«Forever not alone» porträtiert sechs Mädchen zwischen Kindischseindürfen und Erwachsenwerdenwollen
Sechs Schülerinnen vom Hernalser Parhamerplatz und ein Sommer, wie es ihn – selbstredend – nie mehr geben wird. Das ist der Stoff von Caroline Bobeks und Monja Arts Dokumentarfilm «Forever not alone». Zwischen unrunder Selbstfindung, ziemlich guten Witzen und ein bisschen Musikvideoatmosphäre begleiten die Filmemacherinnen mit solidarischem Blick die «Chillerclique» auf einem kurzen Wegstück zum Erwachsenwerden.«Das mit unserem Freundeskreis hat mich eine Zeit sehr beschäftigt, ich wollte einfach, dass diese ganze Veränderung vorbei ist, wer geht weg und wie wird’s sein. (…) Jeder geht so seinen Weg, und irgendwie hatte ich keine zweite Person, mit der ich meinen Weg gehen kann.» Das ist Maira, vierzehn, eine der sechs Protagonistinnen, die sich immer wieder «forever alone» fühlen, wie sie in regelmäßigem Abstand betonen. Und dabei doch sehr gut aufgehoben in ihrer Clique, der «Chillergroup».
Die «Chillergroup» besteht aus Maira und Nani, Alice und Vera, Helene und Selin. Dreimal zwei oder einmal sechs. Teenagerinnen, die an einem Punkt angelangt sind, an dem sie mit gerunzelter Stirn selbst Entscheidungen übers Leben treffen – oder zumindest entscheiden, mit den Entscheidungen umzugehen, die über sie getroffen werden: Selin muss mit ihrer Mutter nach Deutschland ziehen. Und alle sechs versuchen, diesem Abschied, der symbolisch zu stehen scheint für ganz viel Abschied und ganz viel Neuanfang, standzuhalten. «Man redet halt nicht so gern über traurige Sachen»: Helene.
Forever alone together
Am Anfang steht ein Video, das die Mädchen selbst voneinander gedreht haben. «Forever alone together!» ruft eine, und die anderen bestätigen das. «Beim Sichten des Materials haben wir erst festgestellt, dass sich ein Begriff immer wieder auftut: forever alone», erzählt Caroline Bobek, hauptberuflich Kamerafrau. «Das kommt von einem Comic und hat sich reingeschlichen in die Jugendkultur. Sie verwenden das so: «Ich bin forever alone und keiner mag mich», oder auch: «Ich setz mich jetzt forever alone in den Stuhl hinein».» Monja Art fügt hinzu: «Und wir wollten es positiv formulieren.»
Positiv formuliert ist der ganze Film. Und obwohl er notgedrungen, aufgrund der Alltagsrealität der sechs Hauptdarstellerinnen, eine Ode an die Freundinnenschaft ist, ist er zu kühl und zu nah dran, um das Teeniesein zu verkitschen.
Und die Mädchen selbst zu unverstellt in ihren Vorstellungen. Das hört sich etwa so an:
Nani zu ihren Absichten, erwerbstätig zu werden: «Ich werde wahrscheinlich der Mensch, der ’nen Job hat, wo man ganz viel verdient und nichts machen muss.»
Maira zum Thema, welche Liebesbeziehungen gelten: «Volkschulbeziehung zählt nicht bei uns. Das zählt nicht.»
Selin auf die Frage, ob ihre Beziehung mit Pauli eine schöne Zeit war: «Ja. Also von den drei Wochen war es die ersten zwei Wochen urschön.»
«Na ich so, mindestens einen Tag»
Am bestechlichsten ist insgesamt das Zeitgefühl der sechs. Helene ist eifersüchtig, weil Selin schon einen Tag mit Pauli zusammen ist. Und Maira gibt folgenden Überblick über ihre letzte Liebesbeziehung: «Erst dissen wir uns die ganze Zeit, dann komm ich drauf, er steht auf mich. Haben wir gesagt, ok, ich bin bereit für eine Beziehung, blablabla, dann waren wir zusammen. Dann schreibt er mir eine SMS und sagt, wir müssen reden, ich glaub, das mit uns wird nichts. Weil er hat Stress in der Schule und mit Freunden und zu Hause. Dann hat er mich nochmal angeschrieben, und dann ich so, wie wär’s mit Beziehungsstatus auf Facebook ändern?, er so, nein, weil er will’s nochmal versuchen. Und dann ich so, ja, dann lass mir Zeit; ja, wie lange?; na ich so, mindestens einen Tag.»
Selin beschließt das Gespräch über Liebesbeziehungen pragmatisch: «Keiner in der Chillergroup hat irgendwie einen Freund.» Und ganz ehrlich, das Premierenpublikum wundert sich wenig. Gegen diese «ABFOJA» (Helenes Kürzel für «Allerbeste Freunde ohne jede Ausnahme»), diese «echten Seelenverwandten» (Vera über Alice) gibt es kein Ankommen.
Den besseren Film machen
Caroline Bobek und Monja Art sind selbst schon seit ihrer Jugend am Filmemachen. Bobek ist über den Umweg Paris auf die Filmakademie gekommen, Art hat es mit achtzehn ins Finale eines Hollywood-Schreibwettbewerbs geschafft: «Da hab ich mir gedacht, ich könnte eigentlich auch Drehbücher schreiben». Für ihr aktuelles Spielfilmprojekt «Siebzehn» hat sie den Carl-Mayer-Drehbuchpreis gewonnen. 2005 gründeten die beiden mit befreundeten Künstler_innen den Verein «Artwelten». «Aber dann war es so, dass die meisten mit dem Studium fertig wurden und Jobs gesucht haben und nicht mehr beim Filmemachen blieben. So sind als Kern eigentlich wir zwei geblieben.»
«Forever not alone» war ursprünglich als Spielfilm angelegt. Die sechs Mädchen sollten ihre Geschichte des Abschieds und der Entscheidungen nachspielen. Aber an einem Punkt war klar, das ist nicht drin: «Die Maira hat angerufen, dass das für sie nicht geht, weil der Auflösungsprozess gerade im Gange ist und es für sie emotional zu aufwendig wäre, wenn sie das noch einmal spielen müssen: dass diese Trennung jetzt erst kommt.» Also begannen Bobek und Art kurzerhand, die Mädchen mit der Kamera zu begleiten. Und das war, so Bobek, «viel besser für alle Beteiligten.». Art: «Auch für uns. Es ist der bessere Film.»
Das wurde bei einem Testscreening auch von den Protagonistinnen bestätigt. Bevor der Film an die elterliche und die anonyme Öffentlichkeit geriet, wurde einmal durchgesehen, ob alles im Rahmen ist. «Das lief super ab, sie waren total happy und haben ganz viel geweint und sind sich in die Arme gefallen und wollten es gleich nochmal sehen.»
Ob es eine Fortsetzung geben wird – eine Premierenzuschauerin äußert diesen Wunsch -, ist unklar. Maira, Nani, Alice, Vera, Helene und Selin gehen ihre eigenen Wege. Selin: «Wir werden uns auseinanderleben. Also nicht auseinanderleben, aber wir werden uns verändern. Jeder Einzelne wird sich verändern. Niemand wird genau gleich bleiben, weil das geht einfach nicht. (…) Und es wird sich dann herausstellen, ob wir uns noch verstehen, wenn wir ein bisschen andere Menschen sind.»
Carolina Bobek und Monja Art beginnen inzwischen ihre Organisationsarbeit für «Siebzehn». Ein Jugendfilm, der in Niederösterreich spielt, und in dem es um «Machtverhältnisse bei Liebesbeziehungen von Jugendlichen» geht – so viel verrät Monja Art aus dem Drehbuch. Und: Es endet bei einem Teich. Das klingt in den harmoniebedürftigen Ohren der Redakteurin gefährlich. Ich bitte um ein Happy End, das mir durchaus nicht zugesagt wird; wir werden berichten, wie es weitergeht.
www.art-welten.com/forevernotalone
Demnächst zu sehen bei:
Oktober: Internationales Filmfestival Hof, Das Filmfestival – Festival des deutschsprachigen Films in Prag und Brünn
November: Internationales Filmfestival Ljubljana, Free Zone Film Festival in Belgrad