«Wir werden diese Entscheidung so nicht hinnehmen»vorstadt

Beim Handball im Wasser gewinnt das Team mit der höchsten Toranzahl. Die Füße dürfen nicht den Beckenboden berühren, randaliert wird unsichtbar unter Wasser, ansonsten droht ein Ausschluss. Für Männer und Frauen gelten dieselben Spielregeln, nur nicht bei den Förderungen.

TEXT: TANIA NAPRAVNIK, FOTOS: NINA STRASSER

Mittlerweile haben viele traditionsreiche Sportvereine Wasserball in Österreich aufgegeben. Vor zwei Jahren drohte dem ASV Wien-Damenwasserball dasselbe Schicksal. Die letzten paar Spielerinnen hatten die schlechten Trainingsbedingungen endgültig satt. Doch 2018 wollten sie es noch einmal wissen: Sie mobilisierten ihre letzten Reserven, teilten ihre Aufgaben untereinander neu auf und gewannen den hochqualifizierten Marcus Ebertowski als Trainer. Seither beflügelt das leidenschaftliche Team die österreichische Wasserballszene mit ihrem Elan. Die Teammanagerin Klara Jiranek gibt Einblicke: «Wir sind eine multikulturelle Gruppe, ein Mix aus verschiedenen Jahrgängen, Körpergrößen und Gewichtsklassen. Wasserball lässt Diversität zu und ist deswegen der tollste Sport der Welt.» Seit den Erneuerungen wuchs die Anzahl der Spielerinnen von vier auf dreißig, die Trainingszeiten im Becken verdoppelten sich, und 2021 wird erstmalig eine Mädchen-Nachwuchsmeisterschaft in Österreich ausgeschrieben. Die Teenagerin Dina Roškić deklariert motiviert: «Wasserball ist für mich eine Leidenschaft. Kondition wird aufgebaut und trainiert. Auch kann ich alles rauslassen, was sich während der Woche aufstaut. Ich find’s super und wünsche mir, mehr zu spielen.»

Ohne Engagement geht’s nicht.

Die ersten Erfolge des Damenteams offenbaren die strukturellen Probleme der Randsportart. Es gibt wenig Ressourcen, um die sich viele Parteien beim Österreichischen Schwimmverband (OSV) streiten. Mit wie viel Geld die Wasserballerinnen gefördert werden, ist unklar. Nur so viel ist sicher: Sie verlangen ihren Teil des Kuchens. «Wir sind dabei, einen weiblichen Nachwuchs aufzubauen», erklärt die ASV-Kapitänin Janin Stejskal und ergänzt: «Meine eigene Karriere war ein Zufall und basierte auf keinen nachhaltigen Strukturen.» Sie selbst ist das Aushängeschild des österreichischen Wasserballs, als bis dato einzige Frau, die in vier ersten Bundesligen in Europa spielte. Lachend blickt Stejskal auf ihre eigene Karriere zurück: «Dass eine Österreicherin mal nach Budapest zu einem Match fährt, um dort auszuhelfen, hat schon für Erstaunen gesorgt.» Ungarn gehört nämlich zu den führenden Wasserballnationen: Die Herren haben seit 1900 neunmal Gold bei Olympia geholt. Damenteams wurden erst genau einhundert Jahre später zu den Olympischen Spielen zugelassen, die Amerikanerinnen liegen mit zwei Goldmedaillen ganz vorne. Laut Stejskal ist «das Nationalteam die Spitze der Pyramide in der sportlichen Leistung und ein Ziel, auf das man hintrainiert». Umso erstaunlicher erscheint es, dass der OSV jüngst keine diesbezüglichen Frauenförderungen beantragte. Die Damen werden als Entwicklungsteam deklassiert. Die zielsichere Kapitänin lässt diese Absage kalt und sagt entschlossen: «Wir werden diese Entscheidung so nicht hinnehmen und nach Möglichkeiten suchen, um unser Vorhaben umzusetzen.»

Prekäre Trainingssituation.

«In Österreich werden Schwimmbäder für die Öffentlichkeit gebaut, und dann können Vereine dort fragen, ob sie mal trainieren dürfen. Für Wasserball bleibt nicht viel übrig», führt Marcus Ebertowski in die Thematik ein. Er ist ehemaliger Leistungswasserballer aus Potsdam, kam über das Schwimmen zum Wasserball, und hat die höchste Trainerlizenz in Deutschland absolviert. Eine Wasserballtrainer_innenausbildung ist in Österreich derzeit nicht möglich. Während seines Studiums verlegte Ebertowski seinen Lebensschwerpunkt nach Wien und nahm ab den 2000er-Jahren beim Wiener Sport-Club seine Wasserballaktivitäten wieder auf. Er erläutert die schwierigen Trainingsbedingungen in Wien: «Anders als in den Bundesländern haben in der Hauptstadt alle Bäder wegen Corona geschlossen. Nur die Bundesschwimmhallen Südstadt und Schmelz sind für Spitzenwassersportler_innen geöffnet, die untereinander um die Bahnen konkurrieren.» Zum Ärgernis der Damen kam hinzu, dass sich der OSV während des zweiten Lockdowns zunächst nur um die Trainingsberechtigung für die Herren kümmerte. Erst nach Protesten der Frauen erhielten sie auch die benötigte Sondererlaubnis und konnten damit glücklich auf den anstehenden Österreichischen Cup im Dezember hin trainieren. Dort zeigte sich, dass den Damen das kontinuierliche Training zum Sieg fehlte, sie verloren die zwei Matches jeweils um ein Tor. Die ehrgeizige Roškić fasst zusammen: «Wir waren weder ausreichend fit noch eingespielt. Außerdem dachten wir, wir gewinnen locker, und wurden dann sehr überrascht.» Die Kapitänin ist dennoch mit der Leistung beim Cup zufrieden: «Ich sehe das große Ganze. Wir werden noch etwas brauchen, bis wir die Früchte unserer Arbeit ernten. Jetzt setzen wird erst mal die Samen ein und kümmern uns um den Nachwuchs.» Speziell die Jugendlichen brauchen momentan das Training, nicht nur für die Kondition, sondern auch, um den Teamzusammenhalt zu stärken und ein Stück weit «Normalität» zu erfahren. Die Spielerin und Sportlehrerin Simonetta Prindl erklärt: «In Zeiten von Social Distancing kommen die Schüler_innen überhaupt nicht raus von zu Hause. Sie haben hier mit uns soziale Kontakte, die ihnen ansonsten stark fehlen. Das Training ist derzeit eigentlich noch wichtiger als ansonsten.» Die junge Spielerin Vanja Ribić fügt ergänzend hinzu: «Wenn wir kein Training haben, sinkt die Motivation. Wir brauchen aber insgesamt eine stärkere Stimme, denn auch schon vor dem Lockdown konnten die Männer viel trainieren, aber wir nicht.»

Professionalisierung des Sports.

Insgesamt existieren zwölf Wasserballvereine in Österreich. 2020 gab es vier Damen- als auch Herrenteams in der österreichischen Bundesliga (BL), bei den Herren siegte der ASV und bei den Frauen der Wasserball Club Tirol (WBCT). Auffallend ist, dass die zwei Torschützenköniginnen der BL aus Ungarn stammen und nah aneinander sind, während die zwei drittplatzierten Österreicherinnen (darunter auch Prindl vom ASV) mit großem Abstand dahinter liegen. «Wenn der sportliche Wettbewerb insgesamt schwach ist, können starke Legionärinnen spielentscheidend sein», erklärt Ebertowski. Doch nicht nur in Teams besteht Konkurrenz, sondern auch die Wassersportsparten konkurrieren untereinander: Schwimmen, Synchronschwimmen, Turmspringen versus Wasserball bzw. Gruppen- versus Einzelförderungen. Um die Diskrepanzen zwischen den Disziplinen beim OSV auszugleichen, wurde 2018 die Österreichische Wasserballliga (OWL) gegründet. Bernard Stejskal, der Präsident der OWL und aktiver österreichischer Wasserballer seit fast 50 Jahren, erklärt: «Das Problem ist, dass beim OSV ganz unterschiedliche Sportarten organisiert sind. Wasserball ist ein Team- und Wurfsport mit seinen eigenen Gesetzen. Das ist so, wie wenn man Fußball bei der Leichtathletik ansiedelt, nur weil in beiden Fällen gelaufen wird.»
Ausblick. Aus Sicht des Präsidenten hat die OWL zur Professionalisierung des Wasserballsports beigetragen: «Vereine zeigen selbst mehr Initiativen zur Sportförderung, die Medienpräsenz und das Sponsoring wurden erhöht. Zudem konnten wir Frauen für die Gremienarbeit gewinnen. Das ist wichtig, um blinde Flecken in den Förderstrukturen aufzudecken.» Er kommentiert, dass die jüngsten Entwicklungen und das Engagement des ASV-Damenteams sehr positiv seien und er sich gut vorstellen könne, dass die Mädchen ähnlich wie die männlichen Gleichaltrigen unterstützt werden: «Beim ASV haben wir eine Hand voll Burschen, die in eine Sportschule gehen und bis zu acht Mal die Woche trainieren. Viel bessere Möglichkeiten gibt es in Ungarn oder Kroatien auch nicht.» Bis wann diese Strukturen für Mädchen etabliert werden, bleibt offen. Die ASV-Spielerinnen sind trotz der angespannten Situation optimistisch, unbeirrbar engagieren sie sich fortwährend für gleichberechtigte und nachhaltige Rahmenbedingungen beim Wasserballsport. «Jetzt ist der schwierigste Zeitpunkt für unsere Zukunft. Aber wenn wir alle daran arbeiten, können unsere Wünsche in Erfüllung gehen», beendet Klara Jiranek das Interview und hüpft vergnügt in den Pool.
Aus Sicht der Spielerinnen bleibt zu hoffen, dass der OSV seinen Beitrag zur Professionalisierung des Sports und Gleichbehandlung der Sportler_innen leisten wird, bis zum Redaktionsschluss war der OSV für keine Stellungnahme über die Fördervergaben beim Wasserball bereit. Ein vereinbarter Interviewtermin wurde nicht wahrgenommen, daher können auf diesen Seiten auch keine konkreten Zahlen genannt werden. Diese bleiben für Außenstehende ein Mysterium.
Auf die kurzfristige Anfrage um eine Stellungnahme bei der Bundes-Sport GmbH, kam folgende Rückmeldung: «Wasserball ist eine Sparte des Österreichischen Schwimmverbandes. Es obliegt daher dem Österreichischen Schwimmverband, ihre Förderstrategie sowie ihre Fördervorhaben festzulegen.» 

Wer Lust auf Damenwasserball bekommen hat, wendet sich am besten per Mail an die Teammanagerin: klara_jiranek@yahoo.de
www.asv-wien.at/wasserball.html

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