Wenn nichts kommt, dann geht auch nichtsArtistin

Musikarbeiter unterwegs … in Sachen der Freuden der Musik

Talking Phrases heißt das neue Album der 2007 gegründeten Band Freud. Acht Jahre nach dessen Vorgänger veröffentlicht, ist es ein unprätentiöses Highlight dieses Musikjahres.

TEXT: RAINER KRISPEL
FOTO: MARIO LANG

Freud sind fleißig.

Allerheiligen wird geprobt, die nicht ganz heiligen Gänge des WUK-Kellers dafür Richtung Proberaum durchschritten. Auf journalistischer Stippvisite und wie immer leicht desorientiert, gehe ich zunächst in die falsche Richtung. Ich drehe mich um, da kommt hinter mir Lead-Sänger Axel. ­Julia, die singt, Gitarren und Tasten spielt, ist mit einer fotografierenden Freundin schon da. Beim Niedersetzen im Sozialeck taucht Gitarrist Oliver auf, der Kühlschrank wird mit Bierdosen befüllt – okay, aber bitte nur eines …
Freud ist die Art von Band, wo, wie in den Credits zum – beim Label des ­Wiener Plattengeschäfts Recordbag (hier ­wurde 2014 schon das zweite ­Album Yesterday Today Tommorow verlegt) – ­erschienenen neuen Album ­vermerkt, die Beteiligten den Bandnamen als Nachnamen führen. Drummer Jürgen Freud kommt als nächster, Bassist Vinzenz begegnet mir auf dem Heimweg noch auf eine Umarmung. Im Juli 2008, in ­Ausgabe 232 dieser Zeitung, war schon einmal über die Band zu lesen, damals ein Jahr ­zuvor aus The O5 hervorgegangen und als Sextett agierend. Auf sieben oder acht Bandbesetzungen bislang kommt ­Oliver beim überschlagenden Rekapitulieren. Auf dem Weg zur Endform der zehn Songs von Talking Phrases, neun Originale und ein Gary-Numan-Cover, war noch Maria Freud mit im Line-up. Da kam es allerdings zur Paarbildung mit Dennis Rux, in dessen Hamburger YeahYeahYeah-Studios das Album grundsätzlich aufgenommen wurde. So wie Freud ihre Musik anlegen, sind Liebe und positive Verbindlichkeit eben nie weit entfernt.
Überideal. Julia als alterstechnisch jüngste Musikerin der Band, hatte dabei einen «sanften Einstieg», gastierte zunächst beim jährlichen Weihnachtskonzert im Chelsea, bevor sie eine fixe Freud wurde. Der von Anfang an aktive Kern, bestehend aus Axel, Jürgen und Oliver, hat über die doch erklecklichen ­Jahre wohl einmal ans Aufhören, nie aber an einen neuen Bandnamen oder eine grundsätzliche stilistische Neu­orientierung gedacht. Gesungen wird gekonntes Englisch, die Musik hat dieser Schreiber einmal als «Pop’n’Roll» definiert. Für diesen schöpft das ­Quintett lustvoll und unermüdlich aus den Beteiligten vertrauten Quellen von ­60ies-, ­Mod-, Punk- und Indie-Musik. ­Dabei war es gerade bei Talking ­Phrases eine lange Zeit in Anspruch ­nehmende Angelegenheit, den Sound der ­stetig ­gewachsenen ­eigenen Handschrift der Band wirklich einzufangen – was endlich mit Produzent Alex ­Wunderbar in ­dessen Wiener Studio ­wunderbar (sic!) gelang, dieser ist nicht umsonst auch als Musiker mit den Curbs stets für leiwande Songs gut.

Shine.

So entwickelt das Album ab dem Opener «Teenage Angst» bis zum abschließenden «Smiling High» seinen unwiderstehlichen Sog. Knackig, eingängig, mitsingbar und -tanzbar, ideen­satte Arrangements, die zugleich nie den Song überlasten. Dazu werden Liebe, Kulturkritik («Rock’n’Roll Show»), aber auch große Themen – «no matter how hard we try in the end we’re gonna die», heißt es in «­Überideal» – und Zeitgeschehen verhandelt, unblöd und mit Haltung. Die kommt bei Freud nie dem Unterhaltungsanspruch ihrer Band in die Quere, den sie nicht zuletzt live geradezu exzessiv leben. Ihre Konzerte sind so längst Fixpunkt im Kalender vieler überdurchschnittlich Musik- und Begegnungsverrückter, insbesondere die X-Mas-Show mit Gästen und ausgesuchten Coverversionen. Die ebenso stimmige atmosphärische Dichte des Albums reflektiert nicht zuletzt den kollektiven Entstehungsprozess der Lieder, gemeinsam wird an in den Proberaum mitgebrachten Ausgangsmotiven gearbeitet. Die Sounds und Riffs stoßen die Lyrics an. Außer «waun nix kommt, daun ged a nix», wie es Sänger Axel formuliert. Das geschieht selten und nicht zuletzt verstehen es Freud, die Songs anderer nachdrücklich zu den ihren zu machen und wie selbstverständlich in ihre Sets zu integrieren. Wie beim Gürtel Nightwalk (kurz vor diesem Konzert entstand das Foto), wo sie in bestechender Form waren und «Behind Blue Eyes» von The Who schlicht erhaben interpretierten. Bevor sie die Proben für ein ­Konzert Ende der Woche in Graz angehen, verspricht Oliver Freud noch, dass es ­keine weiteren acht Jahre bis zu ­einem nächsten Album dauern darf und wird. A Freud!

Live: 7. Dez., Chelsea
www.freudmusic.com

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