Wider den KonsensArtistin

Bibliotick

Ein ungustiöser Titel, den Manfred Wieninger für seinen neuen Roman ausgesucht hat. Die leider wahren Begebenheiten, auf denen Wieningers Text beruhen, sind aber eben ungustiös, um es milde auszudrücken.

Der Aasplatz, vulgo Tiergarten, war eine Gstätten in der südburgenländischen Gemeinde Jennersdorf, auf der jahrzehntelang Schlachtabfälle entsorgt wurden. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs erschossen SS-Männer dort jüdische Zwangsarbeiter. Erst 1957 erstattet Anna Koinegg Anzeige wegen des Massakers, sie klagt ihren ehemaligen Lebensgefährten Theodor Amlinger und weitere SS-Angehörige als Täter an. Fast zehn Jahre später landet der Akt beim Kriminalbeamten Hans Landauer, einem ehemaligen Spanien-Kämpfer und KZ-Häftling, der sich des Falles annimmt und der die mutmaßlichen Täter vor Gericht bringen will. Dass es zu keiner Verurteilung, nicht einmal zu einem Prozess kommt, überrascht nicht. «Besser ein paar Unschuldsvermutungen zu viel, als eine zu wenig. Auf diesen Unschuldsvermutungen und den noch wichtigeren Persilscheinen ruht schließlich die Zweite Republik und mit ihr unsere ganze Gesellschaft», schreibt Wieninger zu Beginn des Romans und charakterisiert so den möglicherweise wesentlichsten Grundkonsens in Politik und Gesellschaft Österreichs nach 1945. Landauer wagt es, gegen diesen allgemeinen, wenngleich inoffiziellen Konsens zu verstoßen und beginnt seine Ermittlungen, sucht Zeug_innen, nimmt zahlreiche Vernehmungen vor, tippt Verhörprotokolle (aus denen umfangreich zitiert wird).

Wieninger zeichnet den mühevollen Weg der Suche nach Gerechtigkeit. Der Autor hält sich dabei so exakt wie möglich an das Quellenmaterial, in der Ausformung der Figuren lässt er ein wenig die Phantasie spielen. Das Einzige, was man dem Text vorwerfen könnte, ist, dass sich Wieninger zwischendurch einer allzu flapsigen Sprache bedient und mitunter etwas schiefe Metaphern verwendet. Aasplatz. Eine Unschuldsvermutung erinnert an fast Vergessenes der österreichischen Geschichte und setzt Menschen wie Anna Koinegg, Hans Landauer und nicht zuletzt den ermordeten Opfern des Faschismus ein Denkmal in literarischer Form.

Manfred Wieninger:

Aasplatz. Eine Unschuldsvermutung

Residenz 2018

272 Seiten, 24 Euro

Buchpräsentation im Dokumentationsarchiv

des Österreichischen Widerstands

am 21. Juni, 18.30 Uhr