Augustiner Christoph Alge
Als ich vor 20 Jahren der Liebe wegen aus der Schweiz nach Wien kam, kannte ich noch keine Straßenzeitungen. Ich war einigermaßen überrascht, als mir ein Sandler in einem Beisl eine Zeitung verkaufen wollte. Meine Frau klärte mich damals auf: Der Augustin sei eine Straßenzeitung, durch deren Verkauf obdach- und mittellose Menschen ein wenig Geld verdienen könnten.
Foto: Lisa Bolyos
Diese Idee gefiel mir: Die Wiener Sandler verkauften mit Stolz und Überzeugung ihre eigene Zeitung! Noch dazu eine sehr lesenswerte: Ich war positiv überrascht von der Qualität der Artikel und habe einiges über das Leben auf der Straße erfahren. Seit damals kaufe und lese ich den Augustin.
Daher habe ich im Jahr 2012 die damals angespannte finanzielle Situation mitbekommen. Also meldete ich mich spontan, als 333 Liebhaber_innen gesucht wurden, um den Augustin finanziell über Wasser zu halten. In nur drei Wochen sind genügend Menschen gefunden worden, um das Projekt auf sichere Beine zu stellen. Und ich bin sehr stolz, dazu beitragen zu dürfen!
Die Zeitung kaufe ich alle zwei Wochen bei «meinem» Stammverkäufer, mit dem ich immer wieder auch ein paar Worte wechsle. Irgendwann hatten wir uns etwas länger unterhalten und Jerry erzählte mir, dass er früher in Nigeria BWL studiert hatte und dann flüchten musste. Er erzählte mir an diesem Tag noch sehr viel mehr. Was mich beeindruckte, war die positive Grundeinstellung, die er trotz all dieser Erlebnisse noch immer hat. An diesem Tag kam ich auf die Idee, ihn als Referent in meine Firma einzuladen.
Im Februar 2015 war es dann so weit: «Mein» Verkäufer Jerry Johnson und zwei Vertreter_innen des Augustin-Teams kamen zu einer Diskussion. Ich hatte so etwas noch nie moderiert und war einigermaßen nervös. Ob das wohl gut gehen würde …? Uns ist es gelungen, eine gewisse Nähe zum Publikum aufzubauen, so konnte das Gespräch auch auf Augenhöhe stattfinden.
Es ergaben sich Dialoge, die behilflich waren, Hemmschwellen abzubauen. Eine Straßenzeitung zu kaufen ist für mich ein erster Schritt. Der nächste wäre ein paar Worte mit dem Verkäufer oder der Verkäuferin zu wechseln. Einfach nach dem Namen und der Herkunft fragen. Es entsteht dann plötzlich ein ganz anderes Verhältnis.
Dazu fällt mir Erich Kästner ein, der gesagt hat: «Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.» In diesem Sinn hoffe ich, dass es den Augustin noch lange geben wird.