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Das kleine Familienunternehmen, der Kleinaktionär, der Kleinanleger, oder die „kleine“ Oma mit dem Sparbuch – alles wird immer ganz klein, wenn die ganz Großen ins Gespräch kommen. Aktuelle Daten zur Konzentration des Reichtums wurden veröffentlicht. Und sofort rücken die von den großen Vermögen bezahlten Think Tanks aus, die Reichen arm zu rechen– und die Armen reich. Am Schluss gibt es nur mehr „die Mitte“.Doch: Je reicher und privilegierter der eigene Status, desto stärker wird er unterschätzt. Der Prozentsatz der Haushalte, die sich dort einordnen, wo sie sich tatsächlich befinden, sinkt stark mit zunehmendem Nettovermögen, ergeben Daten der Nationalbank. Konkret: 99 Prozent der Reichsten schätzen ihren eigenen Status völlig falsch ein und zählen sich zur Mitte. Da gehen versteckte Interessen einer kleinen Minderheit ab durch die Mitte und Omas und „Kleine“ werden benützt, um die eigentlichen großen Interessen zu verschleiern.
„Mittelstand“ und „Mittelschicht“ ist aber auch nicht dasselbe. Mittelständische Unternehmen können sich nach den Kriterien der EU-Kommission in Österreich nur die obersten drei Prozent aller Unternehmen nennen. Mit „Mitte“ hat das eigentlich nichts zu tun, wenn mehr als 95% nicht mittelständische Unternehmen, sondern weit kleinere Betriebe sind. Während Mittelstand historisch die kleine Gruppe des Bürger_innentums zwischen Elite und der Masse aus den unteren Ständen bezeichnete, wird der Begriff heute fast beliebig verwendet. In Österreich besitzt von den unteren 80 Prozent der Haushalte nur ein kleiner Teil Vermögenswerte in Unternehmensbeteiligungen, dieser Anteil steigt bei den vermögendsten 15 Prozent stark an, und erreicht über zwei Drittel bei den reichsten fünf Prozent. Das heißt, deutlich mehr Haushalte unter den reichsten fünf Prozent besitzen Firmenanteile als in den unteren 80 Prozent. Wenn vom „Mittelstand“ gesprochen wird, so sind damit tatsächlich die reichsten fünf Prozent der Haushalte gemeint – und hier wird es mehr als fraglich, ob diese zu Recht als „Mitte“ bezeichnet werden können.
Insgesamt besitzen die reichsten 5% der Bevölkerung fast die Hälfte des Gesamtvermögens, die unteren 50% hingegen 3%. Die Reichtumskonzentration in Österreich ist groß. Und wird auch noch unterschätzt, weil die Daten ganz oben nicht vollständig sind.
Es lohnt sich im Trommelfeuer der verkündeten Verknappung von Mitteln, der permanenten Sparlogik und Opferrhetorik die Fülle in den Blick zu bekommen. Es lohnt sich, die ökonomischen Sachverhalte zu überprüfen, die uns als unumstößliche Wahrheit präsentiert werden. Es lohnt sich, die Produktionsstätten neualter Ideologien auszuheben, die Freiheit versprechen und soziale Polarisierung bringen. Es lohnt sich auf die Suche danach zu gehen, was Reichtümer vermögen.
Sowie Armut nicht nur mit Einkommensmangel beschrieben werden kann, so geht es auch bei Reichtum nicht bloß um Ferrari und Yachten, nicht um die konsumistische Seite. Es geht um den Möglichkeitsraum, den Reichtum für die betreffenden Personen aufmacht. Es geht um die politische Durchsetzungskraft, die sich Reichtum z.b über Medienbesitz schafft, um die Bedingungen zu seinen Gunsten zu verschieben. Reichtum definiert sich durch kapitale Möglichkeiten. Wer das Gold hat, macht die Regel? Die Macht der Möglichkeiten nicht auf wenige zu beschränken, sondern allen zugänglich zu machen, ist nach wie vor die große Herausforderung unserer “gemeinsamen Sache”, der res publica, der Demokratie.