Peter Rosenauer «sitzt», weil Zivilcourage kriminalisiert wird
Der Tierrechtsaktivist Peter Rosenauer wurde bei einer Protestaktion gegen die Firma Kleider Bauer von deren Mitarbeiter_innen ins Innere einer Geschäftsfiliale gezerrt und schwer misshandelt. Vor Gericht mussten sich jedoch nicht die Täter_innen verantworten, sondern der Aktivist, der zurzeit -nach einem Urteil, das er mit guten Gründen ein politisches nennt – eine sieben Monate währende Haft wegen Nötigung absitzt.
Foto: VGT Tirol
Rosenauer, Sprecher der NGO Resistance for Peace, hatte im Dezember 2013 im Zuge einer Aktion gegen das auch in den Pelzhandel involvierte Modeunternehmen, das seit Jahren wegen Tierquälerei und Umweltverschmutzung angeprangert wird, einige Flügeltüren einer Geschäftsfiliale in der Mariahilfer Straße zugekettet. Nach eigenen Angaben wurde er von mehreren Mitarbeiter_innen des Unternehmens in das Geschäft hineingeschleift und von einem mutmaßlichen Security-Mann brutal zu Boden gedrückt.
An den gesundheitlichen Folgeschäden des Angriffs – einer Halswirbelverletzung – leidet Rosenauer nach langem Krankenstand bis heute. Im neuen Jahr entschloss sich der Gefangene zu einem Hungerstreik, den er elf Tage durchhielt – die letzten drei Tage verweigerte er auch die Wassereinnahme. Zurzeit erholt sich Rosenauer von den Folgen dieser Maßnahme.
Für das Gericht stellt sich die Situation so dar, dass Peter Rosenauer beim Zuketten heftig von außen an den Türen gezogen und dabei die Angestellten der Filiale verletzt habe. Sie hätten Prellungen im Gesicht und an den Händen erlitten. Rosenauer habe durch das Zuziehen der Türen zwei Angestellte eingeklemmt und durch Herumfuchteln mit den Armen eine dritte Mitarbeiterin im Gesicht verletzt, ohne auf die Schmerzensschreie der Frauen zu achten.
Während die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung die nach der ersten Instanz noch bedingte in eine unbedingte Strafe umgewandelt sehen wollte, bemühte sich die Verteidigung, Punkt für Punkt die Widersprüche bei den Zeug_innenaussagen herauszuarbeiten. So laufen etwa manche dieser Aussagen darauf hinaus, dass Rosenauer zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten gewesen sein müsste. Doch trotz dieser Widersprüche bestätigte auch die Berufungsinstanz das Urteil und gab zudem dem Antrag einer Verschärfung statt.
Außer Streit steht, dass Peter Rosenauer im Zuge der Protestaktion die Türen der Filiale zum Teil zugekettet hat – vom Gericht wird dies explizit als «Gewalt» ausgelegt. Die tatsächliche massive Gewaltanwendung, mit der Rosenauer von seiner Aktion abgehalten wurde, wird vom Gericht dagegen als rechtmäßig erachtet. Diese Opfer-Täter-Verwechslung hat System: Wenn die Reputation eines großen Unternehmens auf dem Spiel steht, sind Gerichte jederzeit bereit, Zivilcourage oder zivilen Ungehorsam zu kriminalisieren. Während die Verteidigung argumentierte, dass die Angestellten durch andere, noch offene Türen gefahrlos das Gebäude verlassen hätten können und daher keine Nötigung vorliege, meinte das Gericht hingegen, dass man von einer Nötigung sprechen müsse, weil sowohl Angestellte als auch Kund_innen ein Recht hätten, sich nicht einsperren zu lassen.
Aktivist ohne «achtenswerte Beweggründe»?
Rosenauer zufolge sei auf den – vom Gericht nur selektiv verwendeten – Videoaufnahmen deutlich zu erkennen, dass er sich die ganze Zeit über passiv verhalten habe. Dem wird vom Oberlandesgericht aber widersprochen. Für Rosenauer entlastende Beweisanträge wurden abgewiesen und seine Aussagen als «bloße Schutzbehauptungen“» abqualifiziert, während das Gericht der Darstellung der Angestellten vorbehaltlos folgte. Für Peter Rosenauer ist nicht auszuschließen, dass die belastenden Aussagen der Mitarbeiter_innen aus Angst um den eigenen Job zustande kamen; der mutmaßliche Security war schließlich selbst in die Eskalation verwickelt.
Begründet mit der verfassungsrechtlichen Verpflichtung auf den Umwelt- und Tierschutz versuchte die Verteidigung als Milderungsgrund einen «achtenswerten Beweggrund» geltend zu machen. Achtenswert ist für das Oberlandesgericht ein Tatmotiv jedoch nur dann, wenn viele Menschen die Motivation des «Täters» teilen und seine Handlungen wiederholen würden. Für Anwalt Bernd Haberditzl eine höchst problematische Position, denn: «Wenn also ein Einzelner versucht, durch solche Aktionen die Masse aufzurütteln und auf Missstände spektakulär hinzuweisen, ist das für das Gericht kein achtenswerter Beweggrund. Mit einer solchen Einstellung hätte allen Vorkämpfern für grundrechtliche Fortschritte der achtenswerte Beweggrund gefehlt», so Haberditzl.
Rosenauer entlastende Momente wurden bei dem Verfahren ausgeblendet, während belastende – oft aber eklatant sich widersprechende – Zeug_innenaussagen als wahr akzeptiert wurden. Die faktische Gewaltanwendung durch die Kleider-Bauer-Mitarbeiter_innen wurde nicht näher untersucht, während allein die gewaltfreie Aktion von Peter Rosenauer als Nötigung interpretiert wurde. Zusammen mit der Zurückweisung eines «achtenswerten Beweggrundes» und der Ablehnung einer elektronischen Fußfessel ist dies für den Inhaftierten ein eindeutiges Indiz für ein politisches Urteil.
Die Sprecherin der Medienstelle des Wiener Landesgerichtes für Strafsachen weist darauf hin, dass es nicht üblich sei, Urteile inhaltlich zu kommentieren, da die Begründung bereits durch die mündliche Verkündung des Gerichtes erfolgt sei. Bis Redaktionsschluss war die Pressestelle des Oberlandesgerichtes für eine Stellungnahme zu dieser Causa nicht zu erreichen.