möbel möchte ich wohnen!), und fast wirkt es, als wäre dies ein ebenso dringender Dialogwunsch mit dieser Musik. «Die Musi entspringt teilweise einer zerebralen Disposition», bietet Karl im Gespräch an, auf die Frage, wie das losgegangen ist mit ihm und der Musik. Ein Satz zum Stehenlassen. Kreativer Output ist ihm eine Notwendigkeit, «es möchte irgendetwas her». Wenig später erzählt er davon, wie es ist, aufzuwachen mit der Ansage der völlig anarchistischen «Kopf-Jukebox»: «Guten Morgen, heute Ivan Rebroff für 60 Saxophone. Los geht’s. Jetzt die Fassung für 12 Klarinetten und Streichorchester. Des macht des.»
Pilze (finden).
Dazu geht es, auch und mitunter, für Karl Stirner darum, sich für die Musik – er schreibt Bühnen- und Filmmusiken – unabhängig zu machen von Umgebungsgeräuschen. Den «Stirner-Fader» trainierte er unter anderem in lauten Wirtshäusern. Bei schichten 2_codex corporis sind stundenlange Aufnahmen der Geräusche und «Zickigkeiten», die so eine Zither macht und hat, ein grundsätzliches Ausgangsmaterial, samt regulären Zithertönen und rein physisch erzeugten Tönen. Das alles diente als Samplequellen und Kompositionsgrundlagen. Von 38 Stunden (!) Material erzählt der Musiker bei Bier und Wein (weiß!) im Huber-Park. Aus denen er mit den Aufnehmenden Walther Soyka (eben nicht nur beim famosen Duo Soyka Stirner ein Kreativpartner) und Sebastian Seidl (mit dem er das elektronische Wienerlied-Duo Seidl & Stirner betreibt und das tolle Quartett woschtog – den Namen haben Sie hier erstmals gelesen, take note!) die «Nuggets» formte, die jetzt nach 4 Jahren daherkommen, als wären sie gerade unmittelbar entschlüpft oder schlüpften gerade, während wir hören, und aus
denen immer noch etwas herauskommt, wenn mensch beim Hören hineingeht. Was viele entsprechende, meist
begeisterte (halb geht bei diesem Tun eben nicht) Feedbacks dann genau so benennen. Diese wunderbare Musik nimmt völlig unaggressiv Raum und Aufmerksamkeit ein, die hoffentlich zur Verfügung stehen. Womit sich wie der Nachbar und der Karl Stirner
dieser und seine Hörer_innen treffen, beschreibt der Musiker doch als Teil
seines künstlerischen Erlebens so: «Wenn man ganz lange versucht, sich finden zu lassen, dann fangen Dinge an hereinzukommen.»
Karl Stirner: schichten 2_codex corporis
(non food factory / Lotus Records)
Bezugsquelle ab Musiker:
facebook.com/stirnerhub/shop