Lokalmatadorin Nr. 526: Kholoud & Maan Alenglizi
Kholoud Alenglizi zahlt mit ihrem Mann Maan einen hohen Preis – für ihren sozialen Einsatz.
TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG
Sie lächelt, auch wenn’s nicht zum Lachen ist: Weil der gemietete Klein-Lkw mit Spenden für Erdbebenopfer in Nordsyrien das Müllabfuhrauto behindert hatte, musste der Müllabfuhrautolenker unverzüglich eine Meldung machen. Die Folge davon: eine saftige Strafe für ihren privaten Hilfsverein.
Manchmal fällt es in dieser Stadt schwer, ein OptiMIST zu bleiben, um einen Müllabfuhrautokalauer der Magistratsabteilung 48 zu bemühen.
Beeindruckend
Kholoud Alenglizi hat sich ihren Optimismus bewahrt. Sie hat in Damaskus englischsprachige Literatur studiert, dann in einem syrischen Telekommunikationsunternehmen Kund:innen betreut. Sie kann gut mit Menschen, hat nach der Flucht aus ihrer Heimat in nur einem Jahr annähernd perfekt Deutsch gelernt. Hiesige Politik und Bürokratie versteht aber auch sie nicht immer. Mit einem Augenzwinkern sagt sie: «Wir sammeln Erfahrungen.»
Mit ihrem Mann Maan und dem gemeinsamen Freund Hani Alkhatib hat die Pädagogin 2017 den Verein Die Brücke des Friedens gegründet, ursprünglich, um jenen auf Facebook eine Stimme zu geben, die unter der durchgängig destruktiven Stimmungsmache der FPÖ am meisten leiden.
«Die positiven Reaktionen haben uns bestärkt», erzählt Kholoud Alenglizi, während die letzten Hilfsgüter aus ihrem Vereinslokal in einem Meidlinger Gemeindebau abgeholt und verladen werden. «Wir haben daher begonnen, kostenlos Nachhilfe anzubieten und eigene Sprachcafés einzurichten.»
Die Englisch-Lehrerin hilft beim Englisch-Lernen, ihr Mann, Absolvent einer Wirtschaftsuniversität, Controller und Buchhalter, bei Fragen zur Mathematik, gute Bekannte wiederum beim Erlernen der deutschen Sprache.
Beschämend
Apropos Deutsch, da verstehen jetzt wir etwas nicht: Warum erhält dieser private Verein, der schon Hunderte Kinder und Erwachsene bei deren Integration effizient unterstützt hat, von der Stadt keine Förderung? Und was reitet jene Veranwortlichen bei Wiener Wohnen, die dieser humanitären Initiative nicht einen einzigen Euro Miete nachlassen wollen, obwohl unzählige Gassenlokale in Wiener Gemeindebauten leerstehen?
Stolz auf die eigene Arbeit sein darf man auch in der Bildungsdirektion: Dort wurde der mehrsprachigen Englischlehrerin erklärt, dass sie noch mindestens drei Jahre in Wien studieren müsse, ehe sie an einer hiesigen Schule arbeiten darf. Fürchtet man sich vor dem Mob in den sozialen Medien? Dort hat ein Troll gefordert, dass eine Frau mit Kopftuch niemals «unsere» Kinder unterrichten darf. Und ein anderer musste anmerken, dass eine Lehrerin, die von «unserem» Geld leben würde, hier nicht tragbar wäre.
Es gibt zum Glück auch andere Menschen in dieser Stadt: Sie stützen die finanziell nicht abgesicherte «Brücke» mit privaten Spenden und/oder helfen beim Helfen. Bei den Wohnpartnern im dritten Bezirk wollen sich Kholoud und Maan bedanken, auch bei den Leuten vom UNHCR, einem leitenden Beamten der MA 17 sowie Mitarbeiter:innen der Hauptbücherei. «Und unbedingt bei der Maria aus Lilienfeld, die seit unserer Ankunft in Österreich hinter uns steht.»
Maria hat Recht. Wir sollten der Lehrerin aus Damaskus («Ich arbeite gerne mit Kindern, weil man von ihnen ständig Neues lernt») viel mehr den Rücken stärken. Stellt euch bitte vor: Kaum war sie dem Krieg in Syrien entkommen, 2015, fuhr sie jeden Tag mit ihrem Mann von Lilienfeld zum Westbahnhof, um anderen Flüchtlingen beim Ankommen zu helfen.
Beglückend
Am Freitagabend wird im Vereinslokal im Gemeindebau an der Längenfeldgasse aufgekocht. Es sitzen dann Arabisch- und Deutschsprachige an einem Tisch. Gemeinsam wird gegessen, geredet, voneinander gelernt und selbstverständlich auch gelacht.
Angesichts all der netten Leute, die sie in Wien kennengelernt hat, bedankt sich Kholoud Alenglizi, «dass ich von ihnen als Mensch und nicht als Flüchtling gesehen werde». Und es bedeutet ihr viel, wenn sie den Jungen nachhaltig etwas beibringen kann: «Das macht mich auch stolz.»
Gleichzeitig bedauert die Lehrerin, dass sie den Kindern in ihrer Heimat nicht helfen kann: «Viele leben seit Jahren in Zelten, ohne Strom, ohne Internet, ohne Unterricht. Abgesehen von den Kriegstoten in meiner Heimat bedrückt es mich, dass derzeit eine Generation heranwächst, die weder schreiben noch lesen kann.» So gut es das Leben mit ihr in Wien meint, fügt sie am Ende hinzu, so traurig stimmt sie dieser Gedanke: «Die Kinder in Syrien bräuchten dringend Lehrpersonal. Wie mich.»