Wider die Naturtun & lassen

Illustration: Thomas Kriebaum

Klimazone (Juni 2023)

Österreich könnte eines der wichtigsten EU-Gesetze blockieren. Die Umweltlandesrät:innen stellten sich in Rust vor Kurzem gegen das geplante «Nature Restauration Law». Wenn sie ihre Blockade nicht aufgeben, muss Leonore Gewessler stellvertretend für die Bundesländer – denn Naturschutz ist Landeskompetenz – eine Abschwächung des Gesetzes fordern. Das wäre ­fatal. Aber eines nach dem anderen. Was sieht dieses Gesetz überhaupt vor?
Das «Nature Restoration Law» soll die Grundlage dafür schaffen, kaputte Naturräume in ­Europa wiederherzustellen. Bis 2050 sollen alle degradierten – also geschädigten – Ökosysteme revitalisiert werden. Das Zwischenziel für 2030 gibt 20 Prozent vor. Tatsächlich geht die EU ­damit ein Problem an, dem viel zu wenig Beachtung ­geschenkt wird. In Europa sind bis zu 70 Prozent der Böden geschädigt. Österreich liegt im EU-Vergleich auf vorletzter Stelle, was den Zustand der Arten angeht. Von den Lebensräumen befinden sich mehr als 80 Prozent in keinem guten Zustand.
Dabei sind intakte Ökosysteme Voraussetzung dafür, dass genügend Insekten unsere Pflanzen bestäuben, die Böden den Regen gut aufnehmen können, Pflanzen gegen Schädlingsbefall ­gewappnet sind und wir vor Muren, Hangrutschungen und Waldbränden ­geschützt werden. Sie stellen auch saubere Luft und Wasser zur Verfügung und sind oftmals gute Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise. Vor allem Moore erfüllen dabei eine wichtige Funktion. Obwohl sie nur drei Prozent der weltweiten Landfläche bedecken, ist in Mooren fast zweimal so viel Kohlenstoff gespeichert, wie in allen Wäldern der Erde zusammen. Über mehrere ­Jahrhunderte wurden in Österreich jedoch viele Moore entwässert, um Torf ­abzubauen sowie Land- und Forstwirtschaft zu betreiben.
Das müsste sich ändern, wenn wir dem Artensterben und der Klimakrise entgegenwirken wollen. Deshalb ist der Vorstoß der EU-Kommission so wichtig. Es könnte die Grundlage für das größte Renaturierungsprojekt der ­Geschichte der Menschheit sein. Stellen Sie sich Flüsse vor, die statt in ihren Betonbetten mäandernd dahinfließen, Brutstätten für Fische und ­Erholungsraum für uns bieten und besser mit Hochwassern umgehen können. Artenreiche Wälder, in denen es pfeift, zirpt und trällert und die ­unsere Städte natürlich kühlen. Moore, die uns helfen CO2 aus der Luft zu entfernen und seltenen Tier- und Pflanzenarten eine Heimat geben. Das alles und noch viel mehr könnten wir mit diesem Gesetz gewinnen.
Doch auf verschiedenen Ebenen wird blockiert. Die Europäische Volkspartei, zu der auch die ÖVP gehört, wittert zu viel Bürokratie und gibt vor, die Ernährungssicherheit und den Ausbau der Erneuerbaren seien gefährdet. Dabei ist die Landwirtschaft ­unmittelbar auf gesunde Böden, Bestäuber und einen intakten Wasserhaushalt angewiesen. Ein bisschen scheinheilig ist es auch, dass sich die Konservativen Sorgen um erneuerbare ­Energien machen, die sie selbst jahrzehntelang verhindert haben. Die Umweltlandesrät:innen –  mehrheitlich von der SPÖ – stehen in Österreich jetzt ebenfalls auf der Bremse. Bleibt das so, ist es nicht nur die Natur, die viel zu verlieren hat.