Musikarbeiter unterwegs … Kolumbien, Tirol, Porgy
Pianist und Komponist: Thom Castañeda veröffentlichte mit dem Quartett Donauwellenreiter im April das Album Delta. Dazu betreibt er neu das Solo-Projekt Vélvez.
Text: Rainer Krispel, Foto: Mario Lang
Vom Termin mit der Prater WG gehen die Musikarbeiter Richtung Porgy & Bess. Dort gestaltet ORF Kultur einen Beitrag zu Delta, dem jüngsten Album des Quartetts Donauwellenreiter (Maria Craffonara – Stimme, Violine; Lukas Lauermann – Cello; Jörg Mikula – Drums, Tombak). Deren Hauptkomponist und Pianist Castañeda verbindet dies mit einem Gespräch mit dem AUGUSTIN, um sein Solo-Projekt Vélvez vorzustellen. Beim Gehen bekommen wir Durst. In einem kleinen Laden hole ich uns – mit Maske – zwei Dosen polnisches Bier. Der Eigentümer begleitet mich zu Tür und sagt, «Kommen Sie bitte bald wieder.» Ich muss schnell trinken. Später machen wir das Foto für diesen Artikel auf der Bühne des Porgy. So schön es ist, dass einer der besten Clubs der Stadt wieder richtig live spielt, der Blick in den coronakonform bestuhlten Publikumsraum macht beklommen. Kein Bier mehr zur Hand.
Good Bye Vienna.
«Im Februar 2019 bin ich weg aus Wien», erzählt Thom. Die künstlerische Vorbereitung zu Delta war im Sommer letzten Jahres abgeschlossen. Das Album, dessen elf Titel – jede_r Donauwellenreiter steuerte wenigstens eine Komposition bei – sich zu einem wunderbar sinnlich fließenden Stück Musik zusammenfügen, wurde im April veröffentlicht. Natürlich sind, wie für viele Kolleg_innen, auch für Donauwellenreiter die geplanten Präsentationskonzerte zum neuen Album in den Herbst gewandert, Thom hat aber durchaus den Eindruck, «dass es gut wahrgenommen wurde». Eröffnet wird Delta von seinem Stück Good Bye Vienna, ein herzlicher Gruß an eine Stadt, in der er lange gelebt und gearbeitet hat. «Ich war der ewigen Wienerei überdrüssig. Dieses ‹Wir sind die Besten› – das ist zwar eh überall so, und es stimmt nirgends, aber am Anfang, wenn man wo neu ist, fällt es einem nicht so auf.» Castañeda, Sohn einer Tirolerin und eines Mexikaners, suchte und fand für sich neue Routen und Eindrücke. «Seit ich nicht mehr in Wien bin, schreibe ich viel, ich bin viel weniger abgelenkt durch die Stadt. Jetzt muss ich auch wegbleiben …»
Der Himmel über …
Neben einem eher kargen Leben im Tiroler Oberland, wo Thom neben seiner Kompositionsarbeit die Radzustellung von Delta anbietet, war eine Reise nach Kolumbien eine prägende Erfahrung. Angestoßen durch eine Wiener Zufallsbekanntschaft mit jemandem, der ihn dorthin eingeladen hat, gerät der Künstler geradezu ins Schwärmen, wenn er Land und Landschaft beschreibt. Er redet von den Anden, dem Amazonas, der Höhenlage, den plastischen, niedrigen Wolken und einer immer wieder umwerfenden Natur. «Mich zu bewegen war wichtig, die Orte zu wechseln.» Nach den Donauwellenreiter-Konzerten im Herbst will er bis Jahresende dorthin zurückkehren. Vor Ort hat er außerhalb Bogotás Anschluss gefunden. In der Hauptstadt des großen Landes mit seinen über 48 Millionen Einwohner_innen (und einer entsprechend vielfältigen Musiklandschaft, wie er anmerkt) setzte er sich erstmals als Vélvez ans Klavier. Den Namen – «ich liebe es Rollen einzunehmen» – fand er fast unmittelbar vor diesem ersten Auftritt. «Vélvez ist ein bisschen eine mystische Gestalt, der Mystiker in mir … Er berührt Dinge, über die mensch gar nicht so gut reden kann. Die Formensprache der Landschaft fasziniert mich, dafür suche ich einen musikalischen Ausdruck. Es gibt doch diesen Begriff des ‹Energieorts›, das Zusammenspiel von Wind, Regen, Wolken, Bergen … der Versuch eine musikalische Figur zu bilden, die eher auf dieser Seite verortet ist. Dabei bin ich überhaupt kein Esoteriker, aber dualistische Weltbilder, Oben und Unten, faszinieren mich schon.» Erste akustische Eindrücke und Stücke von Vélvez finden sich jetzt schon im Internet, konkreter manifestieren wird sich die Kunstfigur und ihre Kunst im Jahr 2021, Thom Castañeda plant schon Konzerte und eine erste CD. Schauen wir in die Wolken, Vélvez might be coming!
facebook.com/VELVEZ
Donauwellenreiter: Delta (Aestate Records/Hoanzl)
donauwellenreiter.com