In der "Wirtschaftskrise" ist männliche Existenzsicherung wichtiger
Die gläserne Decke, die Frauen auf der Jobsuche zu durchbrechen haben, liege inzwischen schon so niedrig, dass sie existenzgefährdend ist, meint Barbara Pickl, Unternehmenskontakterin des mittlerweile eingestellten sozialökonomischen Betriebes abz* office service, im Augustin-Gespräch. In neun Jahren gelang es Pickl und ihren Kolleginnen, Hunderte existenzsichernde Jobs für langzeitarbeitslose Frauen zu finden.Frauen sind von der Wirtschaftskrise anders betroffen als Männer. Aber ist ein reines Frauen-Projekt in der heutigen Zeit nicht anachronistisch?
Das AMS gibt viel Geld für Frauenförderung aus und es ist gerade durch EU- und Gleichbehandlungsrichtlinien rechtlich sehr viel vorgegeben, im Sinne, dass Frauen einen höheren Unterstützungsbedarf haben, um einen existenzsichernden Job zu ergattern. Aber jetzt mit dieser Wirtschaftskrise spießt es sich auf einer anderen Ebene. Es gibt zwar den Frauenfördertopf und engagierte Politikerinnen, die bleiben dann aber in den Niederungen des Alltags hängen. Bei einigen Firmen und Förderern kommt gerade jetzt der Gedanke auf, dass Frauenförderung etwas Elitäres sei. Wenn es mit der großen Katastrophe eh allen schlecht geht, dann brauchen wir jetzt nicht noch extra zu schauen, dass Frauen einen guten Job kriegen. Im Bereich der schlecht qualifizierten Frauen oder für solche mit von Phasen der Arbeitslosigkeit unterbrochenem Lebenslauf erreichten wir in den letzten 30 Jahren keine Verbesserung, und momentan gibt es viel spannendere Themen Gerade kommen Kurzarbeitsförderungen für Männer, und die schlecht qualifizierten Männer drängen auf den Arbeitsmarkt und das ist für viele wichtiger und spannender. Frauen und besonders Migrantinnen sind einfach nie das brisante Thema, und unser Anspruch wird im Hinterkopf vieler Unternehmer zum Nebenwiderspruch, zu einem Hobby oder eben elitär. Es hat schon etwas Lächerliches, wenn behauptet wird, Frauen versuchen, die gläserne Decke zu durchstoßen, denn ich weiß aus Erfahrung, dass diese gläserne Decke mittlerweile so niedrig liegt, dass sie für Frauen existenzgefährdend ist. Wenn es bei Männern darum geht, dass sie in Teilzeit arbeiten müssen, weil es sich arbeitsplatzmäßig nicht mehr ausgeht, dann macht man sich Gedanken über Weiterbildung in dieser Zeit und zusätzliche finanzielle Unterstützung, weil man von dem Gehalt nicht leben kann. Aber dass Frauen schon immer in diese schlecht bezahlten Teilzeit-Jobs gedrängt wurden, das verschwindet in den Hintergrund. Insofern ist ein reines Frauenprojekt anachronistisch. Schade.
Was brachte dir die Arbeit persönlich als Feministin?
Ich arbeitete neun Jahre als Unternehmenskontakterin. Wir boten Firmen Bürodienstleistungen an, und über Urlaubs- oder Karenzvertretungen sind ganz viele Frauen in den Job gekommen. Mich faszinierte, dass Frauen Jobs in Firmen finden können, bei denen es für beide Seiten passt. Einerseits Firmen zu finden, die die Toleranz und die Offenheit haben, zu sagen: Ich stelle eine Frau an, die zehn Jahre aus dem Arbeitsmarkt draußen ist, und probiere es mit ihr. Auf der anderen Seite fand ich es immer spannend, für Frauen Jobs zu finden, in denen sie es längerfristig aushalten und von denen sie leben können! Gerade Frauen und besonders viele schlecht qualifizierte landen oft in Working-Poor-Arbeitsverhältnissen. Das konnten wir immer vermeiden. Im letzten Jahr waren es über 70 Prozent der zuerst bei uns angestellten Frauen, die eine Arbeit fanden.
In einem halben Jahr dreißig Jobs aus dem Nichts heraus zu finden, ist ein Wahnsinn. Damit unterstützt du aber die Mär, dass man schon arbeiten kann, wenn man nur will
Es bedeutete schon eine lange, zähe Aufbauarbeit, die das abz* austria gemacht hat, um die Toleranz bei den Firmen zu schaffen. Diese Frauen, die so lange draußen waren, haben sich ja vorher jahrelang beworben. Am Arbeitsmarkt gibt es so viele niedrig qualifizierte Jobs für Frauen, die wenig existenzsichernd sind. In diesem Zusammenhang bedarf es verstärkter Überlegungen, wie man das machen soll, dass vermittelte Frauen von dem Job leben können und Arbeitsbedingungen vorfinden, unter denen sie es länger als sechs Monate aushalten. Das betrifft die Reinigung und die Pflege. Aber auch Verkauf ist so eine Geschichte. Verkauf ohne Ausbildung heißt Regale schlichten. Regale schlichten bedeutet eine 15-Stunden-Stelle zu einem schlechten Stundensatz. Teilzeitstellen für Frauen sind nicht dasselbe wie Teilzeitstellen für Männer und niedrig qualifizierte Jobs für Frauen nicht gleich bezahlt wie solche für Männer. Wenn es so wäre, dass eh jede Person jeden Job ergreifen könnte, dann wäre es nicht so, dass es Branchen gibt, in denen zu 95 Prozent Frauen oder 95 Prozent Männer sind. Und diese Erfahrung, mit den Vorurteilen und den Problemen umzugehen, wenn man in einen gegengeschlechtlichen Arbeitsbereich wechselt seien es Frauen, die in die besser bezahlte Technik wollen oder Männer in die Kinderbetreuung , das geht verloren, wenn langjährige Frauenorganisationen mit der entsprechenden Kompetenz eingestellt bzw. nicht mehr mit Projekten beauftragt werden. Wenn man mit Menschen diskutiert, wird dir keiner sagen, Frauen sind es nicht wert, dass man so viel in ihre Ausbildung investiert, dass sie z. B.auch im technischen Bereich Fuß fassen können, aber in den Hinterköpfen und im Gefühl existiert diese Abwertung bei Männern und Frauen ganz stark. Es ist keine leichte Sache, das aufzulösen.