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Ein Wiesel saugt ein Ei so geschickt aus, dass zwar die Schale unversehrt scheint, das Ei aber innen leer ist. Von außen sieht man es nicht. Wieselworte saugen die Bedeutung aus den Sätzen, wie Wiesel Eier aussaugen – nur die leere Schale bleibt, scheinbar intakt, zurück. Theodore Roosevelt argumentierte das bereits 1915 im Kampf um bessere Bildung für alle so: «Man kann eine umfassende Ausbildung für alle oder eine freiwillige Ausbildung für wenige haben, aber wenn man das Wort umfassend mit dem Wort freiwillig einschränkt, dann benutzt man ein Wiesel-Wort; es hat die eigentliche Bedeutung aus dem Wort umfassend herausgesaugt. Die beiden Wörter widersprechen sich schlichtweg.»So ist es auch mit den um sich greifenden Begriffen des «Social Business» und der «Social Entrepreneurs». Die Definition dafür ist so breit, dass alles darin Platz hat – und gleichzeitig nichts mehr. Auch dem Militär verdanken wir Internet oder manches aus der Lasertechnologie für Krankenbehandlung. Gehört die Armee jetzt zum Sozialbereich? Dient die Rede von sozialer Innovation und den Social Entrepreneurs in Wirklichkeit der Vermarktlichung des Sozialsektors? Sollen in Zeiten der Austeritätspolitik mit Finanzkapital soziale Dienstleistungen kommerzialisiert werden? Die Wirkung dieser Strategie ist jedenfalls: Ausgesaugt wird der Non-Profit-Sektor, Bürger_innen-Engagement oder Commons. Das Wiesel lässt die gemeinnützige Arbeit und ihre Traditionen verschwinden. Der Sozialwissenschafter Marcel Fink berichtet über ein Treffen zur Sozialpolitik auf europäischer Ebene. Thema war der Austausch über «social innovation» in den Mitgliedsländern. Ein Sozialexperte aus Irland erzählt von der Einführung einer Mindestpension in seinem Land, die die Altersarmut um viele Prozent gesenkt hat. Rückfrage aus der EU-Kommission: Hätten Sie auch etwas sozial Innovatives?
Auch ein Wieselwort. Natürlich braucht es gute Ideen, bedarfsgerechte Angebote, respektvolle Unterstützung und Mut zur Veränderung. Aber ist das entscheidende Kriterium, dass es neu ist? Und was steckt hinter der Innovation? Mir scheint, dahinter verbirgt sich auch ein gerüttelt Maß an Ideologie. Was unter der Fahne der «Innovation» segelt, tut so, als wäre es – abgeschnitten von allem Vorhergegangen – original neu, obwohl es aus dem Alten schöpft. Das «Neue» ist gar nicht neu, sondern peppig aufgemascherltes ALTbekanntes. Da schießen die Marketing- und Vernebelungsmaschinen aus dem Boden. Verdächtig ist das Wörtchen «Innovation». Es kommt eigentlich aus der Botanik und beschreibt das Abschneiden der alten Triebe. Das ist ein auf die Gesellschaft umgelegt brutaler Vorgang, der das Neue durch die Vernichtung des Alten hervorzubringen glaubt. Und der vergisst, dass viele Neuerungen erst durch das Zurückschauen möglich geworden sind. Die Vorsilbe «Re-» leitete das Neue ein: Re-volution, Re-form, Re-naissance und Re-formation.
Im Neuigkeitswahn werden Gegenwartskrisen niemals aus begangenen Irrtümern oder aus Fehlentwicklungen oder Fehlentscheidungen erklärt. Krisen sind in dieser Lesart immer und ausschließlich Resultate eines Neuigkeitsmankos. Was nicht neu ist oder sich als neu präsentieren kann, hat keinen Wert – und sei es auch noch so gut oder noch so funktional. Die Schale intakt, das Ei leer. Für gute Dienstleistungen und den konkreten Menschen sollte aber gelten: Es geht nicht um das Neue, sondern um das Bessere.