„Wir sind medial verblödet“Artistin

Experimenteller Film als Alternativvorschlag zum Mainstreamkino

Das Österreichische Filmmuseum zeigt demnächst Filme von Gustav Deutsch. Warum die Beschäftigung mit Film und generell mit Kunst auch einen gesellschaftspolitischen Anspruch haben sollte, erklärt er im Gespräch.Es waren die 70er-Jahre, in denen Gustav Deutsch an der Technischen Universität in Wien studierte. Es war eine Zeit, in der es für viele Studierende ein Anliegen war, gesellschaftliches Engagement mit ihrer Ausbildung zu verbinden. Deutsch und seine Studienkollegen konnten sich mit abgehobenen Aufgabenstellungen, die die soziale Wirklichkeit ignorierten, nicht anfreunden. Wir haben kaum ein Projekt realisiert, wie es von den Professoren vorgeschrieben war Kunstübung hat das geheißen , sondern haben Gegenprojekte entworfen. Zum Beispiel war das Thema einer solchen Kunstübung, einen Musterbauernhof für das nördliche Weinviertel zu entwerfen. Das war in einer Zeit, wo in der Gegend fast alle Bauern in die Stadt abgewandert sind und wir uns fragten, wer kann sich einen von Architekten entworfenen Musterbauernhof leisten? Wir haben gesagt, das machen wir nicht und sind rausgefahren, um herauszufinden, warum es den Bauern dort so schlecht geht. Wir haben bei der Weinlese geholfen und Interviews geführt. Als Abschlussarbeit haben wir eine Diaschau zum Thema Landflucht gemacht, das wurde vom beurteilenden Professor nicht akzeptiert.

Die Mitarbeit an einem Filmprojekt führte Gustav Deutsch einige Jahre später wieder in dieselbe Gegend. Ihm wird angeboten, sich an einem lokalen Fernsehprojekt zu beteiligen. Es entstehen fünf Videofilme, die den Begriff Kultur in der Region auf verschiedenen Ebenen beleuchten. Damals war Video ja ein politisches Medium, also hauptsächlich eingesetzt, um Gegenöffentlichkeit zu erzeugen. Deutsch beginnt sich intensiv mit Film auseinander zu setzen: Ein ernst zu nehmender Künstler hinterfragt das Medium, in dem er arbeitet. Es geht darum, nach den Prinzipien, nach dahinter liegenden Machtstrukturen, nach den Verwendungsmöglichkeiten von Film durch Politik und Gesellschaft zu fragen. Also, warum das Kino und der Film so beschaffen sind, dass sie dazu geeignet sind, Menschen durchaus zu manipulieren. Warum wir dafür anfällig sind und uns sehr oft nicht fragen, was die Illusionsmaschinerie Kino eigentlich darf und sollte.

Suche nach nicht beschlagworteten Bildern

Als Gegenbewegung zum Mainstreamfilm sieht Deutsch seine filmische Arbeit nicht, sondern als Alternativvorschlag zur rein nach kommerziellen Regeln agierenden Kinoindustrie. Trotz der extremen Ausrichtung der Gesellschaft auf visuelle Medien und der rasenden technischen Entwicklung, befasst sich das Bildungswesen so gut wie gar nicht mit einem kritischen Medien-Umgang. Wir sind medial verblödet, weil wir das nicht gelernt bekommen, meint Deutsch. Wir sind ästhetisch am Sand, weil wir es nicht lernen. Weil diese Sachen bei uns keinen hohen Stellenwert haben. Es seien einzelne Lehrer, die sich engagierten, was aber oft nicht belohnt werde. Zwar sind Gustav Deutschs Projekte in erster Linie Kunst, Kunst kann aber nicht nur unterhalten, sondern auch informieren, Wissen erweitern. Zur Film ist.-Reihe veranstaltet Deutsch auch Lectures. Im Rahmen von Café Melange im Sommer 2008 wurden auch Workshops für Schulklassen angeboten. (Das Café Melange wurde als Projekt des Europäischen Jahres des Interkulturellen Dialogs realisiert. Rund um ein mobiles Kaffeehaus, das auch eine Mediathek beherbergte, wurden in Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen und Vereinen Veranstaltungen zum Thema kulturelle Mischung konzipiert und abgehalten. Der Augustin war einer der Kooperationspartner.)

Deutschs Projekte entstehen fast immer in Teamwork, insbesondere die Filme sind das Ergebnis kollektiver Arbeit. Die Auswahl der Bilder kann nur mit Hilfe der Mitarbeiter verschiedener Filmarchive erfolgen. Ich suche ja nach kraftvollen Bildern, die etwas Bestimmtes aussagen, die sind nicht beschlagwortet. Ich muss mich den MitarbeiterInnen in den Archiven verständlich machen. Auch die Musiker, die die Filme vertonen das sind Christian Fennesz, Martin Siewert und Burkhard Stangl sind ab einem frühen Zeitpunkt in den Herstellungsprozess eingebunden. Hanna Schimek, Gustav Deutschs Partnerin im Leben und in der Kunst, ist auch seine Hauptmitarbeiterin vom Beginn der Recherchen an und künstlerische erste kritische Instanz und Beraterin.

Das Reisen und die Auseinandersetzung mit der Fremde, aber auch mit dem Fremden im eigenen Land bilden einen Schwerpunkt der Arbeit des Paares. Unter anderem führen die beiden während mehrmonatiger Aufenthalte in der marokkanischen Oase Figuig künstlerische Forschungsarbeit durch. Wir haben uns mit der Landschaft, mit der Kultur, die uns entgegengetreten ist, auseinander gesetzt. Eine dieser Arbeiten dokumentiert das Jahrhunderte alte, noch immer funktionierende Wassersystem der Oase. Mit Mostafa Tabbou, der in Figuig lebt, führt Gustav Deutsch ein Filmprojekt durch. Augenzeugen der Fremde (1993) ermöglichte dem jungen Marokkaner einen Aufenthalt in Wien. Während dieser Zeit filmte er mit einer präparierten Kamera, was ihm hier bemerkenswert erschien. Die Hälfte der Einstellungen des fertigen Films bestehen aus Mostafa Tabbous Aufnahmen, die andere Hälfte aus Einstellungen, die Gustav Deutsch in Figuig erstellte. Damit habe ich sehr viel über die Wahrnehmung der Fremde mitbekommen, erzählt Deutsch. Ich glaube, dass es allen Menschen gut tut, das Gewohnte, das Vertraute, Heimische ab und zu zu verlassen und es in der Fremde anders zu sehen. Jedes Mal wenn man zurückkommt, erlebt man das Eigene wieder fremd. Nur dadurch, dass man das erkennt, kann man auch andere Menschen wahrnehmen und so lernen, miteinander besser auszukommen.

Info:

Die Retrospektive im Filmmuseum läuft von 19. bis 26. Februar. Sein neuestes Werk Film ist. a girl and a gun ist ab 27. Februar im Votivkino zu sehen.

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