FLANERIE abseits der Tourismusrouten (2): Café Falk
I geh am liabstn ins Falk …Wenn Sie Kagranerin oder Kagraner sind, brauchen Sie nicht weiterzulesen: Das Café Falk ist Ihnen ein Begriff. Kommen Sie aber „aus der Stadt“, wie man in Kagran den cisdanubischen Rest von Wien nennt, empfehlen wir Ihnen folgende Annäherung an das „Falk“: Sie nehmen die letzte U 1 zur Endstation Kagran, schlendern die Wagramer Straße stadtauswärts, verbringen die Nacht im Café Falk und nehmen die erste U 1 zurück in die Stadt. Natürlich können Sie ein Buch mitnehmen (Vorschlag: Peter Rühmkorfs Tagebücher Tabu I und Tabu II), der Mikrokosmos des rund um die Uhr und an 365 Tagen des Jahres offenen Kaffeehauses wird Ihre Aufmerksamkeit jedoch unweigerlich immer wieder von der Lektüre ablenken.
Wenn Sie einen Freitag zum Einstiegstag wählen, ist früheres Erscheinen angebracht, denn jeden Freitag gibt’s Livemusik im ersten Stock, dem so genannten Bierstock. Nicht dem Avantgardistischen, nicht dem Folkloristischen, sondern der Mitte wird hier gefrönt: Pop, Rock und Jazz. „Ausgeschlossen sind auch die 1-Mann-1-Computer-Kapellen“, erklärt Gerhard Schiller, der das Bierstöckl seit der Jahrtausendwende programmiert. Schillers eigene Band, Ginger XXL, und Leo & The Rockmonsters aus dem nahen Deutsch-Wagram sind die Haus- und Hofformationen des „Falk“. Die Bude ist dann oft voll, das Publikum ist zwischen 26 und 65 und pro Tänzerin oder Tänzer stehen 20 Quadratzentimeter zur Verfügung. Hin und wieder ist der Programmverantwortliche ratlos. Der Eintritt ist prinzipiell frei, die Getränkepreise sind sensationell tief unterm Birdland-Niveau, und „dennoch scheinen die Kagraner lieber in die City zu fahren, wenn ihnen nach Rock’n’Roll zumute ist.“ Obwohl weithin konkurrenzlos, brauchen Musikveranstalter in Transdanubien die doppelte Anstrengung, wollen sie ihren in die Vorstadt gelockten Stars und Semi-Stars ein bebendes Auditorium – und dem gastgebenden Wirten einen fröhlichen Umsatz – bescheren.
Auch ein paar wirkliche Flops würden die Partnerschaft zwischen Gerhard Schiller und dem Chef Wolfgang Falk nicht trüben. Dass das Klima stimmt, merkten die Gäste, als Ginger XXL während eines Jubiläumsfestes mit dem „Falk Blues“ überraschte:
Donauturm – Kaisermühlen – Zentrum Kagran
Uno City – DZ – ein heller Wahn
Donaustadt is längst nimmer a fades Nest
wannst genau waast, wohin du gehst
Refrain: I geh am liabstn ins Falk
I geh am liabstn ins Falk
weu wia da Wein ohne Alk
so is Kagran ohne Falk
Letztn Sonntag war i mit da Gitti im Sacher
die Stimmung zu beschreibn kost mi an Lacher
i sog zur Gittl: Foa ma wieda ham –
am scheenstn is jo doch in Kagran!
Der Chef des derart besungenen Etablissements steht in der Regel während der Nacht hinter der Schank. Gelegenheit zum Plaudern gibt es selten, denn auch um vier oder fünf Uhr Früh hat Wolfgang Falk noch alle Hände voll zu tun. Wer ihn nach der Geschichte des Hauses fragt, bekommt die Speisekarte in die Hand gedrückt:
In den Jahren 1905 bis 1906 ließ der an der Ecke Wagramer Str./Donaufelder Str. etablierte Kaufmann Büchl neben der Gemischtwarenhandlung ein Wohn- und Geschäftshaus errichten. Die Gemeinde Kagran war damals gerade zu Wien gekommen und wurde in den 21. Bezirk eingegliedert (…) 1922 bis 1928 betrieb Frau Leopoldine Hrdy dieses Café. Von ihr erwarb am 30 April 1928 Fräulein Theresia Steinbacher (1930 verehelichte Falk) das Café und führte diesen Betrieb mit ihrem Mann Hans Falk über alle Kriegs- und Nachkriegswirren bis 1961. Am 1.Jänner 1962 übernahm der Sohn, Ing. Hubert Falk mit seiner Frau Franziska das Café Kagran. Das Lokal wurde mehrmals renoviert und ausgebaut sowie auch ausgezeichnet. Seit 1984 führt Wolfgang Falk den Betrieb. Ihm gelang es durch weitere Renovierung und Erweiterung des Angebotes das Lokal zu jenem Treffpunkt zu machen, der es heute ist. Das Café Falk wird weiterhin die Wiener Kaffeehaustradition hochhalten. Ob im klassischen Kaffeehaus im Erdgeschoß, dem modernst designten Café-Keller oder unserem Bierstock im Obergeschoß – bei uns fühlen Sie sich auf allen 3 Ebenen wohl. 365 Tage im Jahr und zu jeder Uhrzeit.
Ich weiß nicht, ob mir das gefällt, wenn Sie das betonen, dass wir zu jeder Uhrzeit offen haben. Sagt der Boss in einem der seltenen Intermezzi, die einen Wortwechsel über den Schanktisch hinweg zulassen. Die Polizei sei nämlich der Meinung, dass Sperrstunden geeigneter seien, um den Sittenverfall der Stadt aufzuhalten. Die Berichterstatterin protestiert: Gerade die Negation der Sperrstunde mache das Lokal zu einer transdanubischen Besonderheit, verhelfe ihm zur Würde augustinischer Aufmerksamkeit. Es ist inzwischen dreiviertel Vier geworden. Die Berichterstatterin bestellt ein Wiener Schnitzel und steckt ihr Buch in den Rucksack, das sie in dieser Nacht kaum benutzt hat. Warum? Den Rockmonsters, die um 23 Uhr mit den Zugaben begannen, ging erst um 1 Uhr das Repertoire aus. Und dann war es faszinierender, den Austausch der Gäste zu beobachten, als sich ins Buch zu vertiefen. Je später die Stunde, desto weniger „Monokultur“ im Universum des Café Falk. Am Ende der langen Nacht sitzt an jedem Tisch ein anderes Milieu, und Kagran ist nirgendwo mehr Weltstadt als im „Falk“ nach vier Uhr früh …
Café Falk
Wagramer Straße 137
1220 Wien
Tel.: (01) 203 31 25
www.cafefalk.at