Wir gehen sterbenArtistin

Roman

«Draußen auf dem Flur, nachdem ich die Türe hinter uns geschlossen habe, sagt Mutter unvermittelt mit fester Stimme: ‹Komm wir gehen heim sterben›.» Auf Seite 27 geht los, was der Titel von Melitta Brezniks Roman verspricht – die Chronik des Abschieds von der Mutter. Die ist über achtzig, als Krebs in einem Stadium diagnostiziert wird, das keine Heilbarkeit mehr denkbar macht. Wie in vielen ihrer Bücher ist Breznik als Erzählerin beides: die Angehörige mit ihren Gefühlen und ihren Verpflichtungen – und die Ärztin mit ihrer Routine und ihrem Wissen. Ein Wissen (und Gewissen), das die Mutter auch gleich in Anspruch nimmt mit dem Verlangen nach Sterbehilfe. Die ihr, so viel sei verraten, verweigert wird. Brezniks Protokoll der letzten Wochen, die sie mit ihrer Mutter in deren Zuhause verbringt, ist ein öffentlicher Abschied. Verwoben ist darin sowohl die Erinnerung daran, als Kind sehr geliebt zu werden («als ich Dich in meinen Armen hielt, war alles gut»), als auch die Einsamkeit eines Kindes, dem vor allem die Haustiere als Verbündete erschienen; Verziehenes hat Platz, aber auch Unverziehenes. Die Tochter ist willentlich und gern zurückgekommen, um die Mutter fast rund um die Uhr pflegend zu begleiten. Die
Leserin kommt aber nicht umhin, die Lebensentscheidung, dass sie die rurale Steiermark verlassen hat, um in der Schweizer Urbanität zu leben, von Seite zu Seite mit mehr Elan mitzutragen.

Melitta Breznik:
Mutter. Chronik eines Abschieds
Luchterhand 2020
159 Seiten, 18,50 Euro

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