Wien und die WienerDichter Innenteil

Bin ich eine Wienerin?

Nein, wenn das eine Einschränkung bedeutet. Obwohl ich in Wien geboren wurde, hat meiner Mutter das schon gereicht und sie hat mich abgegeben. Da ging es dann in das Waldviertel. Auch habe ich sehr lange in Wien gewohnt. Und als Adoptivkind dabei noch viel zu viel Faschismus ausgefasst. Dabei bin ich gar nicht jüdisch, sondern kurdisch.

Genau deshalb habe ich jede Gelegenheit ergriffen, das Weite zu suchen. Da wurde ich öfters einmal als Mensch und sogar als Frau, nicht nur be- sondern auch ge-achtet. Und so wurde ich multikulturell.

Einmal war da, in Wien, eine Reggae-Band und ein Typ und erzählt etwas von roots (Wurzeln). Ich seufze und sage, dass ich keine habe. Der Typ hat sich gut 1 Stunde mit mir hingesetzt und mir roots erklärt. Da war mir dann klar, dass ich aus der Generation ´68 in Europa stamme. Jene Kinder der Nachkriegszeit, die kaum ein Elternhaus hatten, sind miteinander zu Erwachsenen gewachsen. So was prägt.

Aber Wien ist ein Schmelztiegel. Das muss ich neidlos anerkennen.

In dem Nest, wo ich jetzt wohne, gibt es zwar 3 Friseure, aber z. B. keinen Schuster. Kultur und Sport. So etwas wie einen Kultur- oder Tu-was-Pass gibt es nur in Wien für Wiener Angebote. Auch die Therme Oberlaa hat ein Sonderangebot für Wiener Pensionisten.

Das was ich hier an netten Begegnungen in 2 Jahren hatte, geht in Wien in 2 Tagen. Das wird nur von Schwechat noch getoppt. Da geht das im Minutentakt. (Multikulturell)

In Wien sind da so viele wundervolle Angebote. Heute erst, in der Nationalbibliothek mein Studium fortsetzen. Morgen gibt es Unterwassermassage.

Dass ich Wien nicht nur verlassen wollte, sondern auch musste, hatte seine Ursache darin, dass es da auch relativ viele ausgewachsene Arschlöcher gibt. Wenn das z. B. der Ver- oder Hauptmieter ist, dann ist das geklärt. Auch, als Untermieterin bin ich rausgeflogen, weil es sich der Hauptmieter auf meine Waschmaschine gestanden hat, war da ein neues Schloss.

Nun aber zurück nach Wien? Nein, nicht doch. Wenn wer vom Land kommt, dann soll der gefälligst dort bleiben. Weil sie selber doch genug Interessenten haben. Also, hab ich bei diesem Versuch, den Schlauch. So à la ein jeder an seinen Platz. Multikulturell also kein Platz in Wien.

Und noch 1 x Wien. Kürzlich sind meine Heizung und das Warmwasser ausgefallen. Da war es noch frostig, unter 0 Grad. Der Abgasstutzen war vereist. Für so eine Störung einen Installateur aufstellen, braucht hier, mindestens 2, 3 Tage. Aber mein Hausherr war ganz liebenswürdig und hat einen aus Wien geholt, am gleichen Tag.

Da ist aber doch noch was, was mir in Wien fehlt. (Ich kenne es ja eben.)

Nicht nur eine Toilette bei den Stationen: Oberlaa, Neulaa, Alaudagasse, Altes Landgut, Troststraße. Sondern überhaupt das original Wienerische. Z. B. die Schanigärten. Z. B. das Gespür für gute energetische Plätze. In diesen Ecken waren früher doch immer ein paar Rosensträucher oder Gastgärten. Alles das scheint nun nur mehr als Baufläche oder Parkplatz auf. Auch der Prater hat seinen Flair verloren. Ich weiß nicht, wo die Striezi abgeblieben sind. Eine kleine Stänkerei hat hin und wieder gut getan. Und eine große Plüschfigur geschossen haben und dann ganz stolz, in der Bim, nach Hause führen.

Also, Wien ist anders als anders und damit nicht einmal mehr eigen.