Wir sind einstun & lassen

Augustinverkäuferin Doris

Ich bin in Benin City aufgewachsen. Nach der Schule habe ich auf dem Markt gearbeitet oder Leute durch die Stadt geführt. Diese Zeit war hart, denn ich habe meine Mutter verlassen und hatte keine Hilfe. In Afrika musst du mit 16 Jahren schon selbstständig sein und kannst nicht von deinen Eltern abhängig sein. Die Politik war nicht stabil, und es gab viele Probleme mit der Polizei. Da habe ich beschlossen, das Land zu verlassen. Mit Anfang Zwanzig bin ich nach Österreich gekommen, allein. Diese Zeit war für mich nicht einfach, denn ich war Asylwerberin und musste einen Anwalt finden, um mich abzusichern. Du stehst auf der Straße, schaust dich um und denkst zu viel nach. Als ich nach Österreich gekommen bin, habe ich das zuerst bereut. Ich habe mich gefragt: Warum hast du Nigeria verlassen? Als ich Probleme wegen meines Asylstatus hatte, habe ich nur gedacht: Bitte bringt mich zurück nach Hause! Ich sehe niemanden, der mir hilft, mich durchzubringen in diesem Land. Mein Asylstatus war wie Müll für mich.
Aber seit ich geheiratet habe, habe ich Sicherheit, um mir hier ein Leben aufzubauen. Als ich meinen Mann kennengelernt habe, habe ich zum ersten Mal ein Geschenk zu meinem Geburtstag bekommen! Und langsam, langsam wurde es gut für mich. Er hat mir geholfen, in diesem Land anzukommen. Bis heute gibt er mir die Kraft zu bleiben. Als ich meine Papiere bekommen habe, habe ich angefangen, Deutsch zu lernen und zu arbeiten. Ich wollte schneidern, denn das habe ich in Afrika gelernt. Dort habe ich für mich, meine Schwester und meine Mutter genäht. Aber als ich eine Lehre machen wollte, wurde mir gesagt, dass es nicht zu mir passt. Mein Mann hat gesagt, dass die Lehre lange dauert, und ich hätte einen Gewerbeschein gebraucht, also habe ich abgebrochen. Schon vor Corona war es sehr schwierig, einen Job zu finden. Sie behandeln dich, als wärst du kein Mensch, weil du keine weiße Hautfarbe hast. Wenn du nicht Deutsch sprechen kannst, denken sie, du kannst die Arbeit nicht gut machen. Es gibt Rassismus überall, wo du hinkommst. Wir sind alle Menschen, wir sind eins. Ich verstehe nicht, warum wir Menschen so einteilen.
Wenn ich jemanden treffen würde, der neu in dieses Land kommt, würde ich sagen: Meine Schwester oder mein Bruder, nimm dir ein Herz und schau, was in diesem Land vorgeht! Wenn du weißt, was zu deiner Linken und Rechten passiert, wird es dir leicht fallen. Was ich mir selbst wünsche? Ein gutes, langes Leben, keine Krankheit, Stärke. Was für mich im Leben wichtig ist, ist Geld zu verdienen. Wenn ich Geld habe, kann ich anderen helfen. Deswegen sage ich: Gott, mach mich reich, sodass ich Leuten geben kann, die nichts haben!

PROTOKOLL: SYLVIA GALOSI
FOTO: MARIO LANG