«When I was young»vorstadt

Lokalmatador

Eric Spitzer-Marlyn war in seinem Leben öfters ein Fremder. Wovon auch seine Musik erzählt. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto)In the days when I was young – didn’t think about the future – cause we had no yesterday – in the days when I was young. Diese Liedzeilen wollen einem nicht aus dem Kopf gehen, während der Urheber des Songs im Café am Heumarkt über seine Kindheit in Kalifornien und dann in Wien erzählt.

Eric Spitzer-Marlyn wird 1952 in San Diego geboren. Der Musiker und Filmschaffende würde gerne mehr über seine Familie berichten. Aber das geht nicht. «Es war niemand da, den ich hätte fragen können», sagt der Sohn einer jüdischen Schauspielerin, die vor dem Terror der Nazis aus Wien in die USA geflüchtet war. «Der Großteil meiner Familie ging durch den Rauchfang.»

Cause he had no yesterday.

Es dauert eine Zeitlang, bis man das im Kaffeehaus Gesagte in seiner ganzen Dimension richtig einordnen kann: Ja, das Gros seiner Familie wurde von den NS-Schergen ermordet. Auch Wien ist die Hölle, anfangs: Mit fünf kommt der kalifornische Beachboy in die damals friedhofsgraue Stadt seiner Wiener Vorfahren, in einen Gemeindebau am Küniglberg. Mit elf verliert er bei einem schweren Autounfall kurzfristig sein Gedächtnis, mit zwölf seine Mutter.

Didn’t think about the future.

Bald nach dem Tod seiner Mutter will der Vollwaise aus der Hölle ausbrechen. «Zurück nach San Diego», sagt er heute. Sein San Diego liegt zu Beginn der 1960er-Jahre an der Endstation der Südbahn, an einem Strand, in einem Fischerdorf an der Adria. Er will den Mief der Nach-Nazi-Zeit hinter sich lassen. In jener Zeit sind die Mäntel der Wiener Erwachsenen groß, grau und grün, und Hietzinger Schuldirektoren dürfen immer noch völlig ungeniert und gänzlich ungestraft sagen: «In unserer Schule hat ein Jud’ nix verloren.»

Umwege führen den von der Polizei zurück nach Wien Eskortierten zu einer Matura an einer Höheren Technischen Lehranstalt – und als Eric in die österreichische Hitparade: «Das war schon großartig. Ich habe mir meine erste Gitarre und meinen ersten Verstärker selbst gebaut, sehr zum Ärger meiner Lehrer.»

In the days when I was young.

Beim Bundesheer legt ihm ein Vorgesetzter Steine in den Weg, wo immer er kann, um am Ende zuzugeben, dass er dies für einen Freund getan hat. Der Freund war Direktor in jener Schule, in der Eric maturiert hat. «Er hat es offensichtlich nicht verkraftet, dass der Judenbua im Radio gespielt wird und einen größeren Wagen fährt als er.» Groß, grau und grün die Mäntel, braun die Gedanken.

Nach dem Bundesheer folgt der Musiker als Eric Spitzer-Marlyn den Plattenverträgen, die er der Reihe nach unterschreibt: nach München, Amsterdam und London. In der Hitfactory in New York arbeitet er unter anderem für John Lennon, Yoko Ono, Paul Simon. Später schreibt er in Hollywood Filmmusik und sorgt für den guten Ton, unter anderem für den nicht ganz unbekannten Filmregisseur Werner Herzog.

Die Zeiger der Uhr im Café am Heumarkt drehen sich an diesem Nachmittag scheinbar schneller als sonst. Deshalb lassen sich die einzelnen Stationen des Globetrotters nur in Überschriften abhandeln. Einige Kapitel müssen zur Gänze übersprungen werden. Immerhin wollen wir an dieser Stelle ein Wort über John Lennon verlieren: «Ein Vielsprecher und Alleserklärer.» Und ein netteres über Werner Herzog: «Ein Freund, ein liebenswerter Mensch.»

Heute lebt und arbeitet Eric Spitzer-Marlyn mit seiner zweiten Frau, der Sängerin Lisa Stern, in Altenburg bei Horn. In den vergangenen zwölf Jahren hat das Duo als Marlyn & Stern zehn Alben herausgebracht, aufgenommen im eigenen Studio bzw. auf musikalischen Reisen quer durch Europa, rund um die Welt.

In diesen Tagen zieht es den Amerikaner mit österreichischem Reisepass auch wieder öfters nach Wien. Weil er an der Filmakademie unterrichtet. Und weil er mit seiner Band hier noch einmal Fuß fassen möchte.

Warum seine Lieder heute nicht mehr im Radio gespielt werden? Eine berechtigte Frage. Der überzeugte Demokrat sagt dazu unaufgeregt, dass er sich von keiner politischen Partei instrumentalisieren lassen möchte.

Im neuen Jahr fliegt Eric zurück an seine alte Wirkungsstätte, New York. Dort sitzt der 65-Jährige wieder in der Jury für den Grammy Award, der dann zum 50. Mal vergeben wird. Seine Heimat bleibt Österreich: «Hier habe ich meine Wurzeln, hier fühle ich mich zu Hause.» Manches im Land ist für ihn unverständlich, bleibt auch unakzeptabel. Die weit verbreitete Angst vor dem, was man noch nicht kennt, ist ihm gar fremd.

Gerne würde er wieder öfter in Wien Konzerte geben. In Erinnerung an seine Auftritte im «Tunnel» etwa. Doch seine Freund_innen von damals sind nicht mehr dort. Und ein Konzert, bei dem eine Band dem Veranstalter Miete bezahlt, interressiert ihn nicht. Enttäuscht darüber, sagt er, ist er nicht. Er sei Welt-, nicht Wutbürger.

In the days when I was young – I was thinking about of tomorrow as a far and distant monster – but before I really know it – it was done …

Nach drei Stunden im Café am Heumarkt ist bei Weitem nicht alles gesagt. Aber das eine oder andere von Eric Spitzer-Marlyn kann man ja auch auf seinen CDs in Erfahrung bringen. Mehr unter: www.marlyn-stern.com.