Wer trägt die Kosten der Corona-Krise?tun & lassen

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«Ich hatte seit Februar endlich wieder Arbeit, am Freitag hab ich zum 30. 4. die Kündigung bekommen, wegen des Corona-Wirtschaftseinbruchs», erzählt Ulrike. Und Astrid: «Ich häng mit den Kids auf engem Raum zusammen. Die Decke fällt uns bereits auf den Kopf. Die Kinder dürfen weder auf den Fußballplatz noch auf den Spielplatz trotz schönem Wetter. Wir haben zu fünft nur einen Laptop für alle Schularbeiten und meinen Job.»
Corona trifft die ökonomisch Ärmsten am Arbeitsmarkt, in Familien, prekären Ich-AGs oder als chronisch Kranke. Sie brauchen besonderen Schutz, Sicherheit und entschiedene Maßnahmen zur Verringerung ihrer prekären Situation. Es ist schon mehr als verwunderlich, dass Einkommensarme nicht von Beginn der Corona-Krise an als hochverletzliche Gruppe eingestuft wurden. Armutsbetroffene sterben um 10 Jahre früher als der Rest der Bevölkerung, bei Wohnungslosen macht der Unterschied sogar 20 Jahre aus. Da rächt sich jetzt auch die Regierungspropaganda der letzten Jahre und das verzerrte Bild über Menschen in der Mindestsicherung. 29 Prozent aller Mindestsicherungsbeszieher_innen weisen einen sehr schlechten Gesundheitszustand auf, über die Hälfte ist chronisch krank.
Jetzt braucht es zwei Handlungsperspektiven. Die eine dient dem gesundheitlichen Schutz von einkommensarmen und sozial benachteiligten Personengruppen. Die andere muss die Verringerung negativer Auswirkungen der Krise auf das untere Einkommensdrittel im Blick haben. Wie die Kosten der Krise verteilt werden, entscheidet über mehr oder weniger Armut im nächsten Jahr. Da müssen wir sozialstaatlich gegensteuern. Denn wo Gefahr ist, wächst das Rettende nicht unbedingt. Der Notenbankchef hat schon von der Wirtschaftskrise «als Reinigung» gesprochen und an des Ökonomen Schumpeters Konzept «schöpferischer Zerstörung» erinnert. Sozial­darwinistische Phantasien und Ideen von der «Reinigung der Gesellschaft von Schwächeren» werden jetzt wiederkommen, der Ausnahmezustand ist ein giftiges Labor für sozial-autoritäre Vorstellungen. Vor diesem Virus braucht es auch Prävention, da ist die Ansteckungsgefahr hoch.
Die soziale Ungleichheit wird in und nach Wirtschaftskrisen in der Regel größer, wie der renommierte britische Sozialwissenschaftler Tony Atkinson anhand von vierzig Wirtschaftskrisen beobachtet hat. Auf die Finanzkrise vor mehr als einem Jahrzehnt haben Länder besser oder schlechter reagiert, Österreich beispielsweise wies in den meisten sozialökonomischen Indikatoren eine wesentlich bessere Performance auf als andere OECD-Länder nach 2008. Die Stärkung monetärer wie dienstleistungsorientierter Angebote stützen und schützen besonders die untere Mittelschicht. Sparpakete und Ausgabenkürzungen im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsektor hingegen belasten tendenziell die unteren Einkommen. Es braucht eine Budgetierung der im Regierungsprogramm vermerkten Punkte, die Armut potenziell bekämpfen. Im Staatsbudget muss die Armutsbekämpfung abgebildet sein. Und wir sollten jetzt alle Maßnahmen nach Wirkung auf die jeweiligen Einkommens­drittel oder Haushaltszehntel der Bevölkerung prüfen. Das wäre eine kleine Sozialverträglichkeitsprüfung.
«Da wir nicht Zeitung verkaufen können, fällt nun dieses Einkommen auch weg», erzählt die Kolporteurin Sonja aus Linz. «Ein Bekannter, der mehr Geld im Monat zur Verfügung hat, leiht uns so viel Geld, damit ich einkaufen gehen kann für die nächsten zwei Wochen. Ich hoffe, es reicht aus.»