Das Menschenrechts-Filmfestival «this human world» wird zehn!
Aktuelle Brennpunktthemen, prekäre Arbeitsrealitäten, sexuelle Selbstbestimmung sind ein paar der Schwerpunkte des heurigen Filmfestivals this human world. Jenny Legenstein (Interview) und Carolina Frank (Foto) trafen Djamila Grandits, die seit 2016 gemeinsam mit Julia Sternthal das Festival leitet.
this human world (thw) findet zum zehnten Mal statt und wird heuer das zweite Mal von dir und Julia Sternthal geleitet. Was ist euer besonderes Anliegen beim Gestalten des Festivals?
Djamila Grandits: Uns war es ganz wichtig, ein gutes Gleichgewicht hinzukriegen. Einerseits unterschiedliche, qualitativ hochwertige, spannende Beiträge, auch neue künstlerische Zugänge und Formen, sich mit politischen, gesellschaftspolitischen, widerständigen Themen – Menschenrechten im weitesten Sinne – auseinanderzusetzen, andererseits momentane Brennpunktthemen gut repräsentiert zu haben. Wir möchten Menschen, die sich künstlerisch diesen Themen nähern, eine Plattform bieten, mit ihnen in Dialog treten und gleichzeitig an anderen Stellen Diskussionsräume für politische Inhalte aufmachen, etwa in Form von Podiumsdiskussionen, Workshops etc. Unser größter Anspruch war, ein gutes kompaktes Paket zu finden, das das alles beinhaltet, obwohl es natürlich unmöglich ist, die gesamte Bandbreite abzudecken.
Das Thema Menschenrechte ist ja kein lustiges Thema von vornherein. Es gibt gegenüber Veranstaltungen wie thw den Vorwurf oder eigentlich das Vorurteil, es sei nur ernst und traurig, sogar deprimierend.
Ich halte es für eine einseitige Sicht, dass der Umgang und die Auseinandersetzung damit per se etwas Deprimierendes sein muss. Es gibt ganz tragische Geschichten, die wahnsinnig lustvoll erzählt werden. Humor ist oft eine Strategie der Bewältigung von Situationen. Gewisse Informationen werden durch Humor sozusagen verdaubar für ein Publikum. Ich glaube, es ist sehr wichtig, auch leichtere Zugänge zu schaffen, sei es über wirklich witzige Geschichten oder den lustvollen Umgang mit der Schaulust im Kino. Es ist ja doch ein Festival, und es gibt Feiern und Feste. Es gibt Workshops, die sich mit Problematiken und Herausforderungen auseinandersetzen und die auch zu einer Form von Aktivismus oder Weiterdenken oder eine Integration der Themen in die jeweiligen Leben der Teilnehmenden führen soll.
Wie geht es euch eigentlich mit der Finanzierung? In diesem Jahr hatten ja einige Festivals Probleme, auch weil die Födervorgaben teilweise geändert wurden.
Es ist prinzipiell so, dass wir wie andere Festivals in dieser Größenordnung auch von Fördergeber_innen, unter anderem der Stadt Wien und dem BKA, Förderungen erhalten. Das Budget stellt sich aus vielen kleinen Teilen zusammen, aber das Ganze ist irrsinnig prekär aufgestellt. Wir sind auch sehr abhängig von Kooperationen. Wir freuen uns sehr über Programmpartnerschaften und -patenschaften von NGOs und Institutionen.
Wir sind auch ganz stark abhängig von Volontär_innen und Praktikant_innen, die uns tatkräftig unterstützen und viel Idealismus an den Tag legen. Es ist nach wie vor so, dass es das Bestreben gibt, als viele Filmfestivals gemeinsam eine Veränderung dieser Arbeitsbedingungen zu erreichen (Forum österreichischer Filmfestivals. Anm.). Weil es wichtig ist, dass die Filme, die produziert werden, auch irgendwo zu sehen sind. Der reguläre Kinobetrieb wird kleiner, und es gibt auch eine Tendenz zu gezielten konzentrierten Veranstaltungen. Das ist auch, was wir tun und was uns Spaß macht, aber das muss auch irgendwann unter anderen Umständen möglich sein.
thw greift auch aktuelle Brennpunktthemen auf, diesmal ist das u. a. die Türkei, die ja dauernd in den Medien vorkommt, wobei aber meistens nur Präsident Erdoğan zu sehen ist.
Der Türkei-Schwerpunkt ist Teil der Reihe «cinema and human rights», die vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte mitgestaltet wird. Dabei war es ein Anliegen, nicht nur die Ereignisse der letzten eineinhalb Jahre anzusprechen und zu zeigen; angefangen mit den Gentrifizierungsgeschichten in Istanbul noch zu Zeiten, als Erdoğan Bürgermeister war, bis hin zu den Gezi-Park-Protesten, die Entwicklungen der letzten Jahre nachvollziehbar zu machen und diese als Diskussionsgrundlage zu nehmen.
Ein weiterer Programm-Schwerpunkt ist Sexualität («my body my rules») bei dem etwa «Living and Other Fictions» von Jo Sol zu sehen ist. In dieser spanischen Doku geht es um ein Tabuthema, nämlich die Sexualität bzw. das Recht auf Sexualität von Menschen mit Behinderung.
Es war uns ein Anliegen, verschiedene Aspekte von Sexualität und tabuisierte Themen einerseits anzusprechen und andererseits auch dem Thema Recht auf Selbstbestimmung in der Sexualität einfach einen großen Raum zu geben, sowohl aus einer queer-feministischen Perspektive als auch, wie eben in «Living and Other Fictions», aus einer Perspektive von Menschen mit Behinderungen. Das Thema Sexual Assistance steht ja noch ganz in den Anfängen, in Spanien vielleicht fast noch mehr als bei uns. Es ist wichtig, dass ein Diskurs darüber stattfinden kann.
Der Thematik Arbeit ist im Rahmen von thw seit mehreren Jahren ein Schwerpunkt gewidmet.
Seit dem Vorjahr heißt er «working realities». Es geht um klassische und um die Vielfalt in den Arbeitsrealitäten. Wir zeigen acht Filme zum Thema, darunter zwei zum Thema Sexarbeit, die wir ganz bewusst unter den Arbeitsschwerpunkt und nicht unter dem Schwerpunkt Sexualität haben wollten, um da auch noch einmal ein Statement zu setzen – dass es da ganz konkret um prekäres Arbeiten und um Absicherungsverhältnisse geht. Dann gibt es noch etwas zu «the future of work» – wie sich durch Automatisierung Arbeitsverhältnisse verändern. Auch hier ist es uns ein Anliegen, die Diskussion aufzumachen, was durch diese veränderten Strukturen vielleicht an neuen Strategien notwendig ist, damit Menschen irgendwann gute Arbeitsverhältnisse haben.
Der AUGUSTIN verlost Tickets für folgende Filme:
• Mabacher – #unbroken
von Stefan Wollner, Doku, AT 2017
Ein Porträt auf Augenhöhe: Martin Mabacher ist Rollstuhlfahrer,
er betreibt seinen eigenen YouTube-Kanal. Selbstironisch
erforscht er dort zum Beispiel, wie zugänglich Wien
tatsächlich für mobilitätseingeschränkte Personen ist.
In Anwesenheit des Filmemachers
3. Dezember, 17.45 Uhr, Top Kino
• I’m Not Afraid
von Fadi Hindash, Doku, I/NL 2016
Ein intimes und bewegendes Porträt, das sich dem polarisierenden
Diskurs um aktive Sterbehilfe und Suizidbegleitung
annimmt.
6. Dezember, 19 Uhr, Top Kino
• Sand und Blut (Sand and Blood)
von Matthias Krepp, Angelika Spangel, Doku, AT 2017
Augenzeug_innen der Kriege im Irak und in Syrien, die
nun als Geflohene in Österreich leben, sprechen über den
Schrecken und das Blutvergießen in ihrer Heimat. Die Stimmen
kommen nur aus dem Off, die Bilder liefern Montagen
von Amateurvideos von diversen Onlineplattformen.
In Anwesenheit von Matthias Krepp und Angelika Spangel
7. Dezember, 20.15 Uhr, Filmcasino
Schicken Sie bis 29. November eine E-Mail mit Kennwort
«Human Rights» an verein@augustin.or.at (bitte auch
Wunschfilm angeben)!
30. November bis 10. Dezember
www.thishumanworld.at