Wie ich mich mit dem Netzbusiness beschäftigteDichter Innenteil

Ich suchte damals einen Job, da mein Einkommen als freischaffende Übersetzerin und Journalistin viel zu klein war. Ich las die Kleinanzeigen in den Zeitungen unter der Rubrik «Wird gesucht …»

Grafik: Karl Berger

Ein Koch, ein Tischler, eine Verkäuferin fürs Lebensmittelgeschäft … Portier in einem Hotel! Das wäre schon besser. Die Bedingungen? Mindestens vier Sprachen, gepflegtes Aussehen, nicht älter als 35. Gehalt? 700 Euro! Für eine 40-Stunden-Woche? Tja … Sekretärin für eine Firma. Einen dynamischen Charakter, Planungstalent, nicht weniger als drei Sprachen in Wort und Schrift, sehr gutes Bildungsniveau, und wieder nicht älter als 35, gepflegt und hübsch wie Claudia Schiffer … So … Psychologe mit Hochschulbildung, Alter und Äußeres nicht wichtig, dafür aber Gebärdensprache. Gehalt – Eintausend brutto! Meine Rechnungen für die Miete und Weiteres übersteigen tausend Euro monatlich!

Dann auf der Straße. Ein junger Mann drückt mir einen Zettel in die Hand: «Arbeiten von zuhause. Gutes Einkommen. Rufen Sie uns an!» Ich rufe an. Die muntere Stimme im Hörer: «Es ist unmöglich, alles telefonisch zu erklären. Kommen Sie bitte zu unserem Informationsabend!» «Sagen Sie wenigstens, worum es geht!» «Es betrifft Gesundheit und gutes Befinden!» Okay! Gesundheit muss man haben!

Schneidige Musik

Der halbdunkle Saal war voll. Nichtsdestoweniger herrschte darin völlige Stille. Das Publikum war gespannt und schien etwas schüchtern. Plötzlich kam grelles Licht und es donnerte schneidige Musik. Auf das Podium sprang ein junger Mann mit einem Hollywoodlächeln auf seinem Gesicht, er bewegte sich im Laufschritt, und sofort begann er mit der munteren Stimme eines Showmannes sein schönes Leben in eigener Villa am Meeresufer zu beschreiben.

«Das alles können Sie auch haben, wenn Sie mit uns arbeiten werden!»

Sofort lief auf das Podium eine Dame mittleren Alters. Sie wiederholte fast wortwörtlich den gleichen Text wie ihr Vorgänger. Dann liefen ihr springend bei der Musik noch einige Personen nach. «Schauen Sie bitte, wie wunderbar, schön und gesund wir alle aussehen! Und alles das dank unseren ungewöhnlichen Produkten! Sie werden nicht glauben, früher wog jeder von uns nicht weniger als hundert Kilo! Und jetzt! Wenn Sie wollen, können Sie auch so schön und gesund wie wir werden. Und Sie werden nicht weniger als wir verdienen. Jeder von euch wird in einer eigenen Villa leben!»

Dann kommt ein Mann zu Wort: «Ich verdiene in den schlechtesten Monaten nicht weniger als fünftausend Euro! Bewerben Sie sich für unser Produkt!»

Die Dame: «Um in unsere Gesellschaft einzutreten und zu beginnen, das große Geld zu verdienen, sollen Sie dieses wunderbare Startpaket für 200 Euro erwerben. Damit können Sie Ihre Freunde und Ihre Bekannten glücklich machen!»

Die Musik wurde lauter und es wurde wieder freudig getanzt und gesprungen, und alles das mit dem breiten Hollywoodlächeln!

«Kommen Sie heran, schreiben Sie sich ein!»

Das Publikum bewegte sich jedoch nicht. Ich wandte mich um und schaute in den Saal. Die Gesichter der Menschen im Publikum waren gar nicht freudig, ganz in Gegenteil, es sah danach aus, als ob entweder alle diese Menschen einen Kater hätten oder sie vom schweren Leben und langer Arbeitslosigkeit einfach apathisch geworden wären. Dann kamen die scheuen Stimmen.

«Wenn dieses Produkt so bemerkenswert ist, warum verkaufen Sie es nicht durch die Apotheken oder Supermärkte?»

«Würden Sie so etwas in einem Supermarkt kaufen?»

«Ich werde das auch bei Ihnen nicht kaufen!»

«Haben Sie wirklich selber diese Kuhpisse getrunken?»

«Meinen Sie, sehe ich nicht überzeugend genug aus? Was hat Sie in meiner Aktion hellhörig gemacht?»

«Nichts! Ich wollte nur wissen …»

«Und wenn ich bei Ihnen nichts kaufe, kann ich trotzdem mit Ihnen arbeiten?»

«Nein! Zuerst muss man kaufen.»

«Ich brauche aber einen Job, ich will das Geld verdienen, nicht ausgeben. Investieren kann ich auch in die Lotterie oder in die Aktien Ihrer Firma.»

«Wunderbar! Dies wäre auch eine bemerkenswerte Kapitalanlage. Dazu aber kommen Sie erst dann, wenn Sie unser Produkt verkaufen.»

«Das werde ich sicher nicht. Ich hatte auch nicht vor, etwas zu kaufen. Verkaufen auch nichts, außer meinen Diensten.»

Sogar ein Affe

Noch eine Anzeige. Eine Computersoftwarefirma bietet private Webseiten im Internet an. Informationsabend im Hotel Hilton. Vielleicht wäre es etwas für mich? Und wirklich, es wurde behauptet, dass dieses neue Programm so einfach wäre, dass sogar ein Affe damit eine Webseite machen kann! Man bekommt ein Handbuch mit Zeichnungen, dann drückt man nur die Knöpfe, und voilà, fertig! Vielleicht sollte ich wirklich probieren? Aber dann kommt:

«Für den Anfang müssen Sie die Lizenz kaufen!»

«Der Preis?»

«Achttausend Euro.»

So … Die Kunden sind selber zu suchen. Ihnen zuzureden, dass sie ohne Webseite nicht weiterleben können, und das auf dem Markt, der von solchen Vorschlägen überfüllt ist! Achttausend … Wie viele Kunden muss man finden, um dieses Geld wenigstens mühsam in Raten zurückzuholen? Da ich kein Verkäufertalent habe … Ich versuche zu kalkulieren. Nicht später als in zwei Jahren kommt eine neue Version, die die alte ablösen wird, und sie werde ich erneut kaufen müssen, da das Programm über den Provider von dieser Firma funktioniert. Also, der einzige Gewinner in diesem Spiel wäre der Lizenzverkäufer.

Redakteur!

Dann sah ich eine Anzeige, die für mich wie maßgeschneidert zu sein schien! Es wird ein Redakteur für Interviews gesucht. Die Bedingungen: Führerschein, einen eigenen Wagen, angenehmes Äußeres, bla, bla. Kann man versuchen. Redakteur! Aber sicher wird so eine Stelle bereits vergeben sein. Nicht vergeben? Darf ich kommen?

Es ging um eine Enzyklopädie über Erfolg und Karriere. Die Schulung dauert fünf Tage und findet nicht in Wien statt. Das Benzin, die Verpflegung auf eigene Kosten.

Die Enzyklopädie, das waren so ungefähr zwölf Zentimeter dicke Bände, kaum in der Hand zu halten. Da drinnen sah ich Artikel über Vranitzky, Klestil, und andere berühmte Persönlichkeiten – Politiker, Schriftsteller, Schauspieler … Also – der Coach sagte: «Nicht erfasst von uns bleiben die kleinen Unternehmer sowie Ärzte, Lehrer und andere nicht sehr berühmte Leute. Sie sollen auch interviewt werden. Vereinbarungen für ein Interview machen unsere Telefonisten, ihr bekommt dann die Termine und die Adressen. Ein Interview dauert ganz genau eine Stunde.»

«Zusammen mit dem Weg?»

«Regen Sie sich bitte nicht auf, Sie werden sehen, dass alles nicht so kompliziert ist. Wir haben eine durchgearbeitete Methode. Für den Artikel in der Enzyklopädie zahlt der Interviewte nichts. Es sei denn, er wünscht auch ein Foto. Ihr bekommt Prozente vom Verkauf des Buches. Der Preis für ein Exemplar – 350 Euro. Ihre Aufgabe, die interviewte Person zu überzeugen, dass sie das Buch erwerben muss. Schaut, wie schön es ist! Ein Ledereinband, der goldene Schnitt, 14 Karat Gold. Aus euren Prozenten zahlt ihr dann an die Telefonisten und an die Schreibkraft für die Abschrift deren Anteil. Während des Interviews bitte keine Kreativität, legen Sie nur die Fragebogen auf den Tisch. Debatten sind zu vermeiden! Keinesfalls Pausen zulassen. Sofort gehen, nachdem der Verkauf abgeschlossen ist. Ihr müsst die Situation unter Kontrolle halten.»

«Also, dann bin ich doch kein Redakteur, sondern ein Verkäufer!»

«Ihr könnt es auch so sehen. Hauptsache – das Ergebnis! Unsere besten Arbeiter verdienen bis zu viertausend Euro im Monat. Und jetzt unterschreiben wir den Vertrag!»

Das sind sechs Seiten in Kleinschrift. Die Firma stützt sich in Luxemburg. Im Falle der Unterbrechung des Vertrags … u. s. w.

«Okay, Leute! Wir haben jetzt keine Zeit, um alles das zu lesen, gestern habe ich euch alles erklärt, schneller unterschreiben, dann bekommt ihr die Visitenkarten. Seid ihr fertig? Und jetzt – zur Arbeit! Habt ihr Diktiergeräte, Bänder und Batterien bereits gekauft?»

Ich hätte erzählen können, wie ich mein einziges Interview durchgeführt habe, wenn es mir nicht qualvoll peinlich wäre. Die Dame, die ich überreden sollte, das Buch zu bestellen, und ich, wir beide fühlten uns furchtbar verlegen. Ich konnte mir selbst nicht verzeihen, dass ich so kleinmütig zugelassen habe, mich von diesem Job verführen zu lassen. Sofort fuhr ich zur Firma, um den Vertrag zu lösen. Es ging schnell und fast kostenlos. Man hat gesehen, dass ich für einen Job sowieso nicht tauge.