Willkommen in Kakanientun & lassen

Illustration: Thomas Kriebaum

Alle, die in Österreich ein Asylverfahren anstrengen, kennen dieses unlösbare Rätsel: Der Arbeitsmarkt ist versperrt – aber wer nicht arbeitet, gilt als integrationsunwillig. Den Behördenwahnsinn steht man nur mit lokaler Unterstützung durch. Zwei freiwillig Engagierte erzählen von ihren Erfahrungen.

Kommentar: Erwin Landrichter, Elisabeth Gizicki-Merkinger
Illustration: Thomas Kriebaum

 

Wir, zwei «ehrenamtlich Tätige», wie das im kakanischen Deutsch für freiwillig Engagierte heißt, wollen uns ganz gewiss nicht mit den ehrwürdigen Behörden anlegen, vor allem nicht mit jenen, die mit dem
«Fremdenwesen» zu tun haben. Nein, wir wollen sie milde stimmen, weil wir ja auch laufend mit ihnen zu tun haben. Und auf das Leid der in unser Land Geflohenen wollen wir allein schon deshalb nicht aufmerksam machen, weil «unsere Leut» eh schon so viel durchmachen müssen, um selbst zu überleben.
Wir erlauben uns nur, anhand eines Beispiels aufzuzeigen, wie mit unseren Steuergeldern (die ja dem Namen nach zum Steuern einer den Wohlstand ausgleichenden Politik gedacht sind) auf dem Gebiet des «Fremdenwesens» umgegangen wird.

Der Versuch anzukommen

Er, der «fremde Invasor», ist im Herbst 2015 nach Österreich gekommen, stellte Antrag auf internationalen Schutz, dieser wurde im September 2017 abgewiesen. Er erhob Einspruch, musste weitere vier Jahre warten, also sechs Jahre mit Grundversorgung und Arbeitsverbot leben. Er konnte freilich von der Grundversorgung nicht leben, und er wollte auch der österreichischen Gesellschaft nicht zur Last fallen. Im März 2021 wurde er allerdings bei Ausübung einer Arbeit «betreten» (so die Ausdrucksweise der Finanzpolizei). Von Sommer bis Herbst 2022 absolvierte er erfolgreich eine Heimhilfe-Ausbildung bei der Caritas, das B1-Sprachniveau hatte er bereits im März 2022 erreicht, freilich nur dank privater Initiative und nicht dank staatlich finanzierter Sprachkurse.
Seit September 2021, als sein Einspruch abgewiesen worden war, erhielt er keine Grundversorgung, lebte von privaten Spenden. Im Mai 2023 wurde er nachdrücklich «ersucht», «freiwillig» in sein Herkunftsland ausreisen zu wollen. Tatsächlich wollte er das unter allen Umständen vermeiden, weil er sich in seinem Herkunftsland keineswegs sicher fühlte (auch wenn er «unbescholten» war). Er beschloss, Österreich zu verlassen, um nach Spanien zu gelangen, wo in den riesigen Gemüse- und Obstplantagen «billige», meist rechtlose Arbeitskräfte gebraucht werden (legal und mit befristeter Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis). Nach Ablauf des einjährigen Einreiseverbots in Österreich hätte die Caritas ihn als Heimhelfer anfordern dürfen.
Der Plan misslang: Seine Fahrt nach Spanien wurde in Salzburg von bundesdeutschen Polizisten brutal beendet. Er wurde in ein «Anhaltelager» abtransportiert. Wegen eines Hungerstreiks (innerhalb von zwei Wochen nahm er dreizehn Kilo ab) wurde er aus der Schubhaft entlassen. Er versuchte wieder, über Süditalien Spanien zu erreichen.

Unvollendete Tatsachen

Inzwischen erhielt seine Betreuerin in Österreich den letzten abschlägigen Bescheid vom Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde ihm unter anderem vorgeworfen, dass «er selbst nicht davor zurückschreckte, in den Hungerstreik zu treten, sodass er letztlich … aufgrund von Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen werden musste». So ein frecher Kerl! Bereits im ersten Absatz des Schreibens wurde ihm, der nicht arbeiten durfte, «mangelnde Selbsterhaltungs­fähigkeit» vorgeworfen. Wegen seiner Frechheit, sich zum Heimhelfer ausbilden zu lassen, wurde festgestellt, «dass ein Fremder mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen.» So ein Erpresser! Hinaus mit ihm! (Übrigens: In Deutschland «dürfen» Asylwerber:innen nach drei Monaten Aufenthalt arbeiten. Damit liegen sie nicht nur den braven Steuerzahler:innen nicht auf der Tasche, sondern können ihren Arbeits- und Integrationswillen besser unter Beweis stellen.)
Nach sieben Jahren Aufenthalt in Österreich (davon sechs Jahre mit Grundversorgung) hat er die Sprache erlernt, Qualifikation in einem Mangelberuf erlangt, wurde jedoch ausgewiesen. Der Mangel an Arbeitskräften im Pflegesektor soll angeblich mit Menschen aus Vietnam und den Philippinen (die gefälligst die selbstfinanzierte nötige Qualifikation und Sprachkenntnis vorweisen sollen) behoben werden. Willkommen in Österreich? Wo nicht wenige nichtqualifizierte Politiker sehr wohl ihre Selbsterhaltungsfähigkeit unter Beweis stellen …

Ein Nachschlag: Es ist dem von uns betreuten Asylwerber schließlich gelungen, nach Spanien zu gelangen, wo er Mitte September Wohnung und Arbeit gefunden hat. Nach einem Jahr wird er wohl als Heimhelfer nach Österreich kommen dürfen.

 

Begegnung HEUTE in Melk
Der Verein «Begegnung HEUTE in Melk» wurde 2016 gegründet. Er entstand aus der bereits bestehenden Initiative «lerntreff», die Kindern mit nichtdeutscher Erstsprache erfolgreich kostenlose Hilfe bei Bewältigung des Programms von Pflichtschulen gewährt. Der Verein hat dann mit Hilfe von Freiwilligen die Abhaltung von Sprachkursen organisiert, ebenso Konversationskurse, Nähkurse, Teilnahme der Frauen an Gymnastik- und Fahrradkursen, aber auch den sehr wichtigen Unterricht zur Erlernung der jeweiligen Erstsprache ermöglicht. Da sich staatliche Stellen als nicht vorhanden erwiesen, wurde auch eine Beratung für Migrant:innen eingerichtet. Diese benötigen Unterstützung im Verkehr mit Behörden, Schulen, Ärzt:innen und bei der Arbeitssuche. Der Verein finanziert sich ausschließlich durch Spendengelder, seine Arbeit wird von «ehrenamtlich» Tätigen durchgeführt, überraschenderweise auch vom Innenministerium ausgezeichnet. Das ist eher peinlich, aber so bekommt der Verein für seine Arbeit ein wenig Geld.
Erwin Landrichter

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