Wien, hör’ ruhig auf dein F.E.I.D.L.!Artistin

Musikarbeiter unterwegs … garantiert nicht auf dem Longboard

«Wödmusik» heißt das Debütalbum des Wiener Trios F.E.I.D.L. – 20 dichte Minuten, 11 Lieder, maximaler Impact.

TEXT: RAINER KRISPEL
FOTO: MARIO LANG

Bei den Feierlichkeiten zu 20 Jahre Fluc – wir berichteten – holte sich der Musikarbeiter endlich wieder eine überfällige und sehr lässige Dosis Livemusik. Das Trio F.E.I.D.L. eröffnete den Abend. Kurt Flock spielt Bass und singt, an der Gitarre Marco Cem Mühlhans, hinter den Drums sitzt Krücke. Das Konzert ist wie die Band auf Tonträger eine metamäßig verknappte, inhaltlich bewusst ins Absurde kippende Angelegenheit von großer instrumentaler und sprachlicher Präzision. Undogmatischer Punk und Hardcore und Noise kommen hier auch vom und aus dem spielerischen Können, gerade weil diese Band nicht verspießert ist. Was hervorragend funktioniert. F.E.I.D.L. zeigen der zunehmend biederen, kreuzbraven Ernsthaftigkeit (bei gleichzeitiger Themenlosigkeit und Selbstüberschätzung) des hiesigen Musikgeschehens keinen Stinkfinger, sondern eher so etwas wie in verlockenden Honig getauchte Daumen. Ob diese jetzt aber nach oben oder nach unten gehen, ist nicht so ganz klar. Gfernst! Das wiederum ist part of the fun/game. Auch im Kontext mit der zweiten Band des Abends, den intensiven Gewalt aus Berlin – es geht immer um alles – und den überbordend enthusiastisch agierenden abschließenden Repetitor aus Belgrad eine hervorragende Vorstellung. Wie die beiden Platten der Band, die F.E.I.D.L. 7″ mit ihren vier Stücken und der Longplayer Wödmusik, war das Konzert vorüber, bevor an Langeweile nur zu denken war – nicht die geringste Qualität einer Liveband.

Des steck i ma ei.

Einige Zeit vorher trafen die Musikarbeiter Kurt Flock im – wir sind in Wien – Kaffeehaus. Ganz ohne jetzt in den investigativen Journalismus zu kippen, der ist mit Florian Klenk gut bedient, sei verraten, dass das ein Pseudonym ist und dass der Mensch, der es nutzt, womöglich auch etwas mit anderen musikalischen Projekten zu tun hat. Wir flüstern nur «Euroteuro» und sind dann gleich wieder still, die Tischnachbarn schauen schon indigniert. Let F.E.I.D.L. have the hour! Flock rekapituliert die Anfänge der Band 2019, noch vor der Pandemie, zwei, drei Konzerte konnten gespielt werden. Die 7″ kam 2020. Glaub da nix, Im Grob, Fünf Finger Rabatt und Zündschnur die Titel der Stücke. Schon im Opener zeigt Flock mit der wunderbaren Zeile «Du bist ein Wappler im Prinzip» die inhaltliche Treffsicherheit der Band, das thematische Prinzip am Anfang war «jedes Stück ein Diss», ein Heruntermachen. Fünf Finger Rabatt disst den größten Arsch von allen, den Kapitalismus, indem es ihn ernst nimmt: «Des schaut guad aus, des brauch i daham. (…) Des steck i ma ein, des nimm i ma mit.»

(Mehr als) Schnipp Schnapp.

Wödmusik, das Album, legt der EP elf wenigstens so gelungene Stücke nach. Die Sache bleibt teils radikal, Schnipp Schnapp erinnert an Operation der Circle Jerks («Kastra­tion ist die einzige Lösung»). Gusch sollten Nachrichtenjunkies einmal der innenpolitischen Berichterstattung im Fernsehen unterlegen. Hilft sicher und eine Minute 49 Sekunden hält mensch die gezeigten Gfrieser gerade noch aus. Mit weiteren Glanztaten wie Infiziert – guess what –, der Lifestyle-Polemik Longboard oder dem drei Minuten Spielzeit erstmals überschreitenden Spaziergang – «wos soi do scho passieren?» – unterhält und fordert Wödmusik zugleich. Fertig war das in etwa fünf Wochen entstandene Album, Ausgangspunkt dabei meist Flocks Texte, schon letzten Sommer. Aber mit den «D.I.Y.-Läden», F.E.I.D.L.s grundsätzlichem Live-Biotop, voll erwischt von der Pandemie und den langen, zunehmend unwägbaren Produktionslaufzeiten von Vinyl rutschte es, mangels Live-Umsetzungsgelegenheiten zunächst verschoben, sogar ein wenig aus Flocks eigenem Bewusstsein. Bis das deutsche Label Phantom, wo Wödmusik erschienen ist, meinte, die Platte sei jetzt da, wo denn bitte hinschicken? Dazu vom Label kein Gedöns, das die Platte teasend und werbend vorab mit Superlativ-Schleimspuren ungenieß­bar macht, bevor du sie überhaupt gehört hast – voila! So schauen F.E.I.D.L. in der seit den Aufnahmen konsolidierten Trio-Besetzung dazu, dass Wödmusik an die Menschen kommt, sie vor allem zum Livespielen kommen. Was der berichtende Musikarbeiter und F.E.I.D.L.-Fan nur unterstützen kann: Hören Sie sich das an, schauen Sie sich das an! 

F.E.I.D.L.: Wödmusik
(Phantom Records)
phantomrecords.bandcamp.com/album/w-dmusik

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