Wiener Wohnentun & lassen

Frau Rs mühevoller Kampf um ihre Ottakringer Wohnung

Zu erzählen ist die Geschichte der Frau R, wohnhaft in einer Seitengasse Ottakrings, fast schon an der Grenze zu Hernals. Frau R hat ihr gesamtes Leben in ihrer kleinen, nicht einmal 30 Quadratmeter großen Wohnung verbracht. In dieser Wohnung wurde sie von ihrer Mutter großgezogen, von der sie nach ihrem Tod den Mietvertrag erbte. Die Wohnung ist in einem Friedenszinshaus. Der Vertrag ist von der Sorte, wie ihn Vermieter_innen hassen: Er sichert der Mieterin eine in Wien unschlagbare Miete von 120 Euro plus Nebenkosten zu. Im Ganzen zahlt Frau R 200 Euro für ihre Wohnung. Jetzt soll sie zum Ausziehen gebracht werden.

 

Foto: Neuköllnbild

Frau R lebt bescheiden. Das WC ist am Gang. In der Wohnung ist keine Dusche geschweige denn ein Bad. Die Wohnung eines Arbeiterkindes, wie sie von sich sagt. Dennoch will sie hier bleiben, hat hier ihren Lebensmittelpunkt und die Erinnerung an ihre Mutter.

 

Bis vor nicht allzu langer Zeit hatte sie hier auch ihr soziales Umfeld. Doch damit ist es vorbei. Vor zwanzig Jahren, so berichtet sie, wurden die ersten Mieter_innen hinausgeworfen. Seitdem wurden immer mehr von ihnen hinausgeekelt, bis kaum einer mehr übrig blieb. Der Letzte, der ging, war ihr Nachbar. Ein Weltkriegsüberlebender. Dem Rheumakranken wurde eine Ersatzwohnung versprochen, die sich als feuchtes Kellerloch entpuppte. Da konnte er nicht lange bleiben. Er wurde in ein Heim eingeliefert. Dort ist er inzwischen verstorben.

 

Aus den verlassenen Mietwohnungen sind Eigentumswohnungen geworden, die teilweise wiederum an Studierende untervermietet werden. Die Wohnung der Frau R ist die einzige übriggebliebene Mietwohnung.

 

Dieser Zustand soll sich ändern. Da kommt ein Wasserschaden gelegen, der bereits vor drei Jahren geschah. Das Wasser kam aus der Decke und ruinierte die gesamte Wohnung. Der Vermieter gibt die Schuld am Schaden der Frau R. Im vergangenen Sommer ließ er ihre Wohnungstür durch Schlosser öffnen und den Fußboden im Vorzimmer aufbrechen. Zurück blieb eine Sandgrube.

 

Zunächst versprach der Eigentümer, die Sache zu reparieren. Doch der Reparaturtermin zögerte sich immer weiter hinaus. Jetzt, Winter 2014, ist die Grube immer noch da. Der Eigentümer gibt Frau R die Schuld. Sie habe ihm die Schlüssel zur Wohnung nicht ausgehändigt. Frau R befürchtete, der Eigentümer würde das als Vorwand nutzen, um das Wohnungsschloss auszutauschen und sie auf die Straße zu setzen.

Eine Frage der Lebensqualität


Um Frau R loszuwerden, zog der Eigentümer schließlich vor Gericht. Dort erwirkte er eine Kündigung für Dezember 2013. Bei den übrigen Mieter_innen machte er Frau R schlecht. Eine Mieterin soll gesagt haben: «Wenn sie richtig fertig ist, dann holen wir die Polizei, und sie kommt nach Steinhof.»

 

Wie der Wasserschaden zustande kam, ist bis heute nicht geklärt. Menschen, die sich damit auskennen, reden nur hinter vorgehaltener Hand. Ein Installateur, der wegen einer anderen Sache in der Wohnung der Frau R zu tun hatte, ist der Auffassung, sie sei wahrscheinlich nicht schuld. Er will aber nicht hineingezogen werden, er sei nur ein kleiner Installateur. Aber es brauche einen unabhängigen Gutachter. Den hat es bis jetzt nicht gegeben.

 

Für Frau R kam ein Umzug nicht in Frage, das wäre einfach nicht leistbar. «Andere Wohnungen sind doppelt so teuer. Die billigste Wohnung, die ich gefunden habe, kostet 70 Euro mehr als diese.»

 

Doch ganz ohne Freunde steht Frau R nicht da. Unterstützt von einem Bekannten erwirkte sie einen Rekurs. Noch lebt sie in ihrer Wohnung. «Erstaunlich, wie anders man vor Gericht behandelt wird, wenn jemand dabei ist», sagt sie. «Der Ton ändert sich sofort.» Zuvor, so Frau R, habe die Richterin automatisch den Aussagen des Vermieters geglaubt. Sie selbst sei sehr ruppig behandelt worden. Das habe sich erst durch die Anwesenheit des Bekannten geändert.

 

Für Frau R ist es nicht leicht, mit ihrer Angelegenheit an die Öffentlichkeit zu gehen. Zu oft hat sie die Erfahrung gemacht, als schwierige Person abgestempelt und ansonsten ignoriert zu werden. Gleichzeitig will sie Öffentlichkeit schaffen. «Die Menschen sollen sehen, was in dieser Stadt geschieht», sagt sie.

 

In ihrem Leben ist sie bei vielen Institutionen gewesen. In ihrem Leben sind Fehler geschehen, für die sie heute bitter bezahlt. «Doch zugehört hat nie jemand. Es bräuchte einen Betreuungsdienst, der die Menschen wirklich ernst nimmt. Derzeit wird man einfach allein gelassen.»

 

Noch lebt Frau R in ihrer Wohnung. Wie lange das so bleibt, ist unklar. Gas und Wasser sind abgedreht. Trinkwasser muss sie sich kaufen. Sie heizt ihre Behausung mit einem Stromheizer. Das geht jetzt schon mehrere Winter. So lebt man in der Stadt mit der höchsten Lebensqualität der Welt.

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