Wer war Judith?Artistin

Roman

Es sind die frühen 1950er, in denen Ilse Tielschs Roman Die Früchte der Tränen vorwiegend spielt. Die Erinnerung an den Krieg ist noch frisch, und wieder beunruhigen Nachrichten – Koreakrieg, Wasserstoffbombe und der Beginn des Kalten Krieges. In diesem abschließenden Band einer Trilogie (nach Die Ahnenpyramide und Heimatsuchen) erinnert Anni, die viel mit ihrer Autorin Ilse Tielsch gemeinsam hat, jene Jahre. Anni heiratet, schließt ihr Studium ab, nimmt Arbeit in einer Buchhandlung an, bekommt ein Kind und kann mit ihrer Familie endlich in eine eigene Wohnung ziehen. Kleine Schritte Richtung Stabilität und Wohlstand. «Mir würde das nie genügen», konstatiert Judith, Freundin aus Kindertagen, angesichts des «kleinen Glücks». Gleich zu Beginn des Romans erfahren Anni und somit die Leser_innen, dass Judith tot ist. Wer sie war und wie die Freundschaft abrupt endete, enthüllt Tielsch nach und nach, auch warum Anni gegenüber Judith kein völlig reines Gewissen hat.
Ilse Tielsch erzählt teils biografisch von einer bestimmten Zeitperiode, wie sie von einer Person (Anni) erlebt wird, zeigt den Einfluss von Politik und Zeitgeschehen auf Persönliches, tritt als Autorin aus dem Erzählten heraus, zieht private und öffentliche Quellen (Briefe, Zeitungen, Bücher etc.) heran, um Fakten und Erinnerung in Beziehung zu setzen, lässt offen, was sich nicht (mehr) sicher feststellen lässt. Denn Geschichte(n) geht/gehen auch außerhalb der Buchdeckel weiter.

Ilse Tielsch: Die Früchte der Tränen
Edition Atelier 2020
(Ersterscheinung 1988 bei Styria)
456 Seiten, 25 Euro
E-Book: 20,99 Euro

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