Zwangsräumungen müssen verhindert werden
Frau R. haben wir im Augustin schon mehrfach porträtiert – beziehungsweise den Kampf um ihre Wohnung. Letzten Winter wurde diese, trotz unterstützenden Protesten, zwangsgeräumt. Christian Bunke hat nachgefragt, wie es ihr heute geht.Was kostet die Forderung nach einem selbstbestimmten Leben? Was ist die Forderung nach dem Bleiberecht in der eigenen Wohnung wert? Sieben Delogierungen – ein besserer Begriff ist «Zwangsräumung» – werden in Wien pro Tag durchgeführt. Die allermeisten finden ohne nennenswerte Öffentlichkeit statt. Eine Berichterstattung gibt es, wenn überhaupt, nur unter ferner liefen. Man verweist einfach darauf, dass die delogierte Person eine «komplizierte Person» gewesen sei.
Als Anfang Dezember 2014 die Delogierung der Monika R anstand, sah die Sache etwas anders aus. Diesmal gab es Protest, eine Sitzblockade und Medienöffentlichkeit von «ORF» über «Standard» bis «Krone». Seitdem ist es wieder ruhig geworden. Doch die Missstände in der Stadt Wien, die am Fall der Monika R sichtbar wurden, sind immer noch da.
Ohne Unterstützung landest du auf der Straße
Zur Erinnerung: Monika R. hatte eine großen Teil ihres Lebens in einer Wohnung in Ottakring verbracht. Der Mietvertrag dieser Wohnung war von ihrer Mutter auf Monika R. übergegangen. Eine kleine Substandardwohnung mit WC am Gang. Dafür aber eine bezahlbare Wohnung. Letzteres war, neben dem großen emotionalen Wert, sehr wichtig für Monika R. Denn bis heute wird ihr sehr geringes Einkommen besachwaltet. Dadurch wird ihr eine Selbstbestimmung über ihr Leben sehr schwer gemacht.
Dann kam der Wasserschaden im Vorzimmer ihrer Wohnung. Der wurde ihr angelastet. Die Hausverwaltung ließ den Vorzimmerflur aufbrechen und in eine Sandgrube verwandeln. Der Wasserschaden blieb, die Wohnung war aber nun unbewohnbar. Nächste Aktion der Hausverwaltung: Monika R. möge doch bitte ihren Wohnungsschlüssel aushändigen, dann könne auch der Schaden behoben werden. Natürlich rückte Monika R. ihren Schlüssel nicht heraus. Sie befürchtete den Rauswurf aus ihrer Wohnung, was bald auch Wirklichkeit wurde.
Besachwalteten Menschen wird vor Gericht nur selten geglaubt. So auch hier. Vor dem Bezirksgericht hatte Monika R. keine Chance. Sie ist sich heute sicher, dass sie fast auf der Straße gelandet wäre, wenn sie nicht Unterstützung bekommen hätte. Solidarische Menschen aus dem «Recht auf Stadt»-Netzwerk begleiteten sie zu Anwaltsterminen, organisierten Protest und halfen Lagerräume für Monika R.s wenige Möbel zu finden. Sie hat auch so schon genug Eigentum im Rahmen der Zwangsräumung verloren. Die Vollzugsbeamt_innen waren nicht gerade zimperlich.
Auch den kleinsten Luxus muss man sich leisten können
Der Protest konnte die Zwangsräumung nicht verhindern, doch ohne Protest wäre Monika R vielleicht keine Ersatzwohnung angeboten worden. Heute lebt sie in einer Gemeindewohnung. Sie freut sich darüber, nach vielen, vielen Monaten endlich wieder fließend Wasser zu haben. Doch das hat einen Preis: Die neue Wohnung kostet 200 Euro mehr im Monat als die alte. Auch das ein Grund, warum sie bis zum letzten Moment versucht hat, ihre alte Wohnung zu halten.
Gemeindewohnungen sind kein Schutz vor Obdachlosigkeit. 900 Menschen werden jedes Jahr von «Wiener Wohnen» delogiert. Monika R. stellt sich da Fragen: Was passiert mit jenen Menschen, die ihre Gemeindewohnung verlieren? Was, wenn sie sich einmal ihre neue Wohnung nicht mehr leisten kann? Selbst Obdachlosigkeit kostet in Wien für die Betroffenen Geld: 2 Euro Kostenbeitrag für eine Nacht in den allermeisten Notschlafstellen. Ausnahmen werden keine gemacht. Danke, Rot-Grün.
Monika R.s neue Wohnung liegt an einer bis in die frühen Morgenstunden vielbefahrenen Hauptstraße. Monika R hat aber schwerwiegende Schlafprobleme und ein entsprechendes Ruhebedürfnis. Sie ist der Meinung, dass die Bedürfnisse der Menschen in Wien ernster genommen werden sollten. Ihre Erfahrung mit den Autoritäten ist die einer andauernden Amtsbehandlung. Sie meint aber, ihr Verhältnis zu ihrem Sachwalter habe sich stark verbessert.
Am liebsten wäre ihr eine Wohnung am Stadtrand. Sie geht gerne spazieren. Sie ist nicht ohne Hoffnung. Die Auseinandersetzung um ihre Wohnung und die Erfahrung, nicht allein zu stehen, haben ihr Kraft gegeben. Sie hat Ziele, für sich und für andere Menschen. Dafür will sie weiterhin eintreten.
Indes hält die Kampagne «Zwangsräumungen verhindern» regelmäßige Treffen ab. Jeden ersten Dienstag im Monat gibt es eine Rechtsberatung, jeden dritten Dienstag im Monat ein Austauschtreffen mit Kaffee und Kuchen. Ort: Café Prosa, Sparkassenplatz 3, 1150 Wien. Zeit: 19 bis 21 Uhr.
Mehr Infos unter: www.zwangsraeumungenverhindern.noblogs.org