Lokalmatadorin
Ciara Burns ist über den Atlantik gerudert, hat aber auch Respekt vor der Alten Donau.
Gehen geht wieder, langsam laufen auch. Ciara Burns kann wieder ihre länger vernachlässigten Waden belasten. Bei unserem Treffen an der Alten Donau berichtet sie, dass sie kurz zuvor 42 Tage, zwei Stunden und dreißig Minuten in einem Ruderboot zugebracht hat.
So lange benötigte die Studentin der Technischen Universität Wien und Teilzeitkraft beim Billa, um etwas nur schwer Vorstellbares zu schaffen: Mit elf anderen Wagemutigen ruderte sie 5.121 Kilometer über den Atlantik, von der Marina Amarilla auf der Insel Teneriffa bis Falmouth Harbour auf der Insel Antigua.
Schichtbetrieb
«Meine Waden», sagt die junge Frau auf dem Weg von der U-Bahn-Station zum erstbesten Holzsteg, «haben im Boot sehr gelitten.» Bei maximal 16 Schritten pro Tag nicht weiter verwunderlich.
Dafür könnte sie heute wohl im Handstand mehrere Kilometer weit gehen. Dazu passend noch zwei Zahlen von ihrer Fahrt über den Ozean: «Im Schnitt sind wir 5,1 Kilometer pro Stunde gerudert. Wenn wir auf einer Welle surfen konnten, kamen wir sogar auf über 20 km/h.»
Die Aufgaben an Bord waren für alle gleich verteilt: Sechs rudern, sechs ruhen. Schichtwechsel alle drei Stunden, bei Tag wie bei Nacht.
Es war genau diese Einfachheit des Lebens, die Ciara Burns genossen hat: «42 Tage keine E-Mail, das war Freiheit. Das Einzige, was dich da interessiert, ist der Moment. Und vielleicht noch die nächsten drei Stunden.»
Die ganze Zeit kein Land in Sicht: «Angst hatte ich nicht, Respekt schon», sagt die 26-Jährige, die sich einen Kindheitstraum erfüllt hat und als erste Österreicherin über den Atlantik gerudert ist. «Für mich war nie etwas gefährlich per se.»
Sie hatte großes Vertrauen in die Crew (durch die Bank meeraffine Brit_innen, wie ihr Vater) und in das Boot (stromlinienförmig, Hightech).
Rolls Royce
Dennoch galt es, die Herausforderungen anzunehmen: «Alle hatten wir irgendwann Halluzinationen.» Ciara Burns erinnert sich: «Plötzlich bleibt rechts neben mir ein Rolls Royce stehen, ein Chauffeur in schöner Uniform steigt aus dem Wagen und öffnet mir die Tür.» Ein wenig sei sie nach rechts Richtung Wasser gekippt, um dabei wieder zu sich zu kommen. «Im ersten Moment war ich völlig desorientiert.»
Ein anderes Mal sah sie die vertrauten Häuser auf ihrem Weg mit dem Rad zur Arbeit an ihr vorbeifliegen. Wieder ein anderes Mal verwandelte sich das Meer in ein großes Oberflächennetz, wie sie es von ihrem Studium her kennt.
Alle im Boot hätten mehr mit ihrem Kopf als mit ihrem Körper zu kämpfen gehabt: «Bei mir war es knapp vor der Hälfte. Du ruderst und ruderst und merkst, wie groß der Ozean wirklich ist.» Hart war auch die siebentägige Flaute kurz vor dem Ziel: «Du ruderst und ruderst und meinst, dass Antigua von dir wegdriftet.»
Die unzähligen schönen Momente auf dem Meer wogen das alles auf. Wenn Ciara Burns davon erzählt, könnte man ihr studenlang einfach nur zuhören. Hier der Versuch einer Komprimierung:
«Eindrucksvoll waren für mich die Nachtschichten. Ich habe noch nie so viele Sterne am Himmel leuchten gesehen. Der Himmel hat gefunkelt, und in jeder Welle sah ich einen durch Mini-Lebewesen angeregten, grün lumineszierenden Teppich. Das war wie in einem Feenland.»
«Wenn es ganz windstill war, machten wir die Musik aus, holten die Ruder aus dem
Wasser. Und dann hörst du maximal ein leises Rauschen im Ohr.»
«Besonders war auch unsere Begegnung mit zehn oder zwölf Grindwalen, jeder größer als
unser Boot. Die waren genauso neugierig wie wir. Einer ist einen Meter vor mir aufgetaucht, und wir konnten uns eine gefühlte Ewigkeit lang in die Augen schauen.»
Ciara Burns blickt auf die Untere Alte Donau, Rudernde ziehen in synchronen Bewegungen vorbei, dann schickt sie nach: «Mein Ziel war es, den Atlantik zu überqueren, aber das muss nicht sein. Ich habe auch Respekt, wenn sich jemand überwindet und hier auf der Alten Donau zu
rudern beginnt.»
Apfelstrudel
Viel hat sie der Ozean gelehrt, vor allem Zufriedenheit: «Gegen Ende ist uns die Schokolade ausgegangen. Da freust du dich schon drei Schichten zuvor auf ein Stück, und sein Genuss wirkt lange nach.» Bis heute: «Mir ist jetzt klar, in welchem Überfluss ich zu Hause leben darf.»
Am Ende landeten sie im Paradies: «Unsere Familien kamen uns mit Booten entgegen. Das Meer war jetzt türkis. Meine Eltern hatten eine Kuhglocke dabei und einen Apfelstrudel mit Vanilleeis.»
Langsam hört nun der Boden zu schwimmen auf. Probleme hat Ciara Burns noch mit dem Beantworten von E-Mails. Und mit der Ungeduld der Leute an der Supermarkt-Kassa.