Wie die Mutter Gottes, nur besser!Artistin

Musikarbeiter unterwegs … empowered, sex-positiv, mit Haube!

Seit 5 Jahren aktiv, veröffentlichen die vier Frauen von Schapka ihr Albumdebüt. 

Feministische Energieschübe von unmittelbarer Wirkung. Von Rainer Krispel (Text) und Mario Lang (Foto).

Als wäre der Ausgang der Nationalratswahl nicht genug, verbreitet sich kurz nach der Manifestation des fast kollektiven Hirnwegschmeißens die Nachricht vom Tod eines wertgeschätzten Musikers. Edi Ehn Jr., Wiener Indie-/Rock-Urgestein, Betreiber des legendären Labels Gash Records und eines ebensolchen Friseur-Salons, nicht aus der Ruhe zu bringender Bassist – oft mit Tschik on stage – bei Shaken Not Stirred und The Nose, liebenswürdiger Mensch und Freund, ist nicht mehr. Traurig ist gar kein Ausdruck. Vor knapp einer Woche schien die Welt dabei noch so sehr in Ordnung, wie diese Welt es nur sein kann. Das Jammertal lichtdurchflutet, die beste Musik als Soundtrack. Noch Pushedover (Hangover ist ein Reaktionär!) vom vornächtlichen 30-Jahre-Nachtasyl-Gelage, mit tollen Konzerten von Petra und der Wolf, Heiland & Stringoi und Harry Wetterstein, ein Treffen mit Schapka, alternative Schreibweise Шапка (als «wanker» zu lesen, Kudern ist ok!), einer vierköpfigen 2013 gegründeten Frauenband, die sich «in echt» als wenigstens ebenso lebendig, inspiriert und inspirierend erweist wie ihre Musik. «Goa, Goa, LSD, ich beiß’ mir in den großen Zeh!», wie sie in «Fahrschule Ekstase» singen. Das wird mensch doch noch singen dürfen!

Der Wettbewerb hat verloren.

Wie unlängst bei Aivery hier, taucht in der Schapka-Geschichte das Girls Rock Camp als Ausgangspunkt auf. Marie Lehner, Lili Kaufmann und Laura Gstättner beginnen 2013 mit einer vierten Frau dort gemeinsam Musik zu machen, nach fünf Tagen spielen sie ihr erstes Konzert. Dora Lea de Goederen steigt «vor 2 1/2 , nein, fast 3 Jahren», ein, übernimmt den Bass. Wobei der instrumentale Rollentausch bei Schapka 2017 grundsätzlich möglich ist. In der Praxis von Proben, Auftritten und Aufnahmen hat sich undogmatisch dieses Line-up eingespielt – Laura singt und spielt Tasten, Marie ist an der Gitarre, Lili an den Drums und Dora eben am Bass. Den Namen haben Schapka im Zusammenhang mit Pussy Riot gewählt, Шапка bedeutet «Haube». Wir alle wissen seit der hierzulande gesetzlich verankerten Gesichtszeigepflicht um das kontroverse Potenzial eines solchen Kleidungsstücks. Schapka deklarieren sich im Gespräch als «politische Band», erzählen einen Bandalltag, der viel mit gelebtem «Empowerment» zu tun hat, mit Nähe und umfassendem freundschaftlichem Austausch der Protagonistinnen. Wo das Private und das Politische wie von selbst zusammengehen. Es ist gerade Wahl, also redet mensch über Parteien und Parteipolitik. Gespräche und Diskussionen geben der Musik ihre Basis und eine überbordende, freie Kraft, die mit Begriffen wie «Punk» oder «Freejazz» Ringelspiel fährt. Nicht zuletzt haben Schapka bei all dem einen Heidenspaß, genießen es, an der Band zu arbeiten, auf der Bühne zu stehen. Dieser Spaß teilt sich dem Vernehmen nach bei ihren Konzerten mit. Schon visioniert der Musikarbeiter Performances an der Grenze zum Happening, eine Antithese zum oft lähmenden Bierernst sonstiger monothematischer musikalischer Darbietungen. Und einmal mehr stellt sich die Frage, was Bandwettbewerbe je hervorgebracht haben außer Musikfunktionär_innen.

Squirten und Vaginalsekret.

Die Unbekümmertheit und Energie, die musikalisch die 10 Lieder des beim feministischen Label Unrecords erscheinenden Album-Debüts von Schapka auszeichnen, die großteils bei und mit Chris Janka aufgenommen wurden, schaffen eine solide, aber (hyper-)bewegliche Basis, sich inhaltlich über «Tabus» drüberzutrauen. Das erste Lied heißt «Squirten», und vor dem abschließenden «How it is to make music as a woman» haben wir noch Lieder wie «Vibratorinnen» oder «Straßenstrich» gehört. Marie spricht von einer dritten feministischen Welle, die – verkürzt – meint: «Ich sexualisiere mich – wenn ich das will – selbst.» Selbstbewusst eigene Lust leben, den eigenen Körper als Subjekt zu thematisieren, als Frau – Selbstermächtigung. Schon reden wir von anderen körperlichen Hervorbringungen – sagen Sie sich einmal 10 Mal das Wort «Ausfluss» auf – und streifen durch die Arbeitswelten von Lehre (Laura) und Uni (Lili), samt Begegnungen mit immer noch definitionsmächtigen Männern, oder singen liebevoll das kritische Hohelied der eigenen Blase. Es scheint Schapka gegeben, vom Hundertsten ins Tausendste und wieder zurück zu kommen, ohne sich zu verlieren oder beliebig zu werden, «Durchnachtet und überlebt» ist noch eines ihrer schönen, gescheiten Lieder. Weil sie tatsächlich etwas zu sagen haben, kommt «Wir sind Propaganda» mit einem eigenen Fanzine, in dem die Lyrics künstlerisch und inhaltlich ausführlich aufbereitet werden. Nicht nur weil der Winter kommt – Schapka braucht der Haushalt!

 

Schapka: «Wir sind Propaganda!» (Unrecords)

Live: Sa, 28. Oktober, EKH (mit MC Soulcat E-Phife, Denice Bourbon, Marlo und First Fatal Kiss)

www.facebook.com/schapkaband