Wie kommt die Milch ins Packerl?tun & lassen

Simulierte Wettbewerbssituation Aspekte der Raiffeisendominanz (Teil 7)

Der Raiffeisen-Konzern stützt sich neben seinen weit reichenden Beteiligungen in den Bereichen Nahrungsmittelindustrie, Versicherungen und Medien auf die Säulen der Dreifaltigkeit: erstens Geld, zweitens den an Landwirtschaft orientierten Warenhandel und drittens die Verarbeitung von Agrarprodukten. Die stärkste Position auf all diesen Gebieten nimmt das Giebelkreuz im Molkereiwesen ein.Die Raiffeisenmolkereigruppe wird auf der Homepage des Raiffeisen-Verbands u. a. mit folgenden Basisdaten präsentiert:

131 Molkereien und sonstige Milchverwertungsunternehmen

Übernahme von 95 Prozent der in Österreich angelieferten Milch

99 Prozent Marktanteil bei Frischmilch

95 Prozent Marktanteil bei Butter

80 Prozent Marktanteil bei Fruchtjoghurt

85 Prozent Marktanteil bei Schnittkäse

66 Prozent Marktanteil bei Hartkäse

Nach diesen Zahlen nimmt Raiffeisen am Milchsektor eine einzigartige Monopolstellung ein. Diese Position wurde entgegen anders lautenden Befürchtungen durch den EU-Beitritt der Alpenrepublik keineswegs geschmälert. Vielmehr haben die heimischen Molkereien nach wie vor die Nase mit Abstand vorn. Insofern war die Bereitschaft heimischer Großbetriebe verfrüht, sich an der Schwelle zur EU und kurz danach an die Brust ausländischer Milchriesen zu schmeißen. Mit knapper Not hat damals die Niederösterreichische Molkerei (NÖM AG) den Hals aus der Schlinge der Parmalat-Pleite gezogen, nachdem das Aufgebot unter der Führung des italienischen Partners bereits bestellt war.

Die heimischen Milchbauern mit kleinen bis mittleren Betriebsgrößen haben von der einzigartigen Marktstellung von Raiffeisen in der Milchproduktion herzlich wenig. Die in der IG Milch organisierten Widerstandsgeister machten wiederholt mit Protestaktionen darauf aufmerksam, dass der Milchgroschen mit rund 35 Cent immer wieder weit unter dem für ihre Existenz erforderlichen Niveau von 45 Cent liegt. Die Spitzeninstitute der Genossenschaften redeten sich auf den enormen Preisdruck aus, den die Handelsketten wie Billa/Merkur, Spar und Hofer ausüben.

Wenn es eine Berechtigung für das ökonomische Machtkonzentrat gibt, das der Milchsektor von Raiffeisen darstellt, kann sie nur in der Durchsetzung der Interessen der Genossenschaftsmitglieder bestehen. Dieser Punkt wird jedoch nur beschworen, um den Milchbauern die Auflösung kleiner und überschaubarer Einheiten zugunsten der Konzentration und Zentralisation im Molkerei-Bereich schmackhaft zu machen. Im Moment ist Bergland als größtes Unternehmen der Branche im Begriff, die relativ große Tirol Milch und die relativ kleine Stainz Milch zu schlucken. In der existenziellen Frage um die Höhe des Milchgroschens verzichtet die Verbandsspitze darauf, die Muskeln ihrer Marktmacht zu zeigen.

Als Rohstoff stellt die Milch die Grundlage dafür dar, dass die Molkereien mit der Weiterverarbeitung zu hochwertigeren Produkte wie Butter, Käse, Joghurt usw. zusätzliche Erlöse erzielen. Würden die Genossenschaften im Sinn ihrer Mitglieder funktionieren, müsste ihnen mindestens ein Teil dieser Zusatzgewinne zugute kommen.

Gut für die Optik

Der Konzentrationsprozess in der österreichischen Milchwirtschaft wurde anlässlich des EU-Beitritts besonders forciert. Das lässt sich an der Geschichte der Berglandmilch ablesen. Die registrierte Genossenschaft wurde aus dem Zusammenschluss von sechs Molkereien mit 27 Standorten in Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark, Kärnten und Burgenland gebildet. Folgende Betriebe und Niederlassungen kamen dabei unter einen Hut:

Schärdinger Landmolkerei (Ried im Innkreis, Taufkirchen, Münzkirchen, Geinberg, Peuerbach, Feldkirchen)

Linzer Molkerei (Milchhof Linz, Bad Leonfelden, Pregarten)

Milchunion Alpenvorland (Steyr-Garsten, Baumgartenberg, Königswiesen)

Bäuerlich Milchunion Kärnten (Klagenfurt, Wolfsberg, St. Veit a. d. Glan, Völkermarkt)

Milchverarbeitung Desserta (Graz, Feldbach, Fürstenfeld, Güssing, Hartberg, Leoben, Voitsberg, Weiz)

Als die Berglandmilch die operative Tätigkeit zum Jahreswechsel 1995/1996 aufnahm, kamen auch die Milchaktivitäten und Marken der AMF (Austria Milch- und Fleischvermarktung reg. Gen. m. b. H.) unter ihre Verantwortung. Um nur einige bekannte Namen zu nennen: Desserta, Alpiland, Agrosserta, Schärdinger, Jogurella, Berghof, Sirius usw. In der Folge wurde auf Teufel komm herausrationalisiert: Von den 27 Produktionsbetrieben wurden 20 geschlossen. Derzeit wird in den Werken Geinberg, Feldkirchen, Garsten, Aschbach, Voitsberg, Klagenfurt, Wels und Rohrbach produziert. Ein zusätzliches Unternehmen wurde mit dem Rottaler Milchwerk in Bayern gekauft.

Obwohl Schärdinger die Renommier- und Traditionsmarke der Berglandmilch ist, tut sich herstellungsmäßig in Schärding nichts mehr. Die Marke geht auf die Erfolgsstory der 1900 gegründeten Schärdinger Teebutter-Zentrale zurück, die schließlich österreichweit als Verkaufsgenossenschaft agiert hat. 1990 ging sie im Zuge der EU-Beitrittsvorbereitungen in der AMF auf, um von Berglandmilch wieder wachgeküsst zu werden.

Diesem Konzern steht mit der NÖM ein zweiter für hiesige Verhältnisse Riese gegenüber, der vor gar nicht langer Zeit aus einer Existenzkrise gerettet werden musste. Nun blüht das Unternehmen wieder und setzt spektakuläre Auslandsaktivitäten am Milchsektor mit Engagements in England und der Ukraine. Dass die beiden Milchkonzerne weiter getrennt marschieren, dürfte mit divergierenden regionalen Interessen der Länderorganisationen von Raiffeisen und Eifersüchteleien der Spitzenprotagonisten zu tun haben. Außerdem ist es gut für die Optik: Da ohnehin alles sich in der Hand von Raiffeisen befindet, macht es eine weiße Pfote, wenn die Monopolstellung der Organisation dadurch verschleiert wird, indem man eine Wettbewerbssituation simuliert. Und kleine Genossenschaften haben immerhin die Wahl, ob sie sich im Fall des Falles wenn es sich geografisch ausgeht Berglandmilch oder der NÖM an die Brust werfen.